Katholische Kirche Ein beschuldigter Ex-Bischof und 200 Kapellen

Vallendar/Rom · Die katholische Schönstatt-Bewegung ist in 110 Ländern aktiv. Ihr weltweites Zentrum liegt bei Koblenz. Dort lebt auch ein vom Papst bestrafter einstiger Oberhirte aus Chile. Das macht der Bewegung, deren zentrales Element das „Liebesbündnis mit Maria“, der Mutter Jesu, ist, zu schaffen.

 Die Marienkapelle, das Urheiligtum der Schönstatt-Bewegung in Vallendar.

Die Marienkapelle, das Urheiligtum der Schönstatt-Bewegung in Vallendar.

Foto: dpa/Thomas Frey

Papst Franziskus hat kürzlich im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche den früheren chilenischen Erzbischof Francisco José Cox Huneeus aus dem Klerikerstand entlassen. Grund sind Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen. Cox, 84, lebt bereits seit 16 Jahren zurückgezogen bei den Schönstatt-Patres in Vallendar bei Koblenz. Die Schlagzeilen über ihn haben die Schönstatt-Bewegung in den Fokus gerückt. In rund 110 Ländern hat sie nach eigenen Angaben gut 140 000 Mitglieder – und ihr weltweites Zentrum im kleinen Vallendar. Wie geht es mit Cox weiter? Was macht die katholische Schönstatt-Bewegung?

Laut dem Generaloberen der Schönstatt-Patres, Juan Pablo Catoggio, hat es gegen Cox bereits in seiner Zeit in Chile Hinweise auf „unangemessenes“ Verhalten im Umgang mit Jugendlichen gegeben. Hinzu kommen Vorwürfe, Cox habe sich auch noch 2004 in Vallendar an einem 17-Jährigen vergangen. Die Staatsanwaltschaft Koblenz sieht hier aber keinen möglichen Straftatbestand, da bis 2008 allein der Missbrauch von Jugendlichen unter 16 Jahren strafbar gewesen sei.

Was sagt der einstige emeritierte Erzbischof Cox zu den Vorwürfen? Catoggio spricht von „Anzeichen von Demenz“ und sagt: „Er kann kaum (körperlich) und will auch keine Interviews oder Gespräche führen.“ Dem staatlichen Fernsehsender Televisión Nacional de Chile (TVN) hat Cox kürzlich in einem wohl nur kurzen Wortwechsel gesagt: „Das ist im Moment nicht mein Problem.“ Der ehemalige Oberhirte soll gleichwohl nach Chile zurückkehren. „Zurzeit werden alle ärztlichen Untersuchungen gemacht, um reisemedizinisch zu überprüfen, ob er fahren kann“, teilt Catoggio mit. „Kirchenrechtlich gibt es keine Schwierigkeit.“

Ein Foto im Internet, das Cox und eng an seiner Seite einen kleinen Jungen zeigt, sagt Cattogio, es stamme vom 80. Geburtstag des ehemaligen Oberhirten in einem Restaurant: „Ich würde sagen, dass wir im Großen und Ganzen jeglichen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen in diesen vielen Jahren vermieden haben.“

Der Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland, Ludwig Güthlein, sagt in Vallendar zum Fall Cox: „Ich bin erschüttert.“ Es gebe Studien, wonach nicht die Lebensweise des Zölibats das Problem sei, aber seine mögliche Anziehung auch auf Männer mit Persönlichkeitsstörungen. Sexueller Missbrauch pervertiere die Werte, für die Schönstatt stehe.

Pater Josef Kentenich (1885-1968) hat die religiöse Vereinigung 1914 aus seiner Jugendarbeit in den Wirren des Ersten Weltkriegs im Vallendarer Stadtteil Schönstatt gegründet. Heute gehören zu ihr weltweit zahlreiche selbstständige Gemeinschaften mit Familien, Jugendlichen, Frauen, Männern, Priestern und Schwestern. Auch Robert Zollitsch, einst Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, ist Schönstatt-Priester. Nurit Stosiek von der Provinzleitung der Schönstätter Marienschwestern betont, es gebe keinen Zentralismus. Die Mitglieder engagieren sich in pädagogischen, sozialen, missionarischen, kulturellen und politischen Projekten.

Zentrum ist in Vallendar das „Urheiligtum“, eine einfache Marienkapelle – mit mehr als 200 Nachbauten auf der Welt. Das soll überall ein Zugehörigkeitsgefühl verschaffen. Entscheidend für Schönstatt ist das „Liebesbündnis mit Maria“, der Mutter Jesu. An ihrer Hand sollen Menschen in eine lebendige Gottesbeziehung hineinwachsen.

Schwester Stosiek sagt: „Wir wollen nicht Menschen gesundbeten, sondern ihnen pädagogisch helfen, sich auf den Glauben einzulassen.“ Pater Güthlein sagt: „Es gibt auch Verunsicherung in der Kirche, weil wir nicht so leicht zu fassen sind.“

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann nennt Schönstatt eine große geistliche Gemeinschaft der Kirche. Die Bewegung zeichne sich aus „durch eine spezifische Pädagogik des Glaubens, die zu einer reifen christlichen Persönlichkeit verhelfen will. Das gibt ihr zusammen mit ihrer marianischen Spiritualität eine Unverwechselbarkeit.“ Dass ihr Ursprung und Hauptsitz im Bistum Trier liegen, „macht mich als Bischof stolz und dankbar. Ich bin froh darüber, dass wir in gutem Kontakt stehen und ich auch immer wieder dort willkommen bin.“

 23.10.2018, Rheinland-Pfalz, Vallendar: Ludwig Güthlein ist der Leiter der Schönstatt-Bewegung in Deutschland. Die katholische Bewegung ist nach eigenen Angaben in 110 Ländern aktiv und hat 140000 Mitglieder. (zu dpa "Schönstatt-Bewegung - Ein beschuldigter Ex-Bischof und 200 Kapellen" vom 26.10.2018) Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

23.10.2018, Rheinland-Pfalz, Vallendar: Ludwig Güthlein ist der Leiter der Schönstatt-Bewegung in Deutschland. Die katholische Bewegung ist nach eigenen Angaben in 110 Ländern aktiv und hat 140000 Mitglieder. (zu dpa "Schönstatt-Bewegung - Ein beschuldigter Ex-Bischof und 200 Kapellen" vom 26.10.2018) Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Thomas Frey

Sigrid Grabmeier vom Bundesteam der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ lobt und kritisiert Schönstatt. Die Bewegung ermutige Menschen, eine eigene Spiritualität zu entwickeln, in der auch Maria eine wichtige Rolle spiele. Damit habe die Vereinigung „einen wichtigen Beitrag zur Glaubensentwicklung in durch Kriege und Industrialisierung veränderte Zeiten geleistet“. Trotz der Stärkung der Laien bleibe sie aber im Klerikalismus verhaftet, das heißt Priester spielten immer eine sehr wichtige Rolle. „Da verorte ich auch die Haltung für den Umgang mit dem chilenischen (ehemaligen) Erzbischof. Zum einen wurde er sozusagen isoliert, zum anderen hat er aber immer noch bischöfliches Ansehen erfahren.“

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