Digitale Gänsehaut

Da gefriert das Blut in den Adern: Diese drei Games sind nichts für Weicheier. Wer sich darauf einlässt, bekommt es jedoch mit unheimlich(er) guter Unterhaltung zu tun.

Outlast 2
Luft anhalten und keinen Mucks von sich geben: Blake Langermann, Journalist und Kameramann, sitzt in einer verrosteten Tonne während eine verstört wirkende Frau murmelnd durch die kleine Siedlung streift. Mitten in der Nacht stapft sie seelenruhig herum und spricht scheinbar zu ihrer blutbeschmierten Pick-Axt. Ein Geräusch lässt sie aufhorchen - ihr Blick wandert langsam zur Tonne. Zu spät. Sie hat Blake entdeckt, was ihr hysterischen Kreischen verrät. Was anschließend passiert, überlasse ich der Vorstellung. Das Spiel selbst ist da jedoch nicht so nett…
"Outlast 2" ist die nervenaufreibende Fortsetzung des Überraschungserfolgs aus dem Jahr 2013, ohne jedoch die Handlung in irgendeiner Art fortzuführen. Hier wird ein neues, grausames Kapitel aufgeschlagen - spielerisch bleibt das bestehende Konzept erhalten: Als Journalist soll der Spieler die merkwürdigen Ereignisse in einem abgelegenen Winkel der USA untersuchen. Dort sind unter mysteriösen Umständen einige Frauen verschwunden und nie mehr aufgetaucht. Also macht sich Hauptakteur Blake mit seiner Frau und einem Hubschrauberpiloten auf in das scheinbar verlassene Gebiet im Hinterland. Unglücklicherweise stürzt der Hubschrauber ab, der Pilot stirbt und von Blakes Frau fehlt jede Spur. Nur mit einer Kamera bewaffnet, deren Akku nicht allzu lange hält, macht sich Blake auf die Suche nach seiner Geliebten - dass stockfinstere Nacht um ihn herrscht, macht die Sache nicht gerade einfacher. Schon bald kommt er an eine Siedlung, in der er schreckliche Entdeckungen macht - Willkommen in der düsteren Welt von "Outlast 2". Da Blake kein Held ist und nicht geübt im Umgang mit Waffen, bleibt dem Spieler oft nur die Flucht oder ein sicheres Versteck, wenn er auf die aggressiven Bewohner der Siedlung trifft. Da der Journalist alles für die Nachwelt festhalten möchte, erlebt man das Spiel aus der Sicht durch die Kamera, die zum Glück einen Nachtsichtmodus hat. Denn ohne diesen wäre es ganz schön finster. Das einzige Problem: Die Ladung der Batterie versiegt erstaunlich schnell. Wer also nicht rechtzeitig neue Akkus findet, steht bald im Dunkeln da - und das wollt ihr ganz sicher nicht. Das komplette Setting und die Story um eine verstörende Sektenkultur wäre allein schon genug, um Spielern schlaflose Nächte zu bereiten. Was "Outlast 2" für mich umso verstörender macht, ist, dass die Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht - natürlich nur lose darauf basierend. Dennoch nahmen sich die Entwickler das Jonestown-Massaker aus dem Jahre 1978 zum Vorbild, bei dem sich über 900 Menschen in den Freitod stürzten (oder dazu gezwungen wurden). Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist dieses Spiel wirklich nur was für ganz Harte. Fans von Horror-Survival-Games sollten zugreifen.
Erhältlich für: PS 4, Xbox One, PC

