Mangelnde Steuermoral: Strafverfahren, Selbstanzeigen und kein Ende in Sicht

Trier. Die Nähe zum Großherzogtum schafft traditionell Begehrlichkeiten in der Region, die nicht immer gesetzeskonform sind. Aber auch Schwarzhandel mit Schrott, buchhalterisch nicht vermerkte Materialien von Großhändlern oder Steuerbetrügereien mit Schummel-Kassen in Kneipen und Einzelhandelsläden - die Liste an aufgedeckten Delikten ist lang und vielfältig, die jährlich rund 28,5 Millionen Euro in den Staats-Säckel spülen, dem kritischen Auge Trierer Fahnder geschuldet.

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Foto: TV

Manipulierte Kassen

Der Fall hatte vor zwei Jahren hierzulande Aufsehen erregt und ist symptomatisch für immer noch mangelnde Steuermoral nicht nur in Rheinland-Pfalz, auch bundesweit: Ein Eiscafé-Besitzer hatte mit Hilfe einer Manipulations-Software die Registrierkasse so geschickt eingestellt, dass selbst den Fahndern vor Ort der Betrug beim ersten Besuch des Gewerbes im Norden von Rheinland-Pfalz nicht aufgefallen war. Rückwirkend bis 2003 waren die Belege nicht ordnungsgemäß verbucht gewesen und geschönt.

Der Mann räumte sein Vergehen zwar ein, gab jedoch an, den Steuer-Betrug nicht alleine ausgeheckt zu haben. Die Ausrüstung für die Trickserei habe er vom Geschäftsführer einer Firma, die solche Kassensysteme samt Manipulationssoftware herstelle und vertreibe. Der Schaden beziffert sich auf 1,6 Millionen Euro. Inzwischen ist der Betreiber vom Landgericht Koblenz zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

Da Steuerbetrug durch Mogelkassen Konjunktur hat, sollen elektronische Registrierkassen bis 2020 auf ein fälschungssicheres System umgestellt werden, mit verpflichtender Belegausgabe.

Der Einzelfall ist nur die Spitze eines Eisbergs an Eingangsfällen wegen Steuerhinterziehung, an denen dauerhaft die 24 Trier Ermittler und ihre 110 Kollegen in den übrigen Finanzämtern des Landes arbeiten.

Moselwinzer im Visier - Ende nicht in Sicht

Sie haben derzeit vor allem fingierte Rechnungen und geschönte Bilanzen von Winzern in der Region im Visier, die sie in rund 150 Fällen aufgedeckt und zur Strafanzeige gebracht haben.

Ihr Vorwurf: Wein wurde an der Steuer vorbei verkauft.

Wie die jüngsten Fälle zeigen, funktioniert die Betrugsmasche über teilweise bar eingekaufte Flaschenkorken und -verschlüsse, die an den Büchern vorbei nirgends aufgeführt werden.

Mit der schwarz bezogenen Zulieferware wird dann ein Teil der Weinflaschen verkorkt und auf dem Schwarzmarkt an Umsatz- oder Einkommenssteuer vorbei verkauft.

Von den bislang 150 eingeleiteten Strafverfahren sind 60 bereits mit Steuernachzahlungen in Höhe von rund 5,4 Millionen Euro abgeschlossen. Die restlichen Verfahren sind aktuell anhängig und werden eine Reihe von weiteren Verfahren nach sich ziehen, wie der Leiter des Finanzamtes Trier, Jürgen Kentenich prognostiziert. So seien aktuell noch nicht alle Unterlagen der Zulieferbetriebe überprüft worden.

Und ab nächstem Jahr soll es nicht nur unangemeldete Kassenprüfungen vom Finanzamt geben, für die derzeit die gesetzliche Grundlage geschaffen wird.

