Unsere Vereine Von Pferdepunks und verkleideten Besuchern

Bernkastel-Kues · Seit 2007 zieht das Pferdefest jedes Jahr Tausende Besucher an die Mosel. Ausrichter ist ein Verein, der antrat, um die kulturelle Szene in der Region zu bereichern.

 Helfer und Mitglieder des Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion.

Helfer und Mitglieder des Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion.

Foto: Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion./Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion

Ein ungewöhnlicher Name, ein ungewöhnliches Festival: Das Pferdefest am zweiten Wochenende im August ist Treffpunkt für meist junge Leute, die ungezwungen feiern wollen. Nicht in diesem Jahr – Corona macht den Planern einen Strich durch die Rechnung. Doch wer steckt hinter dem Pferdefest? Organisatoren sind die Mitglieder des 2005 gegründeten Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion, der bis 2013 noch den Namen Jugendclub Bernkastel-Kues trug, dann aber umbenannt wurde. „Wir sind älter geworden, so dass der Name Jugendclub nicht mehr gepasst hat“, erklärt Roman Bastgen, erster Vorsitzender des Vereins. 2005 seien sie zwischen 16 und 22 Jahre alt gewesen. Damals hatte den jungen Leuten das Kulturprogramm in der Region nicht ausgereicht. „Wir haben uns damals gegründet, um die Region mit Veranstaltungen zu bereichern“, sagt der Vorsitzende. Und sein Bruder Michael Bastgen ergänzt: „Viele Sachen haben uns damals nicht zugesagt. Wir wollten was mit Musikgruppen machen, die uns gefallen.“ Nach dem Abitur seien viele Pferdepunks – so nennen sich die Mitglieder des Vereins inzwischen selbst – zum Studium in Städte gegangen, haben dort einiges erlebt und wollten das in die Region bringen, sagt Martin-Christian Möbs. Ungewöhnlich für einen Verein ist der interne Zusammenhalt. Denn obwohl sich wesentliche Protagonisten aus beruflichen Gründen über ganz Deutschland und darüber hinaus verteilt haben – um das Pferdefest zu veranstalten, reisen sie an aus Berlin, Köln, Frankfurt, Mainz und Basel und treffen sich an der Mosel. Ohne das Pferdefest hätten sich ihre Wege getrennt. Aber so treffen sich alle wieder. „Wir haben einen starken Bezug zur Heimat“, sagt Vorstandsmitglied Felix Schon. 187 Mitglieder zählt der Verein. Rund 100 helfen beim Pferdefest ehrenamtlich mit. „Teilweise sind es Freunde gewesen, heute sind alle zu unseren Freunden geworden“, erzählt Möbs.

Leicht haben es die Gründungsmitglieder mit dem Pferdefest nicht immer gehabt. Für die Premiere 2007 in der Güterhalle in Kues haben einige Vorstandsmitglieder selbst Geld vorgestreckt, um diese zu finanzieren, und zwar zwischen 300 und 400 Euro pro Person – hohe Summen für die damaligen Schüler und Studenten. Doch das Risiko lohnte sich: „Es war direkt rappelvoll“, erinnert sich Roman Bastgen. Bei der Premiere ist auch der Brauch entstanden, dass sich viele Besucher des Pferdefests verkleiden. Kleidungsstücke aus einer Hausauflösung wären auf dem Müll gelandet, erinnert sich der Vorsitzende. Diese sind bei der Erstauflage an die Besucher ausgegeben worden. Im darauffolgenden Jahr hätten sich die Besucher schon zu Hause verkleidet. „Seit dem dritten Jahr ist es untypisch, unverkleidet aufs Pferdefest zu kommen“, sagt Michael Bastgen.

Das Pferdefest war so erfolgreich, die Besucher so zahlreich, dass die Pferdepunks entschieden, das Pferdefest als Tages-Open-Air auszurichten. Da es auf dem Festivalplatz auf der Graacher Schäferei nicht genügend Parkplätze gab, organisierten sie kurzerhand eine Wanderung mit Startpunkt Bernkasteler Marktplatz, das gleiche bei späteren Veranstaltungen an der Jugendherberge Bernkastel-Kues. „Da sind die Tagestouristen auf die wandernde Masse getroffen“, erinnert sich Vorstandsmitglied Felix Schon. Nach dem Umzug an den Kueser Hafen gab es statt einer Wanderung eine Schiffsfahrt zum Festivalgelände: Gleich vier Ausflugsboote hatte der Verein für Kunst, Kultur und Inklusion seinerzeit gechartert. Doch auch der Kueser Hafen kam nach 2018 wegen Auflagen nicht mehr als Veranstaltungsort in Frage: Wegen des Lärms hätte der Verein um 22 Uhr Schluss machen müssen. „Nicht machbar für ein Festival“, sagt Roman Bastgen. Doch hat sich der dadurch bedingte Umzug des inzwischen drei Tage dauernden Events 2019 auf die Höhen oberhalb von Piesport als Glücksfall für die Pferdepunks herausgestellt. „Das Gelände mit Wald und Lichtungen lässt sich leichter bespielen“, erläutert Michael Bastgen. Dazu seien sie von den Ortsgemeinden Piesport und Klausen wohlwollend aufgenommen worden, berichtet Möbs. Die Absage des Pferdefests 2020 hätten sie so lange wie möglich hinausgezögert. Doch wegen der Auflagen sei es nicht möglich gewesen, es auszurichten. Auch zur Enttäuschung der vielen Besucher, die zur Hälfte aus der Region kommen, inzwischen aber auch zur Hälfte deutschlandweit anreisen. Mit den Jahren ist das Musikprogramm des Festivals höherwertig geworden. Neben Nachwuchsbands spielten dort inzwischen Gruppen, die auf der ganzen Welt auftreten, sagt der Vorsitzende. Wichtig sei den Pferdepunks die Genrefreiheit in der Musik, betont er. Hip-Hop, Punk, Disco – alles ist willkommen.

