Gesundheit Volkskrankheit Allergie: Was Betroffene tun können

Viele Menschen kämpfen mit Allergien. Die Zahl der Betroffenen steigt immer mehr. Woran liegt das? Und wie können Allergiker mit ihrem Leiden umgehen. DIE WOCH hat für Sie recherchiert.

 Wer unter bestimmten Allergien leidet, bekommt kaum eine Ruhepause. Haselnusssträucher blühen bereits Anfang Januar im Mattheiser Wald.

Wer unter bestimmten Allergien leidet, bekommt kaum eine Ruhepause. Haselnusssträucher blühen bereits Anfang Januar im Mattheiser Wald.

Foto: Rainer Neubert

Symptome Verstopfte Nase, Juckreiz, Fließschnupfen und Atemnot sind Allergikern nicht fremd. Allergien können sehr lästig sein und in vielen Fällen die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Wer an einer Allergie leidet, der weiß: Damit ist nicht zu spaßen. Neben den häufigsten Symptomen kann es bei einer allergischen Reaktion auch zu einem „anaphylaktischen Schock“ kommen, der schlimmstenfalls zum Tod führt.

Angesichts der vielen Menschen, die täglich mit Allergenen in Kontakt kommen, erscheint dieser Gedanke alarmierend. Da beruhigt es, dass alle Allergien behandelt werden können. „Je jünger der Patient, je weniger Sensibilisierungen, umso besser kann die Allergie behandelt werden“, sagt der Trierer Hautarzt und Allergologe Dr. Dierk Steinmann. Er beobachtet in seiner Praxis vor allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein häufiges Vorkommen von Allergien.

„Das ist allerdings ganz normal“, sagt er. „Diese Allergien können im Laufe des Lebens wieder verwachsen und werden demnach mit dem Alter geringer.“

Mehr Allergien Geringer wird die Anzahl an Allergikern in Deutschland allerdings nicht. Im Gegenteil.  Viele wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass Allergien immer häufiger auftreten. Bei der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2014“ des Robert Koch-Instituts, Berlin, wurden die Teilnehmer dazu befragt, ob sie in den letzten zwölf Monaten Allergien oder allergische Reaktionen aufgewiesen hatten. 28,1 Prozent gaben eine positive Rückmeldung (ausgenommen allergisches Asthma).

Ursachen Für eine Allergie können die Gene eine wichtige Rolle spielen. Die genetische Veranlagung entscheidet darüber, wie Fremdstoffe Barrieren durchdringen können, wie zum Beispiel die Haut. Auch wie das Immunsystem auf fremde Substanzen reagiert und  welche Folgen das für den Körper hat, ist genetisch bedingt.

Eine weitere Ursache für eine Allergie kann die Umwelt sein. Die ist der Hauptgrund für die ansteigende Zahl von allergischen Erkrankungen. Vor allem in Industrieländern hat in den vergangenen Jahrzehnten die Anzahl der Menschen mit Allergien zugenommen. Auch Stadtbewohner leiden häufiger an Allergien als Menschen, die auf dem Land wohnen.

Erklären lässt sich das unter anderem durch übermäßige Hygiene. In Studien wurde nachgewiesen, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, deutlich seltener an Heuschnupfen und Asthma erkranken als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof leben. Das Trinken roher Kuhmilch und der Besuch im Kuhstall sind hierbei wichtig. So setzt der Körper eines Kindes sich mit Belastungen auseinander und wird dadurch stärker.

Andere Studien zeigen, dass Kinder mit Geschwistern weniger häufig von Allergien betroffen sind als Einzelkinder. Das Risiko sinkt mit der steigenden Anzahl an Geschwistern. Wie beim Bauernhof muss sich das Immunsystem mit Infektionserregern auseinandersetzen, was durch den Kontakt mit den Geschwistern bedingt ist.

Zusammenfassend besagt die Hygienehypothese, dass das Immunsystem sich bei einer zu großen Hygiene nur beschränkt aktivieren muss und dadurch geschwächt wird. Allergien können demnach bei hoher Hygiene leichter eintreten, da das Immunsystem sich nicht oft genung mit Keimen und Schmutz auseinandersetzt und somit keine normale Entwicklung stattfindet.

