Unsere Vereine Deutsch-englische Freundschaft besteht – trotz Brexit und Corona

Schweich/Portishead · Der Freundeskreis Schweich-Portishead feiert im kom­men­den Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Dr. Harald Bartos und Elfriede Lauströer werfen für Die Woch einen Blick zu­rück in die Geschichte der Städtepartnerschaft.

Gruppenfoto vor der Lacock Abbey beim bislang letzten Besuch 2019 in England.

Gruppenfoto vor der Lacock Abbey beim bislang letzten Besuch 2019 in England.

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder

An einem Sommerabend des Jahres 1988 fährt ein PKW mit deutschem Kennzeichen durch Südengland und biegt an der Ausfahrt mit dem Schild „Portishead“ von der Autobahn ab in Richtung Avonmouth, dem Meeresarm, der die Südwestspitze Englands von Wales trennt.

Die kleine Delegation aus Schweich schaut über eine hügelige Landschaft, die einem Rosamunde-Pilcher-Film Ehre macht, über die große Bucht, von deren gegenüberliegender Seite die Lichter von Cardiff grüßen. Ihr Ziel ist das typisch englische Reihenhäuschen des örtlichen Schulleiters Frank Case, der – für englische Junior Schools außergewöhnlich – mit großer Leidenschaft Deutsch unterrichtet, und zwar nicht nur seine Schüler, sonder auch deren Eltern.

In dem kleinen Wohnzimmer mit loderndem Kamin wimmelt es von Menschen. Auf die drei Besucher aus Schweich warten nicht nur Repräsentaten der Stadt, sondern auch der örtlichen Sportvereine, der Pfadfinder, der Freiwilligen Feuerwehr, der Pfarreien und viele mehr. Während Adressen und Telefonnummern ausgetauscht werden, fließt in die Gläser Wein von der Römischen Weinstraße. Den kannte man in Portishead schon lange zuvor, denn ein Winzer aus Longuich belieferte seit Jahren ein Weingeschäft in der Portishead High Street.

Vier Jahre später werden die Urkunden in der Stefan-Andres-Halle in Schweich feierlich unterzeichnet. Man kennt sich bereits und wer es wollte, hatte schon Freunde auf der anderen Seite des Ärmelkanals gefunden und besucht. Schön, dass die fast 50 Kinder starke Gesangsgruppe „Highlights“ aus Portishead die Feier mitgestalten, und dass der Kenner Musikverein „Hope and Glory“ perfekt einstudiert hat.

Der Ball war ins Rollen gebracht. Und jedes Jahr rollten und rollen bis heute Busse in die eine oder andere Richtung, die Freunde zu ihren Freunden bringen. Hotelzimmer werden nicht gebraucht. Man rückt zusammen und wohnt zusammen. Für die paar Tage kein Problem. Raum ist in der kleinsten Hütte …

Die Stadt Portishead in Somerset hat mit ihren inzwischen fast 25 000 Einwohnern eine ähnlich rasante Entwicklung hingelegt wie die Stadt Schweich. Nur wenige Kilometer von Bristol entfernt ist sie umgeben von Bergen und Tälern. Eingebettet in die typisch englische Landschaft mit ihren Feldern, Wald und Wasser ist Portishead ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für gemeinsame Wanderungen, zum Beispiel über den Küstenweg in Richtung Clevedon. In der Nähe des Strandes liegt ein kleiner See – ein Vogelschutzgebiet, in das auch Menschen hinein dürfen, zum Beispiel mit dem Ruderboot. Im Ortskern hat sich Portishead das Flair einer typischen englischen Kleinstadt mit Gebäuden
im viktorianischen Stil bewahrt. Aber dort, wo in den 80ziger Jahren noch riesige Schornsteine eines Kraftwerks rauchten, kann man heute eines der mondänsten Sportboot-Marinas bestaunen, eingebettet in ein riesiges neues Wohngebiet. Über das Wasser führt eine neue Brücke, die seit 2007 den Namen „Schweich Bridge“ trägt. Das Ausfahren mit dem Boot ist allerdings an die Gezeiten und an die gewaltige Schleuse gebunden. Der Wasserspiegel senkt sich bei Ebbe um fast sechs Meter. Im darauf folgenden Jahr wurde beim Gegenbesuch in Schweich der Portishead-Kreisel in der Bahnhofstraße feierlich eingeweiht.

