Moskau Ein Satz mit x ...

Moskau · ... das war nix! Deutschland zittert nach einem enttäuschenden Auftritt um das Weiterkommen bei der Fußball-WM.

 So schleichen sie vom Feld: Thomas Müller, Joshua Kimmich und Marco Reus verlassen nach der Auftaktpleite geknickt den Platz.

So schleichen sie vom Feld: Thomas Müller, Joshua Kimmich und Marco Reus verlassen nach der Auftaktpleite geknickt den Platz.

Foto: dpa/Christian Charisius

(dpa) Joachim Löw bekam noch einen tröstenden Klaps von Oliver Bierhoff auf die Schulter, dann verschwand der Bundestrainer konsterniert in die Kabine. Die Titelverteidiger schlichen bedröppelt in die Fankurve, in der einige Fans noch ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen schwenkten. Das Projekt Titelverteidigung ist nach einem krachenden Fehlstart der deutschen Fußball-Weltmeister gegen aggressive Mexikaner schon in Gefahr. „Natürlich stehen wir unter Druck, ohne Frage, wir müssen jetzt sechs Punkte holen“, sagte Toni Kroos nach dem ernüchternden 0:1 (0:1) gegen Mexiko.

Im Moskauer Finalstadion ließen Kroos und seine Kollegen am Sonntag alle Titel-Qualitäten vermissen und kassierten die erste Turnier-Auftaktniederlage in der Ära von Joachim Löw. Offensiv fehlte ein Konzept, defensiv herrschte Notstand. Tempofußball spielte nur der Gegner, der durch den starken Linksaußen Hirving Lozano (35.) vor 78 011 Zuschauern im Luschniki-Stadion den Weltmeister mit seinem Siegtor vor den weiteren Partien gegen Schweden und Südkorea in Not brachte.

„Wir haben in der ersten Halbzeit keine Lösungen gefunden“, monierte Kroos – und sprach von zu vielen Ballverlusten. Die erste Niederlage bei einem WM-Start seit dem 1:2 gegen Algerien 1982 in Spanien war so nicht zu verhindern.

Bundestrainer Löw ergriff mit der Einwechslung von Marco Reus für Sami Khedira nach einer Stunde notgedrungen ein taktisches Gegenmittel. Offensives Risiko war notwendig, nachdem zuvor Stabilität und Ordnung gefehlt hatten.

Doch die Wende blieb aus. Ein Freistoß von Kroos (39.), den Mexikos Torwart Guillermo Ochoa mit den Fingern an die Latte lenken konnte, und mehr Druck in der Schlussphase waren einfach viel zu wenig. Mexiko siegte verdient und deckte die Mängel im deutschen Spiel schonungslos auf.

„Das ist in der Tat eine nicht gewohnte Situation. Dem müssen wir uns jetzt stellen. Unsere Kombinationen nach vorne sind nicht mit diesem Risiko, mit dieser Entschlossenheit gemacht worden. Der Start hat nicht geklappt. Jetzt müssen wir das nächste Spiel gewinnen, klar. Ich bin überzeugt, dass wir eine Reaktion zeigen können“, bilanzierte Löw

Ein Abtasten gab es nicht in der Betonschüssel Luschniki. Schon in der ersten Minute wurde das deutsche Abwehr-Harakiri von den Mexikanern schonungslos offengelegt. Über die linke Seite konnte Lozano in den Strafraum eindringen. Jérôme Boateng rettete per Grätsche – eine Riesentat.

Wenige Sekunden später musste Manuel Neuer das erste Mal zupacken, als Marvin Plattenhardt den Ball vom Knie Richtung DFB-Tor bugsierte. Der Berliner sprang kurzfristig als linker Verteidiger für den grippe-kranken Jonas Hector ein.

Die Problemzone war aber die andere Flanke. Joshua Kimmich spielte praktisch Rechtsaußen. Seine Defensivaufgaben blieben unerledigt. Immer wieder stießen die schnellen Mexikaner per Konter in diese Lücke. Löw reagierte auf dieses taktische Problem nicht.

Das Gegentor durch Lozano zeichnete sich förmlich ab. Die Fehlerkette, die zum ersten Gegentreffer in einem WM-Auftaktspiel unter Löw führte, war symptomatisch für das deutsche Spiel. Der schwerfällige Sami Khedira verlor in der gegnerischen Hälfte einen Zweikampf, Mats Hummels rutschte in der Rückwärtsbewegung aus, und die Kimmich-Seite war verwaist. Bezeichnend, dass der eigentlich fürs Kreative weit vorne vorgesehene Mesut Özil den finalen Zweikampf im Strafraum führen musste –  und diesen verlor. 

Löws Taktik ging hinten und vorne nicht auf. Zu große Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, keine Ordnung, keine Stabilität. Von der versprochenen Besserung nach den mauen Tests gegen Österreich (1:2) und Saudi-Arabien (2:1) war nichts zu sehen. Vor allem Khedira und Kroos konnten die Lücken nicht schließen. Einzig Boateng nahm die Zweikämpfe kompromisslos und körperbetont an, wurde mit seinem Defensivpartner Hummels und dem aufmerksamen und sicheren Neuer aber sehr allein gelassen.

Kroos‘ Freistoß war in der ersten Halbzeit die mit Abstand beste deutsche Möglichkeit, nachdem Timo Werner (3.) recht früh aus spitzem Winkel vorbei geschossen hatte. Der Leipziger wurde bei seinem WM-Debüt viel zu selten in Szene gesetzt.

In der zweiten Halbzeit verzichtete Löw zunächst auf neue Impulse. Die Mexikaner waren nicht mehr so laufstark, doch die DFB-Elf blieb in der Rückwärtsbewegung anfällig. Den Mexikanern fehlte schlicht der Punch – wie Stürmerstar Chicharito (57.) bei einem Konter.

Dann kam Reus – ein Signal für die Jagd nach dem Ausgleich. Der Dortmunder rutschte bei seiner WM-Premiere am Ball vorbei (68.) und schoss aus spitzem Winkel ­drüber (71.).

Bei den nun häufigeren Offensivaktionen war es vor allem Julian Draxler, der immer wieder Richtung Ochoa-Tor strebte, doch auch der PSG-Profi hatte kein Fortune. Mexiko warf sich in jeden deutschen Schuss. Mario Gomez und Julian Brandt kamen noch als finale Joker – konnten die Premieren-Pleite aber nicht mehr abwenden. Brandt hatte Pech mit einem Kracher an den Außenpfosten (89.). Die dutschen Spieler schlichen vom Platz – und bangen nun ums Weiterkommen.

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