Wilson's Heart VR
Nein, das hier kann nicht gut ausgehen: Ein Hieb mit diesen scharfen Krallen kann Wilson nicht überleben - tut er auch nicht. Zum Glück ist das hier alles nur ein Spiel. Aber was für eins. In "Wilsons Heart" übernehmt ihr die Rolle des titelgebenden Hel.. nun ja, sagen wir Protagonisten. Denn Wilson erwacht als Patient in einem Hospital im Jahr 1940 und weiß nicht so recht, wie er dort hingekommen ist, geschweige denn was er hier macht. Er könnte ja jemanden fragen, doch vom Personal fehlt jede Spur. In seinem Zimmer sind zwar noch andere Patientenbetten, doch darauf liegen nur blutige Laken - sehr beunruhigend. Wer mit Wilson mutig durch die Gänge wandert, wird schnell herausfinden, dass in diesem Gebäude einiges im Argen liegt, wenn man das so ausdrücken darf. Hin und wieder trifft Wilson sogar auf Pflegepersonal, doch jeder von denen hat, gelinde gesagt, nicht mehr alle Tassen im Schrank. Um herauszufinden, was vor sich geht, muss der Spieler bis zum bitteren Ende durchhalten. Eigentlich ein typisches Setting für einen Horrortitel dieser Art - aber "Wilsons Heart" ist anders… Denn anstatt am Monitor zu spielen und Wilson über die Schulter zu schauen oder in Ego-Perspektive durch die Gänge zu wandern, setzt ihr die VR-Brille Oculus Rift auf und seid urplötzlich mitten im Geschehen: Ihr spielt Wilson nicht nur, sondern nehmt seine Persönlichkeit ein. Dieses Gefühl mit Worten zu beschreiben ist verdammt schwer. Meine persönliche Meinung: Selten ging mir so der Stift, wie bei diesem Spiel. Das fängt schon beim genauen Beobachten der blutigen Bettlaken an und endet darin, dass sich Personen unangenehm nah mit mir unterhalten und mich dabei berühren. Fast alles lässt sich hier mit mehreren Sinnen erleben. Die VR-Technik zieht einen so tief ins Spiel, dass die Gedanken noch lange in dem verwaisten Irrenhaus geistern, obwohl die Brille schon längst abgezogen wurde. Ein irres Erlebnis, das nichts für Zartbesaitete ist. Wären jetzt noch die Rätsel etwas ausgefeilter, könnte das Spielchen zum Wegweiser für neue VR-Horrorgeschichten werden.
Erhältlich für: Oculus Rift (PC)

Little Nightmares
Ach wie niedlich: Die gelbe Regenjacke steht dem kleinen Mädchen. Schade, dass es in dem Raum etwas dunkel ist, in dem die Kleine aufgewacht ist. Glücklicherweise hat sie ein Sturmfeuerzeug parat, das Licht ins Dunkel bringt. Nur noch eine Kiste an ihren Platz gerückt und schon kann die Kleine aus der Lucke in den nächsten Raum klettern… Eine typische Szene in diesem Spiel. Doch irgendwas stimmt hier nicht: Denn sämtliche Objekte in den verschiedenen Zimmern sind viel zu groß, als dass sie von dem Mädchen genutzt werden könnten. Dadurch wirkt sie noch kleiner und zerbrechlicher. Eins ist klar: Hier gehört sie definitiv nicht hin. Und schon sehr bald wird klar, dass auf dem Kutter, auf dem sie sich befindet, nicht alles mit rechten Dingen vor sich geht: Hinter jeder Ecke trachten massige Wesen nach ihrem Leben. Das Setting und die Atmosphäre gehen Hand in Hand und machen das Spiel zu einem unvergesslichen Erlebnis. Dabei ist das eigentliche Konzept nicht neu: Denn im Grunde habt ihr es hier mit einem schicken Jump&Run mit Rätselelementen zu tun. Nur das Setting ist eben etwas anders als bei Genre-Verwandten wie Mario und Co. Das kleine Mädchen geistert durch düstere Räume und muss jederzeit befürchten, gefasst zu werden - von ihren eigenen Alpträumen. Das ist wirklich spannend inszeniert, so dass die vier Stunden Spielzeit wie im Flug vergehen und nie langweilig werden. Doch das eigentlich Faszinierende daran ist nicht das, was erzählt wird, sondern das, was nicht erzählt wird. Zur Erläuterung: Im gesamten Verlauf wird kein Ton gesprochen - die komplette Geschichte muss erahnt werden, was hervorragend funktioniert. Die Umgebung gibt mal dezente, mal sehr offensichtliche Hinweise darauf, was sich hier abgespielt haben könnte - echt klasse gelöst. Dadurch bleibt das fordernde Spiel mit seinen Hüpf-, Schleich- und Rätselpassagen lange im Gedächtnis.
Erhältlich für: PS 4, Xbox One, PC

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