Selbstanzeigen und digitalisierte Abrechnungssysteme

Wenn im Zuge der Ermittlungen auch unangemeldete Kontrollen und Betriebsprüfungen in den Winzerbetrieben durchgeführt werden, müssen alle nötigen Unterlagen umfassend und quasi auf Knopfdruck parat vorliegen. Steuerexperten empfehlen Betrieben neben Selbstanzeigen - mehr als 300 sind bislang im Trierer Finanzamt eingegangen - so früh als möglich komplett auf moderne Buchhaltungsprogramme umzusteigen. Sie ermöglichen schnelles und transparentes Bereitstellen aller Daten und sollen Tricksereien vorbeugen helfen.

Dabei werden sämtliche Lohnpositionen, Firmen- und Mitarbeiterdaten nach ihrer Erfassung durch automatische Assistenzhilfe abgerechnet und alle anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge kalkuliert. Behördenmeldungen werden durch die Software-Systeme übernommen, wie auch die automatisierte Erstellung von Lohnbescheinigungen.

Die in den diversen Lohn- und Buchhaltungsbüros verantwortlich Beschäftigten müssen nur sämtliche Daten lückenlos und korrekt eingeben, damit alles mit rechten Dingen zugeht und kein Verdacht entsteht. Durch konsequente Digitalisierung der Buchführung - die auch sehr praktische Seiten hat - werden auf die Weise kriminelle Schlupflöcher einfacher und effektiver geschlossen.

Schwarzer Wein, schwarzer Schrott, schwarzes Geld

Nutzer von Steuerschlupflöchern sind den Fahndern auch im regionalen Schrotthandel ins Netz gegangen und werden die Behörden wie beim Weinskandal noch einige Jahre beschäftigen. Traditionell ein Problem, blüht der Schwarzhandel nach wie vor - trotz bislang stolzen 29 Millionen Euro, die zwischen 2011 und 2016 eingebracht werden konnten.

Denn immer wieder stehen Schrotthändler wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. So etwa, wenn es um Scheinrechnungen und Ware geht, die auf dem Schwarzmarkt zu Schleuderpreisen besorgt wurde. Fahnder sprechen mitunter von einem regelrechten Netzwerk mit mehreren teilweise illegal arbeitenden Schrottsammlern, die den Händlern die Schwarzware liefern.

Vor dem Hintergrund werden etwa Gutschriften an beteiligte Unternehmen gegen einen Anteil gefälscht, um Schwarzankäufe von Schrott aus anderen Bezugsadressen zu tarnen. Anschließend wird unberechtigterweise die Mehrwertsteuer mit dem Finanzamt abgerechnet.

Schrotthändler machen sich schon strafbar, wenn sie keine Ausweise der Schrottsammler kontrollieren, um nicht irrtümlicherweise Hehler-Ware anzukaufen und potentielle Schrott-Diebe abzuschrecken. Auch die Auszahlung in bar ist illegal.

Nach Kentenichs Einschätzung kommen darüber hinaus jedes Jahr knapp vier Millionen Euro an Steuer-Mehreinnahmen aus Fahndungserfolgen hinzu, die im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Delikten stehen. So verfolge man fingierte Firmenverlagerungen nach Luxemburg besonders aufmerksam. Rund 20 Prozent aller Betriebsprüfungen in der Region hätten mit der Grenznähe zum Großherzogtum zu tun.

Und da seit diesem Jahr erstmals Informationen über Zinszahlungen und Kapitalanlagen aus dem Ausland von in Deutschland wohnhaften Steuerpflichtigen vorliegen, rechnen Experten zusätzlich mit einem drastischen Anstieg an Steuer-Mehreinnahmen. Möglich macht dies die neue EU-Amtshilferichtlinie.

Unter ihrem Einfluss zeigten die Steuersünder, die nicht erwischt werden wollten, bereits im Vorfeld Reue. So wurde Ende 2016 die 2.000er Marke an Selbstanzeigen überschritten, wie das [Link auf https://www.wort.lu/de/business/finanzamt-trier-ueber-2000-selbstanzeigen-eingegangen-58512d5353590682caf1625a] schon damals verkündete.

Nicht von ungefähr kommt es demnach, dass die Zahl der Mitarbeiter im Landesamt für Finanzen bis 2020 auf 148 Beamten aufgestockt werden soll - eine auf Jahre hinaus überaus lohnenswerte Investition, wie es scheint.

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