Auch die Umwelt spielt eine wichtige Rolle bei der Suche nach den Ursachen für eine erhöhte Anzahl an allergisch erkrankten Menschen. Die hohe Belastung durch Feinstaub und Dieselrufßpartikel, der die Bevölkerung täglich an der „frischen“ Luft (vor allem in den Städten) ausgesetzt sind, kann das Risiko einer Allergie erhöhen. Die Feinstaubpartikel können sich an Allergene anheften und werden durch das Einatmen in tiefere Lungenabschnitte befördert. Dadurch steigt das Risiko zu erkranken. Dass Menschen, die in den Bergen wohnen, weniger betroffen sind, passt zu dieser Umwelthypothese.

Der Klimawandel beeinflusst ebenfalls allergische Reaktionen. Durch die zunehmende Durchschnittstemperatur beginnt die Pollensaison früher. So ist ein blühender Haselnussstrauch in den Wäldern der Region auch im Januar keine Seltenheit.

Kreuzallergien Viele Allergien können auch in Kombination miteinander auftreten. „Die Birke, Hasel und Erle sind botanisch miteinander verwandt. Sie treten gerne zusammen auf. Wer gegen Pollen dieser Bäume allergisch ist, ist auch häufig gegen Nüsse, Hülsenfrüchte und Kern- beziehungsweise Steinobst wie Apfel oder Kirsche allergisch“, verdeutlicht Dierk Steinmann.

Eine Pollenallergie tritt also häufig in Kombination mit einer Lebensmittelallergie auf, welche man orales Allergiesyndrom nennt. Auch wer allergisch gegen Gräserpollen ist, verträgt häufig normales Getreide nicht. „Das besagt die Theorie, ich erlebe das selbst allerdings nicht in meiner Praxis.“

Bei Verdacht Was bei einem Verdacht auf Allergie zu tun ist, verrät der Experte: „Vor der Therapie steht die Diagnostik: Dafür gibt es einen sogenannten Tröpfchentest oder Pricktest.“ Dabei werden Tröpfchen des Allergens, gegen das der Patient allergisch zu sein scheint, auf die Haut getropft. Daraufhin wird mit einer kleinen Nadel die Haut angepikst, gerade so, dass kein Blut austritt. 15 bis 20 Minuten später soll sich herausstellen, ob der Patient allergisch ist oder nicht. Ist er es nicht, reagiert der Körper nicht auf die Tropfen.

„Um ganz sicher zu gehen, kann man zusätzlich im Blutserum das Immunglobin E im Blut messen. Das ersetzt den Pricktest aber definitiv nicht.

Die Ergebnisse im Prick- und Bluttest werden mit den klinischen Beschwerden verglichen. Wenn eindeutige Ergebnisse vorliegen, kann man dem Patienten ursächlich helfen. Man kann aber bei Heuschnupfen auch lediglich Antiallergika nehmen, die oft sogar freiverkäuflich sind. Diese symptomatische Therapie reicht, wenn die Beschwerden nur sehr leicht sind. Ansonsten ist eine ursachliche Behandlung immer besser.“

Angehörige Eine allergische Reaktion kann gefährlich werden. Sie kann zum anaphylaktischen Schock führen, bei dem der Herzstillstand droht. Bei einem Asthma Bronchiale-Anfall besteht Erstickungsgefahr. Allergologe Steinmann rät Menschen, die bei einem allergischen Anfall zugegen sind, „am besten die Medikamente, die der Patient bei sich trägt, schnell zu geben und den Notarzt zu rufen“.

Bei einem anaphylaktischen Schock müsse dafür gesorgt werden, dass die Atemwege frei sind. „Die Beine hoch lagern, um den Kreislauf zu stabilisieren. Kommt es zu einem Herzstillstand, muss umgehend wiederbelebt werden. Bei einem Asthma Bronchiale-Anfall sollten dem Patienten ebenfalls seine Medikamente gegeben werden, meistens sind das Inhalatoren. Hier sollte darauf geachtet werden, dass dabei tief eingeatmet wird.“

Allergieprävention Eine Allergie gehört für viele zum Alltag. Für diese Menschen ist es wichtig, die Auslöser zu vermeiden. „Wer Gräserallergiker ist, sollte vielleicht nicht gerade über eine frisch gemähte Wiese laufen“, nennt Steinmann als Beispiel. „Auslösende Allergene sollten möglichst gemieden werden.“ Sein Tipp für die Betroffenen: „Lassen Sie sich rechtzeitig diagnostizieren und behandeln! Je früher die Allergie entdeckt wird, desto erfolgreicher ist die ursächliche Therapie.“

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