Unsere Vereine Unbürokratische Hilfe im Bürokratie-Dschungel

Bitburg · Dienstagvormittags ist in der Regel am meisten los. Dann ist der Flur voll mit Menschen, die überfordert sind. Überfordert mit dem, was die Behörden von ihnen erwarten. „Die meisten Hilfesuchenden haben Probleme, die komplizierten Anträge auf Arbeitslosengeld I und II oder aber Anträge auf weitere soziale Leistungen mit ihrer Vielzahl von Anlagen, zu verstehen und auszufüllen“, sagt Karl Junk.

 In diesem Gebäude in der Mötscher Straße ist unter anderem auch die Beratungsstelle der Arbeitsloseninitiative AliBi untergebracht.

In diesem Gebäude in der Mötscher Straße ist unter anderem auch die Beratungsstelle der Arbeitsloseninitiative AliBi untergebracht.

Foto: Uwe Hentschel

Und er weiß, wovon er redet. Der Verwaltungswirt war früher selbst bei einer Behörde beschäftigt und kennt daher das Problem, mit dem vor allem Menschen mit Lese- und Rechtschreibschwächen, einem eher niedrigeren Bildungsniveau oder mangelnden Deutschkenntnissen konfrontiert werden, wenn sie einen Antrag ausfüllen sollen. Und gleiches gelte auch für das Nachvollziehen und Verstehen von Bewilligungsbescheiden und deren Prüfung auf Richtigkeit.

„Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“ So steht es in Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Weil es mit dieser Erklärung alleine aber nicht getan ist, wurde 1991 die Arbeitsloseninitiative im Landkreis Bitburg-Prüm, kurz: AliBi e. V., gegründet. Sie gilt seitdem als Anlaufstelle bei allen Fragen zur Erwerbslosigkeit.

Der Verein und dessen gemeinnützige GmbH AliBi-Eifelservice wollen den individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Erwerbslosigkeit entgegenwirken. AliBi verfolgt das Ziel, im Eifelkreis erwerbslose Menschen in ihrer gegenwärtigen Situation zu stärken und zu unterstützen. Darüber hinaus leistet der Verein auch Hilfe zur Selbsthilfe, damit Betroffene nicht in Erwerbslosigkeit verharren, sondern aktiv werden, um wieder aus der Arbeitslosigkeit rauszukommen.

„Im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs sinken die Zahlen der erwerbslosen Personen zwar, aber der Kreis der verfestigten Langzeitleistungsbezieher bleibt im Großen und Ganzen unverändert“, erklärt Junk. Gemeinsam mit Pädagogin Susanne Leisen und Sozialpädagogin Shireen Warda bildet er das Beraterteam des Vereins. An drei Tagen in der Woche stehen die drei angestellten Fachkräfte für alle Fragen rund um die Arbeitslosigkeit zur Verfügung. Sie helfen bei Anträgen und Bescheiden zum Arbeitslosengeld I und II und sonstigen Sozialleistungen wie beispielsweise Wohngeld und Kinderzuschlag und vermitteln die Kunden bei Bedarf an spezielle Beratungsstellen wie etwa die Schuldnerberatung. Zudem stehen sie auch bei Fragen zu Sachbearbeitern der Agentur für Arbeit, des Jobcenters oder der Kreisverwaltung zur Verfügung. Letzteres geschieht aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit zwischen dem Verein und den Behörden meist per Telefon oder E-Mail auf dem kurzen Dienstweg.

Allein im vergangenen Jahr hat das Team 1064 Ratsuchenden weitergeholfen. Den mit Abstand größten Anteil der Menschen, die das kostenlose Beratungsangebot in Anspruch nehmen, machen dabei Asylberechtigte aus. Einige von ihnen haben das Glück, dass sie einen ehrenamtlichen Betreuer an ihrer Seite haben. „Wir stellen fest, dass diese Asylberechtigten im Vergleich zu anderen, unbegleiteten Menschen bessere Fortschritte im Integrationsprozess machen“, sagt Junk. Und das gelte insbesondere auch beim Erlernen der deutschen Sprache.

Angesichts der Vielzahl an Nationalitäten – 2018 haben Ratsuchende aus 45 Nationen die Beratungsstelle aufgesucht – ist die Verständigung nicht immer einfach. Zumal ein Großteil der Menschen aus dem arabischen Raum kommt. Für den Verein ein Glücksfall ist deshalb, dass auch Beraterin Shireen Warda arabische Wurzeln hat. Die Syrerin ist erst vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen, hat damals ebenfalls die Beratungsstelle aufgesucht, um Unterstützung beim Ausfüllen der Anträge zu erhalten, und arbeitet nun seit sieben Monaten selbst dort. Als Dolmetscherin und als Beraterin. „Sie kennt sich inzwischen bestens im deutschen Formular-Dschungel aus“, sagt Dyrck Meyer, zweiter Vorsitzender des Vereins.

118 Mitglieder zählt der Verein AliBi derzeit. Bei einem jährlichen Mitgliedsbeitrag von durchschnittlich 13 Euro sei der Verein dringend auf Unterstützung angewiesen, um das Beratungsangebot aufrecht erhalten zu können, erklärt Meyer. „Von den 20 000 Euro, die wir jedes Jahr benötigen, kommen 15 000 Euro von der Dia­konie“, sagt er. „Den Rest müssen wir über Mitgliedsbeiträge und Spenden zusammenbekommen“, fügt Meyer hinzu. „Und das ist für uns jedes Jahr aufs Neue eine echte Anstrengung.“

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