Ausstellungen, Roy Silberschweif und eine inklusive Band

Die Macher des Youtube-Kanals Pferdepunk TV arbeiten an einem neuem Film.

Den Verein für Kunst, Kultur und Inklusion lediglich auf das jährliche Musikfestival namens Pferdefest zu reduzieren, würde den Machern nicht gerecht. Denn das kulturelle Angebot ist weitaus reichhaltiger. So gehört die Band „Meine Rock Kwien Rica“ zum Verein, eine inklusive Musikgruppe, die 2012 gegründet wurde. Mitglieder sind drei Menschen mit Behinderung aus der Einrichtung Maria Grünewald in Wittlich sowie vier Musiker ohne Behinderung. Ehrenamtlicher Betreuer ist Udo Bohn, der hauptberuflich als Heilerzieher abreitet. Die Band hat in den acht Jahren ihres Bestehens einige Erfolge aufzuweisen. 2014 ist sie damals noch unter ihrem ursprünglichen Namen „My Rock King Rico“ als erste westliche Rockband im Pekinger Nationaltheater aufgetreten, worüber mehrere Fernsehsender berichtet hatten. 2016 berichtet der Fernsehsender Arte über ein gemeinsames Konzert mit der österreichischen Gruppe Wanda. 2018 erhält die Band den Ehrenamtspreis des Trierischen Volksfreunds, 2019 beginnt sie mit Aufnahmen zu ihrer zweiten CD. 2020 trotzten die sieben Akteure der Corona-Pandemie mit einem Musikvideo zu ihrem Song „Gib nicht auf“. 99 Menschen aus aller Welt, unter anderem aus den USA, Kolumbien und Chile, haben dazu Beiträge geschickt, mit denen das Lied unterlegt ist. Zu sehen ist es nach wie vor bei Youtube, wo es unter dem Suchbegriff „Meine Rock Kwien Rica“ zu finden ist.

Eine weitere kulturelle Aktion war das sogenannte Offspaceproject, organisiert von Patrick Haas, bei dem mehrere Künstler zeitgenössische Kunst an die Mosel gebracht haben. Unter anderem wurde 2017 für acht Wochen ein Skulpturenweg auf dem Weg zur Burg Landshut in Bernkastel-Kues installiert. „Es gibt Überlegungen, das Offspaceprojekt zu reaktivieren“, berichtet Haas.

2019 startete der Gornhausener Michael Frank damit, in der Klostermühle Siebenborn kleinere Konzerte und Ausstellungen auszurichten.

 Einhörner sind eine beliebte Verkleidung bei den Teilnehmern des Pferdefests, wie hier 2018 am Kueser Hafen.

Einhörner sind eine beliebte Verkleidung bei den Teilnehmern des Pferdefests, wie hier 2018 am Kueser Hafen.

Foto: Christoph Strouvelle
 Mitglieder der inklusiven Band „Meine Rock Kwien Rica“ 2019 in Piesport.

Mitglieder der inklusiven Band „Meine Rock Kwien Rica“ 2019 in Piesport.

Foto: Christoph Strouvelle
 Die Teilnehmer des Pferdefests in Bernkastel-Kues fahren 2018 mit dem Schiff von der Stadt zum Kueser Hafen.

Die Teilnehmer des Pferdefests in Bernkastel-Kues fahren 2018 mit dem Schiff von der Stadt zum Kueser Hafen.

Foto: Verein für Kunst, Kultur und Inklusion
 Schwer was los: Besucher vor der Bühne des Pferdefests 2019 in Piesport.

Schwer was los: Besucher vor der Bühne des Pferdefests 2019 in Piesport.

Foto: Christoph Strouvelle
 Ein selbst gebasteltes Pferd als Symbol des Vereins.

Ein selbst gebasteltes Pferd als Symbol des Vereins.

Foto: Christoph Strouvelle

Der Vorstand des Vereins für Kunst, Kultur und Inklusion nutzt die coronabedingte Absage seines Pferdefests in diesem Jahr und die dadurch entstandene Pause, um zu seinen Anfängen zurückzukehren. Denn für das erste Aufsehen sorgten sie 2006 auf ihrem Youtube-Kanal Pferdepunk TV mit satirischen Filmen, Klamauk und Nonsens. Unter anderem wurde damals auch die Fantasiefigur Roy Silberschweif erfunden, eine Parodie auf das Genre Schlagersänger. „Das ist damals durch die Decke gegangen“, erinnert sich der Vorsitzende Roman Bastgen. Roy Silberschweif habe Vorstellungen gegeben in Trittenheim, Leiwen und Zeltingen-Rachtig. Er habe seinerzeit auch zweimal gemeinsam mit Stadtbürgermeister Wolfgang Port das Weinfest der Mittelmosel eröffnet und sei dort aufgetreten. Diese Zeiten wollen die Pferdepunker in der Corona-Pause mit einem neuen Film wieder aufleben lassen. Alle damals erfundenen Kunstfiguren und Charaktere sollen darin vorkommen, sagt Bastgen. Wann der Film fertig gestellt sein wird, ist noch offen.

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