Im Laufe der Jahre gab es viele Gelegenheiten, interessante Städte und Stätten in der Umgebung von Portishead zu erkunden. Der Besuch der alten Hafenstadt Bristol mit der eindrucksvollen Kathedrale ist ein Muss und auch die Stadt Bath mit ihrer georgianischen Architektur in beeindruckender Landschaft, von der Unesco zum Weltkulturerbe erhoben, mit römischen Bädern, einer Abteikirche aus dem 15. Jahrhundert und die Royal Crescent. Ausflüge an die Küsten nach Weston Super Mare, Lyme Regis, Wales mit Cardiff und Tintern Abbey, der Exmoor National Park, die Städte Stratford upon Avon (mit dem vermuteten Geburtshaus von William Shakespeare), Exceter, Wells und Gloucester sind in Erinnerung. Unvergessen ist für die Moselaner die Weinprobe im Weingut „Three Choirs Vineyards“ in Newent/Gloucesterhire. Am Ende der Besuche in Portishead steht auf der Heimreise nach Schweich fast immer ein Aufenthalt in London an. Zuletzt wurden die Städte Brügge, Gent und Antwerpen besucht.

Die englischen Gäste lernten ebenfalls bei ihren Besuchen neben dem Moseltal mit der Stadt Trier die weitere Umgebung der Verbandsgemeinde Schweich kennen. Mit Ausflügen zur Burg Eltz, nach Monschau, Mettlach (Besichtigung Villeroy & Boch), Koblenz, Straßburg (Besuch im Europa-Parlament), Metz, Luxemburg und zur Benediktiner Abtei Maria Laach sowie zum Meerfelder Maar mit einem lebendigen Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Vulkaneifel.

Das 20-jährige Jubiläum wurde im Mai 2012 mit den Freunden aus Portishead, den Gastfamilien und weiteren Bürgern aus der Verbandsgemeinde gefeiert. Bei ihrer Ankunft wurden die Gäste von Bürgermeisterin Christiane Horsch herzlich begrüßt und willkommen geheißen. Ein Glas Winzersekt zum Empfang lockerte die Stimmung nach der langen Anreise. Dieser Empfang im Rathaus ist inzwischen zur guten Tradition geworden. Der Festabend fand in der festlich geschmückten ICV-Halle in Issel statt. Ingried Arenth, damalige Vorsitzende des Freundeskreises, und Bürgermeisterin Christiane Horsch konnten neben zahlreichen Gästen, vielen Ehrengästen auch die Weinkönigin Nina und ihre Prinzessinnen begrüßen. Für gute Stimmung und musikalische Unterhaltung zwischen den
Büfettgängen sorgten virtuos die Riesling Harmonists aus Trittenheim und die Stadtkapelle Schweich unter der Leitung von Michael Corde, unter anderem mit einem Bealtes-Medley und natürlich mit „Pomp and Circumstance“. Vor dem Dessert verwandelte sich die Garde des Isseler Cultur-Vereins in farbenprächtige Piraten und bot einen Showtanz mit viel Pep. Zur Untermauerung der tiefen Verbundenheit und der über Jahre entstandenen Freundschaften wurden engagierte Mitglieder aus Portishead zu Ehrenmitgliedern des Freundeskreises ernannt. Zu diesem Jubiläum hatte der Freundeskreis ein deutsch-englisches Kochbuch mit Rezepten der Mitglieder unter dem Titel „Küche, Land & Leute / A collection of country recipes“ herausgegeben.

Was in den darauf folgenden Jahren besonders in Erinnerung blieb sind die Besuche in Bristol mit dem alten Hafengebiet, das Museum M Shed über die Historie der Stadt sowie die Glasbläserei, in der das traditionelle „Bristol Blue Glass“ hergestellt wird. Das Technik-Museum in Swindon macht die Geschichte der Great Western Railway besonders lebendig. In Wales wurde den Besuchern die harte Arbeit in einer inzwischen still gelegten Kohlenmine anschaulich dargestellt. Ebenfalls im Süden von Wales befindet sich die Münzprägeanstalt „The Royal Mint“. Im Jahre 886 gegründet, befand sie sich fast 1100 Jahre in London und seit 1980 in der Nähe von Cardiff. Hier werden die britischen Münzen geprägt und jeder von uns durfte seine 1-Pfund-Münze „stempeln“. Zuletzt wurde Portishead im Jahr 2019 besucht. Auf dem Programm standen das Aerospace Museum in Bristol-Filton und der Besuch der berühmten Lacock Abbey in der Grafschaft Wiltshire, unter anderem Drehort einiger Harry-Potter-Filme.

