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In der Jugendherberge (JH) Trier ist wie jeden Tag Rundlauf angesagt - der ewige Klassiker der Freizeitbeschäftigungen auf Klassenfahrten. Zehn Schüler haben sich um die Tischtennis-Platte versammelt.

 Damals wie heute: Der Hausladen versorgt mit Nötigem.Foto: privat/Hans Ermert

Damals wie heute: Der Hausladen versorgt mit Nötigem.Foto: privat/Hans Ermert

Die Kinder warten geduldig, bis sie endlich den Ball über das Netz schlagen dürfen. Die Begeisterung bei der Schülergeneration am "guten, alten Rundlauf" konnte auch das Internet nicht erschüttern. Dabei wären die Möglichkeiten zum Chatten, Downloaden und Surfen in Trier da. Längst verfügt die Jugendherberge über einen Internet-Anschluss, per kabellose Verbindung verwandeln sich die Etagenbettzimmer in Internetcafés. Denn die Gästehäuser bieten heute viel mehr als die obligatorische Tischtennisplatte. Deshalb und nicht zuletzt wegen des unschlagbaren Preis-Leistungsverhältnisses sind die JHs immer noch sehr beliebt. Der Deutsche Jugendherbergsbund zählte im vergangenen Jahr rund zehn Millionen Übernachtungen in den 650 Herbergen in Deutschland. Allein die 43 Unterkünfte im Landesverband Rheinland-Pfalz/Saar boten eine Million Mal eine Schlafstatt an. Die Zahlen sind seit Jahren steigend.

Dabei standen bei den Jugendherbergen am Anfang die Zeichen auf Sturm. Um die Jahrhundertwende existierten im Deutschen Reich zwar schon Jugendheime: "Diese waren allerdings nur Abiturienten und Studenten vorbehalten", sagt Hans Ermert. Der 66-Jährige beherbergt in Herdorf im Westerwald eine der größten privaten Sammlungen zur Jugendherbergs-Geschichte. "Der Lehrer Robert Schirrmann liebte die Natur. Eines Tages geriet bei einem Wanderausflug mit seinen Schülern in ein Gewitter. In die Jugendheime durften sie damals nicht, also baten sie in einer befreundeten Schule um Unterschlupf. Dort übernachteten Klasse und Lehrer in der Schulaula - die Idee der Jugendherberge für jedermann war geboren." Ermert ist seit einer Weltreise, bei der er in den siebziger Jahren 30 Monate lang in Herbergen übernachtete, vom Sammel-Fieber gepackt. Seitdem ist seine Wohnung mit alten Etagenbetten, Wolldecken, Herbergsausweisen in Sütterlin-Schrift und Kochgeschirr ausgestattet. Vieles stammt aus den Beständen von Jugendherbergen, die mit der Moderne nicht mehr Schritt hielten und in den siebziger Jahren schließen mussten. Hunderte alter Fotos zeugen davon, wie sich die Jugendherbergen im Lauf der Geschichte veränderten. "Früher gab es nur Massenschlafsäle, Gemeinschaftstoiletten und einfache Verpflegung". Das Ziel der Herbergen in den Gründungsjahren war es, Wandergruppen am Ende einer Tagesetappe eine Rastmöglichkeit zu bieten. "Bis in die sechziger Jahre gab es daher ein Zufahrtsverbot für motorisierte Fahrzeuge. Damals gelangte man nur zu Fuß oder per Bahn zu den Herbergen." Den Tagesablauf regelten strenge Vorschriften. "Tagsüber durfte man sich nicht in den Jugendherbergen aufhalten. Es gab eine klare Geschlechtertrennung und lange Zeit striktes Rauch- und Alkoholverbot. Die Schüler mussten im Haus mithelfen. Es gab bis in die achtziger Jahre noch Spüldienst und Kehrdienst." Heute kommen schmutzige Teller direkt in die große Spülmaschine, das schreiben die Hygienegesetze vor. Die Jugendherberge bleibt mittlerweile bis 1 Uhr nachts offen - das freut natürlich die jugendlichen Nachtschwärmer. Und nach wie vor entdecken viele Schüler in der Jugendherberge ihre erste Liebe.

