Tradition Hat die Krone eine Zukunft?

Region · Viele Mädchen träumen davon, Königin zu werden. In der Region kann dieser Traum Wirklichkeit werden: als Weinkönigin etwa, als Apfel- oder Maikönigin. Doch seit Jahren sinkt das Interesse der Bewerberinnen. Können die Traditionen bestehen bleiben?

 Die Königinnenmacherin: Janine Reichert.

Die Königinnenmacherin: Janine Reichert.

Foto: Janine Reichert/privat

Die 1980er Jahre sind wohl eine gute Zeit für den Adel gewesen – zumindest an der Mosel. „Damals hatte jeder Ort an der Mosel seine eigene Weinkönigin“, erinnert sich Ansgar Schmitz, Vorsitzender des Vereins Moselwein. Das macht vom Saarland bis nach Koblenz ungefähr 120 Monarchinnen. Heute sieht die Lage anders aus: Im Verlauf der 90er machten nicht nur immer mehr Winzerbetriebe dicht. Auch die Geburtenraten sanken und damit „der Pool an Bewerbern“, schlussfolgert Schmitz. Daher schließen sich heute häufig mehrere Orte zusammen, um eine Weinkönigin zu wählen. So regiert beispielsweise die Saar-Obermosel-Königin über ein weitflächiges Gebiet zwischen Konz und Saarburg.

Während die Weinköniginnen früher stolz auf ihre Krone gewesen seien, vermutet Schmitz, dass sich heute viele nicht mehr mit der Tradition identifizieren können. Außerdem liege die Entscheidung, als Weinkönigin zu amtieren, nicht mehr in der Familie. Früher traten die Damen an, um den Winzerbetrieb des Vaters oder der Mutter zu vertreten. Heute entschließen sich junge Frauen selbst, was laut Schmitz dazu führt, dass sich bei der Wahl der Ortsweinköniginnen, etwa in Moselorten wie Lieser oder Piesport, nur noch drei bis fünf Bewerberinnen aufstellen.

Zweimal sprang sogar schon ein Mann aufgrund des weiblichen Bewerbermangels ein: An der Mittelmosel gewann 2016 ein Jurastudent die Wahl zum Weinkönig von Kesten bei Bernkastel-Kues. Und einst amtierte sogar ein echter König: Im Jahr 1999 wurde ein afrikanischer Monarch aus Ghana zum Weinkönig des Moselorts Trittenheim gekürt.

International kann es auch im Lebenslauf der Moselweinkönigin werden. Denn sie kann sich zur Wahl der deutschen Weinkönigin aufstellen lassen. Mit diesem Amt in der Tasche geht es dann schon mal in ferne Länder wie China oder Kanada. Im Jahr 2016 konnte eine Moselanerin die Wahl gewinnen: Lena Endesfelder aus Mehring. „Die Kandidatur der Moselweinkönigin“, meint Schmitz, „ist wie ein Sprungbrett in die Weinbranche.“

So war es auch bei Janine Reichert, deren Berufswunsch ursprünglich Lehrerin war. Doch nachdem sie im Jahr 2001 Moselweinkönigin wurde, begann sie Weinbau zu studieren. Heute führt sie ein Unternehmen zur Beratung von Winzern, schult potenzielle Ortsweinköniginnen. Darunter falle aber nicht nur das „Einmaleins des Weins“, sagt Reichert, sondern auch Lehrgänge in Sachen Rhetorik, Selbstdarstellung und den Umgang mit Touristen.

„Einer jungen Frau, die in die Weinbranche einsteigen möchte, werden durch ihre Erfahrungen als Weinkönigin viele Türen geöffnet“, meint Reichert. Man lerne dort verschiedene Berufszweige kennen, um die Frage zu klären: „Wie steige ich in einen Job ein?“

Während ihrer Zeit als Moselweinkönigin standen 250 Termine im In- und Ausland in ihrem Kalender. Ganz schön stressig für die damals 19-jährige Schülerin, die ihr Abi­tur nebenbei schreiben musste. Doch es lohnte sich: 2002 reiste sie während der Fußball-WM nach Japan und machte eine Weinprobe an Bord von Lufthansa.

„Eine Weinkönigin ist als Marketingfrau in der Weinwelt von großer repräsentativer Bedeutung“, sagt sie. Deshalb ist Reichert auch überzeugt davon, dass die Tradition fortbestehen wird.

Auch wenn Janine Reichert – wie Schmitz – einen Rückgang an Bewerberinnen feststellt. Grund dafür sei, dass junge Frauen heute weiter wegziehen, um dort zu studieren. „Früher blieb man in der Region. Die Ursache für den Rückgang ist nicht das Desinteresse am Wein, sondern ein verändertes berufliches Interesse“, sagt Reichert. Immerhin nehme das Amt der Moselweinkönigin viel Zeit in Anspruch: „Man muss sich für ein Jahr auskoppeln.“

Reichert hat sich erst kürzlich „einen Traum jeder Gebietsweinkönigin verwirklicht“: eine eigene Vinothek. Das unterstreicht ihr Motto: „Wer einmal Gebietsweinkönigin war, wird es im Herzen immer bleiben.“ Von ihren geschulten angehenden Weinköniginnen wird sie wegen ihren Tipps in allen Bereichen herzlich als „Queen Mum“ bezeichnet.

Doch Wein ist nicht das einzige wohlbehütete Gut in der Region. Und die Weinköniginnen sind nicht die einzigen, die Krönchen tragen dürfen.

Auf Seite 2 stellt Die Woch den Adel rund um Trier, Bitburg und Wittlich vor.

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