Ein Stück Loriot im normalen Alltag

Man sollte nie unangemeldet früh nach Hause kommen. Was passiert, wenn man diesen Ratschlag nicht beherzigt, ist häufig genug Gegenstand von mehr oder weniger guten Witzen.

Sie erzählen von überraschten, meist spärlich bekleideten Liebhabern, die sich in Kleiderschränken, unter Betten oder auf Balkonen vor wütenden Ehemännern verstecken. Die Situationen im real existierenden Alltag sind - zumindest bei uns zu Hause - mit vertauschten Rollen weniger spektakulär, haben aber durchaus Unterhaltungswert. Wenn bei mir ein Abendtermin geplatzt ist und ich unverhofft früh in der Tür stehe, kommt es mit schöner Regelmäßigkeit zu einem Wortwechsel, der Loriots Spielfilm "Pappa ante portas" entlehnt ist.

"Mein Gott, hast du mich erschreckt", entfährt es Hausfrau Renate Lohse. "Ich wohne hier", entgegnet der Ehemann Heinrich lakonisch, den sein Arbeitgeber, die Deutsche Röhren AG, gerade auf die Straße gesetzt hat. Die unübertreffliche Antwort seiner besseren Hälfte: "Aber doch nicht jetzt!"

Der geniale Kurzdialog aus der Feder von Victor von Bülow enthält in Miniaturform das ganze komödiantische Drama des ehemaligen Bürohengstes, der Frau und Sohn mit seinem häuslichen Engagement den letzten Nerv raubt. Bevor ihm dies gelingt, weil er palettenweise Senf kauft oder ein ganzes Filmteam in die eigene Wohnung einlädt, ist die Katastrophe programmiert. Wenn das kein Grund ist, auf dem Nachhauseweg mal kurz zuhause anzurufen .

Ilse Rosenschild

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