100 Jahre nach dem Gewittererlebnis von Robert Schirrmann hat sich die Idee der "Herberge für jedermann" weltweit durchgesetzt. Heute gibt es 4000 Jugendherbergen in 90 Ländern zwischen Libyen und Pakistan, die dem internationalen Jugendherbergsverband Hostelling International (HI) angehören. Die JHs sind heute gewinnorientierte Dienstleistungsunternehmen. Herbergseltern, die kochen und die Geschäfte führen, trifft man nur noch in seltenen Fällen an. In der Regel führen Controller und Betriebswirtschaftler den Betrieb.

Ein professionelles Marketing mit dem rechtlich geschützten Begriff "Jugendherberge" trug dazu bei, dass HI vergangenes Jahr einen Gewinn von 1,4 Milliarden Dollar erzielte - ein großer Wirtschaftsfaktor gerade in ländlichen Gegenden. In Deutschland sorgen die Befreiung von der Umsatzsteuer, aber nicht zuletzt auch die Konkurrenz zu "Backpacker-Hostels" (Billigunterkünfte für Rucksack-Touristen), Kolpinghäusern und Schullandheimen, für günstige Übernachtungspreise. Eine Nacht mit Vollpension gibt es in Trier ab elf Euro und das mit gutem Komfort, wie der Geschäftsführer der Trierer Jugendherberge, Jörg Opitz, versichert. Im Gegensatz zu den Hotels pflege man aber einen persönlicheren Bezug zu den Gästen. An eine Begegnung erinnert sich Opitz dabei besonders gerne: "Eine Behindertengruppe hat aus Dankbarkeit ein Bild mit Fingerfarben gemalt. Das war eine Arbeit von mehreren Tagen. Das Kunstwerk hängt heute bei uns im Speisesaal."

Auch in Zukunft möchten die Jugendherbergen nah an ihren Gästen dran sein. Im Jahr 2007 wurden in Trier 1,9 Millionen Euro investiert. Mit einem neuen Angebot sollen neue Zielgruppen angesprochen werden. Zwar stellen Kinder immer noch den Großteil der Besucher, aber immer mehr Familien und Tagungsreisende finden den Weg in die JH. Für Familien gibt es daher besondere Spielplätze oder spezielle Ausflugsreisen. Für Tagungsreisende stehen Seminarräume mit Beamer und Overheadprojektoren zur Verfügung. Auch die Zimmergrößen - von den Schlafsälen hin zu Zwei- und Vierbettzimmern - wurden an die Bedürfnisse der neuen Gäste angepasst.

Nach 100 Jahren, nach der Naturromantik von Robert Schirrmann und dem Spüldienst in den Achtzigern, hat sich die Jugendherberge heute ein modernes Image zugelegt. Doch ein kleines Klischee wird zum Jubiläum eifrig gepflegt: In 100 Jugendherbergen in Deutschland wird am 26. April eine Meisterschaft im Tischtennis-Rundlauf ausgetragen. Patrick Wiermer

Jugendherbergen in der Region: Gerolstein Jugendherberge Zur Büschkapelle 1 Tel: 06591/4745 Prüm Jugendgästehaus Adresse Kalvarienbergstraße 5 Tel: 06551/2500 Daun Eifelmaar-Jugendherberge Jugendgästehaus Maria-Hilf-Straße 21 5 Tel: 06592/2884 Manderscheid Vulkaneifel-Jugendherberge Jugendgästehaus Mosenbergstraße 17 Tel: 06572/557 Bollendorf Südeifel-Jugendherberge Jugendgästehaus Auf der Ritschlay 1 Tel: 06526/200 Saarburg Jugendherberge Bottelter Straße 8 Tel: 06581/2555 Traben-Trarbach Mittelmosel-Jugendherberge Jugendgästehaus Hirtenpfad 6 Tel: 06541/9278 Fax: 06541/3759 Bernkastel-Kues Jugendherbergsstraße 1 Tel: 06531/2395 Hermeskeil Hunsrück-Jugendherberge Jugendgästehaus Adresse Adolf-Kolping-Straße 4 Tel: 06503/3097

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