Woch-Serie „Arbeitswelt im Wandel“ Mit Handicap beruflich durchstarten

Trier · Sich einen Beruf aus Tausenden Möglichkeiten aussuchen, Erfüllung im Job und den täglichen Aufgaben finden, sich selbst verwirklichen und Anerkennung erhalten. Nicht für jeden ist das selbstverständlich. Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung können davon oft nur träumen.

 In der Lebenshilfe Werkstatt arbeiten Menschen mit Behinderung im Produktionsbereich.

In der Lebenshilfe Werkstatt arbeiten Menschen mit Behinderung im Produktionsbereich.

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Denn trotz Pflichtquoten für schwerbehinderte Mitarbeiter zahlen viele Unternehmen Ausgleichsbeträge, anstatt Mitarbeiter mit Handicap zu beschäftigen. So haben Firmen mit 20 Mitarbeitern und mehr eine Beschäftigungsquote von fünf Prozent. 2016 wurde allerdings in der privaten Wirtschaft eine Quote von nur rund vier Prozent schwerbehinderter Mitarbeiter erreicht. Deshalb ist für viele Beeinträchtigte oft eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfMB) die einzige Option, am Arbeitsleben teilzuhaben. Solch eine Werkstatt haben auch die Lebenshilfe-Werke Trier, die es dennoch regelmäßig schaffen, betreute Mitarbeiter aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln.

In die Werkstatt der Lebenshilfe-Werke Trier kommen Menschen mit einer Behinderung meist im jungen Erwachsenenalter. Häufig waren sie zuvor Schüler einer Förderschule und wurden von dort weitervermittelt. Ob jemand zum Personenkreis der Lebenshilfe gehört, wird durch ein Gutachten des Amtsarztes geklärt. Ein Fachausschuss der Lebenshilfe entscheidet dann, ob derjenige aufgenommen wird.

Wer in den Lebenshilfe-Werken Trier arbeitet, hat die Möglichkeit,  entweder im Produktions- oder im Dienstleistungsbereich eingesetzt zu werden. Die Mitarbeiter können in der Holzverarbeitung, der Elektroabteilung, der Metallverarbeitung, der Montage und Verpackung, im Gartenbau oder in der Logistik arbeiten. Durch die Eingliederungshilfe werden die Ausstattung und das Personal bezahlt, das die Beeinträchtigten in der Werkstatt betreut. „Die Arbeit und der Lohn der beeinträchtigten Mitarbeiter werden regelmäßig bewertet, damit die betreuten Mitarbeiter einen Ansporn haben, sich weiterzuentwickeln“, berichtet Barbara Alanni, Inklusionsassistentin bei den Lebenshilfe-Werken Trier.

Finanziert wird die Werkstatt zu 70 Prozent durch die Eingliederungshilfe und zu 30 Prozent durch den Verkauf der Produkte, die in der Werkstatt hergestellt werden. Die betreuten Mitarbeiter erhalten ihren Lohn ausschließlich  aus dem Verkauf der Produkte, die sie herstellen.

Hat ein Mitarbeiter mit Handicap den Wunsch, neue Aufgaben zu übernehmen, wendet er sich an Barbara Alanni. Sie kümmert sich um Arbeitsplätze außerhalb der Werkstatt. Sie macht sich ein Bild über den Mitarbeiter und beurteilt, wie fit, unabhängig und mobil er ist. Wenn derjenige ihrer Einschätzung nach dazu in der Lage ist, beispielsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem Beschäftigungsgeber zu fahren, sucht sie nach einem passenden Unternehmen und fragt dort an, ob der Betrieb bereit ist, eine Person mit Handicap zu beschäftigen.

Alanni schaut, ob Wunsch und Leistung des Mitarbeiters zusammenpassen. Am Anfang erprobt er sich in einem Praktikum. Erst wenn sich Mitarbeiter und Firma sicher sind, dass es für beide passt, kommt ein Vertrag zwischen der Lebenshilfe und dem Beschäftigungsgeber zustande.
Außenarbeitsplätze vermittelt die Lebenshilfe unter anderem in Kliniken, Seniorenheimen und Behörden. Im Sommer arbeiten mehr Menschen der Werkstatt im Service in der Gastronomie oder in der Holzverarbeitung. Nach der Sommersaison sind die Mitarbeiter aber nicht arbeitslos, sondern kehren in ihren Arbeitsbereich in der Werkstatt der Lebenshilfe zurück.

Auch wenn es Probleme gibt, schaltet sich die Inklusionsassistentin ein. „Beschäftigungsgeber sind oft beruhigt, dass ich den Beeinträchtigten erkläre, wenn es ein Problem oder Veränderungen auf dem Außenarbeitsplatz gibt.“

Wichtig ist Inklusionsassistentin Alanni zu betonen: „Wir sind keine Leiharbeitsfirma.“ Auch bei einem externen Arbeitsplatz bleibe der gehandicapte Mitarbeiter Beschäftigter der Werkstatt. Rechtlich ändere sich nichts an dem Beschäftigungsverhältnis. Das bietet dem betreuten Mitarbeiter die Sicherheit, dass er jederzeit wieder in die Werkstatt zurückkehren kann. Das nimmt den Druck für den betreuten Mitarbeiter, aber auch für den externen Beschäftigungsgeber.

Durch das Budget für Arbeit wird der Lohn, den der Arbeitgeber zahlt, mit 60 Prozent aus dem öffentlichen Geldtopf bezuschusst, 40 Prozent zahlt der Arbeitgeber. Bezahlt werden die betreuten Mitarbeiter auf Tarifniveau. Und es werden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung gezahlt, genauso wie bei Mitarbeitern der Werkstatt. In die Arbeitslosenversicherung zahlen sie nicht ein, da sie nach Auflösung des Vertrags in die Werkstatt zurückkehren können.

Als Inklusionsassistentin kommt Alanni auch zum Einsatz, wenn zwischen Team und betreutem Mitarbeiter die Chemie nicht stimmt und vermittelt werden muss. Denn es kommt laut Alanni immer wieder vor, dass Chefs offen sind für einen Mitarbeiter mit Behinderung, dem Team, in das der Mitarbeiter inkludiert wird, es aber schwer fällt, sich auf den Gehandicapten einzulassen. „Dabei kann ein beeinträchtigter Mitarbeiter das Team bei kleinen Aufgaben entlasten“, sagt Alanni. „Dann kann es eine Bereicherung für den Mitarbeiter mit Handicap und das Team sein.“

Wie die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt gelingt, lesen Sie auf Seite 8.

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