Trier Fünf Millionen Euro für Gedichte

Trier · Der Satiriker Jan Böhmermann, die Poetry-Slammerin Julia Engelmann und das Rapper-Duo Kollegah und Farid Bang haben eines gemeinsam: Sie haben ein Gedicht geschrieben und  damit eine Welle der Begeisterung beziehungsweise Empörung ausgelöst.

 Angelika Schmitt begleitet den Vortrag von Sergej Birjukov mit einer Vers-Tanz-Jonglage.

Angelika Schmitt begleitet den Vortrag von Sergej Birjukov mit einer Vers-Tanz-Jonglage.

Foto: Universität Trier

Entgegen dem angestaubten Image des Wortes Lyrik bewegen solche Kurztexte die Gemüter: Aktualität zeichnet das mit fünf Millionen Euro dotierte, geisteswissenschaftliche Forschungsprojekt „Russischsprachige Lyrik in Transition“ aus, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird und an der Universität Trier angesiedelt ist.

„Lyrik ist nicht mehr nur das, was man in der Schule gelernt hat, elitär, schwierig, abgehoben“, stellt Professorin Henrieke Stahl am Rednerpult des Audimax der Universität Trier fest. Für sie gilt: „Lyrik ist hautnah, sie berührt, aber sie verletzt auch, geht unter die Haut. Gerade in totalitären Staaten sind Gedichte eine künstlerische Ausdrucksform freier Gedanken.“ Das fasziniert die Wissenschaftlerin als Leiterin des Forschungskollegs „Lyrik in Transition“.

Die Bewilligung des Projekts erhielt die Gruppe schon vor einem Jahr; der Startschuss fiel zum 1. Oktober 2017. Das Team stürzte sich direkt in die Arbeit; schon im ersten halben Jahr des Projekts fanden Konferenzen in Moskau, Washington, Tokio und Trier statt. Stahl hat ein Forschungsnetzwerk aufgebaut, dem sich inzwischen mehr als 200 Wissenschaftler aus 23 Ländern und mehr als zehn Fachgebieten angeschlossen haben. Die Slawistin betritt damit Forschungsneuland, was die DFG erkannt hat, indem sie das Projekt mit fünf Millionen Euro unterstützt. Eine solche Kolleg-Forschungsgruppe ist eines der höchstdotierten und hochkompetitiven Programme der DFG und ging mit dem Lyrik-Kolleg zum ersten Mal nach Rheinland-Pfalz.

Wissenschaftsminister Konrad Wolf bezeichnete die Lyrik-Forschung als Leuchtturm der Universität Trier: „Das neue Forschungsnetzwerk ist ein einmaliges Zentrum für vergleichende Forschung zur Gegenwarts-Lyrik. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Profilbildung der Universität Trier.“

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum unterstrich, dass die DFG in Zeiten des Umbruchs, in denen sich die Welt befinde, ihr Geld genau richtig investiere. Denn Umbrüche befördern Ängste, dem müsse man entgegenwirken: „Die Kreativen brauchen Freiräume, um die Zukunft neu zu gestalten.“

Am Eröffnungsabend begleiteten gleich fünf Künstler aus Russland, Armenien, Japan und Deutschland die Reden, indem sie Gedichte vortrugen, die Zeilen mit Bewegungen und Jonglage interpretierten oder mit Videosequenzen unterstrichen.

Universitätspräsident Michael Jäckel ist begeistert: „Die Forschungsgruppe ist einer der größten Erfolge der Trierer Geisteswissenschaft. Ich bin stolz, dass sie sich die Universität Trier als Standort ausgesucht hat.“

Vom Forschungskolleg „Lyrik in Transition“ sind spannende Gegenwartsanalysen zu erwarten, von Fukushima-Gedichten bis zum Poetry War im Kontext des Ukraine-Russland-Konflikts. Im Fokus steht die Frage, wie Lyrik die Grenzen von Gattung, Sprache, Kultur und Gesellschaft verändert und wie sich diese Transformationsprozesse in der Lyrik in den verschiedenen Ländern Europas, Asiens und Amerikas vergleichen lassen.

Weitere Hauptverantwortliche des Projekts an der Universität Trier sind die Professoren Alexander Bierich (Slawistik), Andreas Regelsberger (Japanologie) und Christian Soffel (Sinologie).

Informationen zur Gruppe gibt es auf www.lyrik-in-transition.uni-trier.de

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