Die englischen Freunde erlebten ihrerseits eine Mosel-Schifffahrt ab Trittenheim auf der Stella Noviomagi. Es wurde das Freilichtmuseum Roscheider Hof und die Villa Borg in Perl besucht. Sie lenten die Stadt Trier mal anders kennen: bei einem Rundgang mit Andreas Sittmann als Bänkelsänger sowie einer unterirdische Führung unter der Dominformation. Es gab Fahrten nach Idar-Oberstein mit Schaukochen bei Fissler und anschließendem Rundgang in Herrstein, eine Besichtigung von Schloss Veldenz und eine Planwagenfahrt von Pölich durch die Weinberge zur Huxlay über Mehring.

Was bei sämtlichen gegenseitigen Besuchen nicht vernachlässigt werden darf, ist das bei den englischen Freunden so beliebte und obligatorische Picknick und ebenso die Einkehr bei den zahlreichen Weinfesten an der Mosel.

Für die Zukunft ist zu wünschen, dass die Verbindung auch zwischen den Vereinen mit Leben erfüllt werden kann. Die beiden englischen Gruppen „The Mendip Morris Men“ und „The Bold Brass Band“ sind mit ihren Besuchen und Auftritten in der Verbandsgemeinde ein gutes Beispiel.

Im Laufe der Jahre wurden Praktika in verschiedenen Einrichtungen in Portishead und Umgebung vermittelt. Ebenfalls seit einigen Jahren veranstaltet der Freundeskreis eine traditionelle Afternoon Tea Party. Der Spendenerlös wird als Förderpreis für die besten Abschlussarbeiten in Englisch an Schülerinnen und Schüler des Stefan-Andres-Schulzentrums Schweich vergeben. Weitere Aktivitäten des Vereins sind Wanderungen und Stammtisch-Abende, die hoffentlich ab Herbst dieses Jahres wieder möglich sein werden.

Der bereits geplante Gegenbesuch aus Portishead im vergangenen Jahr fiel der Corona-Pandemie zum Opfer. Auch in diesem Jahr wird es deswegen keinen Austausch geben.
Die Vereine stehen jedoch in ständigem Kontakt unter anderem mit Zoom-Meetings. Das nächste Zusammentreffen wird hoffentlich im nächsten Jahr stattfinden können, zur Feier der 30-jährigen Partnerschaft. Die englischen Freunde freuen bereits jetzt auf die gemeinsame Feier in Schweich.

 In Portishead gibt es die „Schweich Bridge“ (Foto unten),  in Schweich den „Portishead-Kreisel“ (Foto oben).

In Portishead gibt es die „Schweich Bridge“ (Foto unten), in Schweich den „Portishead-Kreisel“ (Foto oben).

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder
Freundeskreis Schweich-Portishead

Freundeskreis Schweich-Portishead

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder
 The Bold Brassband – eine typisch britische Blaskapelle.

The Bold Brassband – eine typisch britische Blaskapelle.

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder
 Die Marina in Portishead.

Die Marina in Portishead.

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder
The Mendip Morris Men zeigen traditionelle Tänze.

The Mendip Morris Men zeigen traditionelle Tänze.

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder
Baumpflanzung in Schweich anlässlich der Vereinsgründung 1992.

Baumpflanzung in Schweich anlässlich der Vereinsgründung 1992.

Foto: Freundeskreis Schweich-Portishead/Elfriede Lauströer/Elfi Konder

Ein besonderes Highlight aus der Zeit vor der offiziellen Begründung der Städtepartnerschaft wird denen, die dabei waren, bis heute in Erinnerung geblieben sein: Nachdem sich – unter den kritischen Augen der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher – die Wiedervereinigung vollzogen hatte, und die VG Schweich partnerschaftliche Verbindungen mit der thüringischen Gemeinde Uhlstädt an der Saale aufnahm, lud die VG Schweich 50 Kinder aus Uhlstädt an die Mosel ein. Für sie öffnete sich nicht nur die Grenze nach Westdeutschland, sondern auch die nach Europa. Zusammen mit weiteren 50 Kindern von der Römischen Weinstraße ging die Fahrt weiter nach Portishead. Natürlich fand dort auch ein Kinder-Fußball-Turnier statt. Damals gewann die englische Mannschaft aus Portishead.

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