Foodwatch-Kritik - „Zu süß“ trotz Werbung mit Vitaminen?

Berlin (dpa) · Riegel, Säfte und Joghurts locken Verbraucher mit Vitaminen. Doch sind die Lebensmittel wirklich so gesund, wie sie in der Werbung klingen? Verbraucherschützer haben einiges auszusetzen.

 In vielen Lebensmitteln ist Zucker, oft mehr, als gesund ist. Foto: Jens Kalaene

In vielen Lebensmitteln ist Zucker, oft mehr, als gesund ist. Foto: Jens Kalaene

Die Werbung für manche Fruchtgummis, Energydrinks oder Milchgetränke passt den Verbraucherschützern von Foodwatch gar nicht. Beim Einkauf werde man mit Gesundheitsversprechen gelockt, dabei versteckten sich hinter den Verpackungen häufig alles andere als ausgewogene Lebensmittel.

Was überhaupt ein ausgewogenes Lebensmittel ist und wie Hersteller auf die Vorwürfe reagieren:

Was genau kritisiertFoodwatch?

Die Verbraucherorganisation stört sich an der Werbung mit Vitaminen. Viele Lebensmittel würden nur mit Vitaminen aufgebessert, um den Produkten einen gesunden Anstrich zu verleihen, moniert Foodwatch. Das führe Verbraucher in die Irre. Nach einer Untersuchung der Verbraucherschützer entsprechen 190 von 214 Lebensmitteln, die mit Vitaminen beworben werden, nicht dem, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter einer „ausgewogenen Ernährung“ verstehe. „Mit Vitaminwerbung werden Verbraucher bewusst in die Irre geführt und ihr Bemühen um eine gesunde Ernährung torpediert“, kritisiert Foodwatch-Expertin Michaela Kruse.

Welche Standards setzt die WHO?

Foodwatch bezieht sich in seiner Kritik auf Kriterien, die die WHO in Europa Anfang 2015 für eine ausgewogene Ernährung vorgestellt hat. Dabei geht es etwa um Anteile von Fett, Zucker oder Salz. Die WHO-Grenzwerte gelten allerdings für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. Übergewicht und Adipositas sollten damit verhindert werden. Die Standards sind sehr streng. Danach darf etwa auch Saft gegenüber Kindern überhaupt nicht beworben werden. Milchgetränke sollen einen Anteil von 2,5 Gramm Fett pro 100 Gramm nicht überschreiten.

Was fordertFoodwatch?

Ein Gesetz, das sogenannte Nährwertprofile einführt. Damit würden Grenzwerte etwa für Fett, Zucker oder Salz festgelegt. Nur Lebensmittel, die diese Werte nicht überschreiten, sollen mit Gesundheitsbotschaften beworben werden dürfen. Bei den Grenzwerten orientiert sich Foodwatch an den WHO-Kriterien. Die Forderung nach Nährwertprofilen unterstützen auch die Verbraucherzentralen.

Gibt es bereits Gesetze, die in eine ähnliche Richtung gehen?

Ja. Die Europäische Union hat 2012 Regeln zur Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen („Health Claims“) aufgestellt. Danach dürfen Lebensmittel nur mit wissenschaftlich belegten Gesundheitsversprechen angepriesen werden. Für die Werbeaussagen braucht es zudem eine Zulassung.

Ist die Kritik neu?

Nicht unbedingt, Lebensmittel mit versprochenem Extra-Nutzen für die Gesundheit stehen bei Verbraucherschützern schon seit längerem in der Kritik. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) monierte 2015 nach einer Stichprobe, dass gesundheitsbezogene Aussagen teils über die EU-weit erlaubten Formulierungen hinaus verstärkt würden.

Was sagt die Industrie zur Kritik vonFoodwatch?

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) wies den Vorwurf der Irreführung zurück. Verbraucher könnten die genaue Zusammensetzung eines Produkts stets in der Zutatenliste nachlesen, die auf der Verpackung aufgedruckt sei, teilte BLL-Chef Christoph Minhoff mit. Hersteller könnten deshalb gar nicht mit zugesetzten Vitaminen über den eigentlichen Inhalt hinwegtäuschen.

Von Gesundheitsversprechen und Begriffen wie „Fitness“ und „Wellness“ auf Lebensmittelverpackungen sollten sich Verbraucher nicht in die Irre führen lassen. Stattdessen sollten sie sich die Nährwerttabelle auf der Packung anschauen, empfiehlt Silke Schwartau, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie rät dazu, Lebensmittel mit mehr als 12,5 Gramm zugesetztem Zucker oder mehr als 20 Gramm Fett pro 100 Gramm nicht so häufig zu essen.

„Der Blick auf die Nährwerttabelle ist aber eine Notlösung“, sagt Schwartau. „Wir brauchen einfache Symbole. Besser wäre etwa eine Ampel.“ Denn die Nährwerttabellen durchzulesen sei aufwendig, und für viele Menschen seien sie auch nicht so einfach zu verstehen. Lebensmittel mit viel Zucker oder Fett bekämen dann eine rote Ampel.

Wer sich die Mühe macht, ins Kleingedruckte zu schauen und die Zutatenliste zu lesen, erkennt zum Beispiel Zucker nicht immer auf den ersten Blick. Dieser kann sich hinter Bezeichnungen wie Saccharose oder Glucose verstecken. Nur weil das Wort „Zucker“ nicht ausdrücklich in der Liste steht, bedeutet das also nicht, dass kein Zucker im Lebensmittel steckt.

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