Erst Konfettiregen, dann die Königskrone

Zwei Sekunden fehlten Weltstar Haile Gebrselassie zum neuen Silvesterlauf-Streckenrekord. Dennoch zog der überlegene Sieger des Asse-Laufs die über 20 000 begeisterten Zuschauer in seinen Bann.

Trier. Selbst als er nach einem Schnitt von 2:47 Minuten pro Kilometer ins Ziel rannte, setzte er nach kurzem Durchschnaufen sein Strahlen auf. Dieses Lachen hatte zuvor schon die weit über 20 000 Zuschauer an der Silvesterlauf-Strecke in ihren Bann gezogen. Bereits Hunderte von Metern, bevor Haile Gebrselassie Richtung Hauptmarkt raste, kündigte ein ohrenbetäubender Lärm den Weltstar an. "Ich glaube, ich habe einen Tinnitus, so laut war es an der Strecke", meinte auch der Trierer PST-Läufer Marc Kowalinski.

Schon vor dem Start hatte sich eine Fotografenmeute um den Gebrselassie geschart. Als er den Zielstrich passiert hatte, stürzten alle erneut auf Haile. Die übrigen insgesamt 2227 Läufer beim 20. Bitburger-Silvesterlauf (neuer Rekord) waren so etwas wie Beiwerk, aber mit dieser Rolle konnten alle gut leben.

Vor dem Start ließen sich die Asse-Läufer mit Haile fotografieren, die meisten von ihnen sahen später nur die Hacken des Äthiopiers, als sie überrundet wurden.

Alles war bereitet für die große Rekordjagd. Aber eine Minute vor Gebrselassies Start begann es zu regnen. Doch die Wassertropfen machten dem Wunderläufer nichts aus, wie ein Uhrwerk spulte er seine acht Runden ab. In 2:46 Minuten lief er den ersten Kilometer, nach drei Runden standen 8:21 Minuten zu Buche - und zu diesem Zeitpunkt hatte Gebrselassie schon die letzten Verfolger abgeschüttelt. Am Ende liegt der Zweite, der Kenianer Shabrack Lagat, 25 Sekunden zurück. 56 Sekunden hinter Haile wird Arne Gabius als Vierter bester Deutscher.

Noch eine Runde, immer noch ist Gebrselassie in 19:31 Minuten klar auf Rekordkurs (22:21 Minuten aus dem Jahr 1997). Läuft er diese Zeit, wäre es auch eine Weltjahresbestzeit über acht Kilometer. Noch 100 Meter, ein letzter Spurt - und die Uhr zeigt 22:23 Minuten. Es war die zweitschnellste Zeit, die jemals beim Silvesterlauf gemessen wurde, aber eben kein Streckenrekord.

Rückwärtsläufer Dold verpasst neuen Weltrekord



Gebrselassie ist gezeichnet vom Lauf, weniger von der Anstrengungen als von Dutzenden Konfetti-Schnipseln, die in seinem Gesicht kleben. Im Getümmel nach dem Zieleinlauf hat ihm jemand eine Königskrone aufgesetzt. Haile ist der König von Trier - und der tosende Applaus der Zuschauer auf dem Hauptmarkt bei der Siegerehrung zeigt, dass die Fans es dem Äthiopier nicht übel nehmen, dass er "nur" gewonnen hat. Ein Grund für den verpassten Rekord könnte sein, dass Haile nach der ersten Runde dem Streckenfahrzeug hinterher lief und erst von anderen Läufern wieder zurück auf den richtigen Weg "gerufen" wurde.

Der stets strahlende Gebrselassie bedankt sich artig beim Publikum, entschuldigt sich, dass es mit dem Rekord nicht geklappt hat (siehe Interview unten). Die Masse ist begeistert, die übrigen Läufer auch: "Es war sensationell, so viele Fans waren noch nie an der Strecke. Einfach nur Wahnsinn", meinte der Sirzenicher Guido Streit.

Und zwei Sekunden waren an Silvester eine magische Zahl: Denn um die gleiche Zeit wie Gebrselassie hat auch Thomas Dold seinen Weltrekord im Rückwärtslaufen verpasst - 3:22 Minuten statt 3:20 Minuten wie im Vorjahr an gleicher Stelle. Dold hatte die Topläufe eingeläutet, nach ihm waren die Fans begeistert vom hochdramatischen Frauen-Rennen. Mit einem sensationellen Schluss-Spurt gewann die Russin Yelena Zadorozhnaya in 15:49 Minuten zwei Sekunden vor Emebeth Anteneh (Äthiopien) und Caroline Chepkwony (Kenia). Die Deutschen Sabrina Mockenhaupt und Irina Mikitenko wurden Sechste und Siebte. Doch alle standen trotz starker Leistungen ganz klar im Schatten der Haile-Gala.

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