Experiment zur Weihnachtszeit Der erotische Adventskalender - Tag 24: Mit Druckwellen ins Finale
Der erotische Adventskalender - Tag 24: Mit Druckwellen ins Finale
Es ist so weit, das Fest ist da und passend zum Höhepunkt des Adventskalenders gibt es die wohl größte Innovation auf dem Sex-Spielzeugmarkt dieses Jahrtausends: ein Druckwellenvibrator für die Klitoris. Ja – in diesem Fall schauen Männer ein bisschen in die Röhre. Der Aufbau des Geräts lässt auch nur wenig Spielraum für Umnutzungen zu. Ein handlicher gut zu packender Griff und eine weicher Auflegekopf, in dem die Klitoris platziert werden soll. Per Handy gesteuert lässt sich dann die Stimulation genau auf den eigenen Geschmack anpassen.
Sigmund Freud würde erschaudern. Ein Gerät, mit dem der „unreife“ klitorale Orgasmus herbei geführt wird, hätte ihm wohl kaum zur Freude gereicht (siehe Kalendereintrag Tag 21). Mehr als einhundert Jahre nachdem Freud seine These aufstellte, dass nur ein vaginaler Orgasmus ein erwachsener Orgasmus sei, pfeifen Verbraucherinnen auf der ganzen Welt auf Freud und zeigen sich begeistert. Die wenigen kritischen Stimmen weisen auf die Geschwindigkeit hin, mit der Frau dank des Geräts zum Höhepunkt komme. Es wird dann angemahnt, dass eine zu große Gewöhnung an diese Leistungsfähigkeit im partnerschaftlichen Sex bereiten könnte.
Schon wieder geht es um Probleme und Unterschiede zwischen klitoralen (zu schnellen) und vaginalen (zu langsamen) Orgasmus. Ja was denn jetzt? Mal kommt sie zu langsam, mal kommt sie zu schnell. Wenn es denn in Sachen Penetration nicht wirklich vorangeht, dann muss halt kreativ gearbeitet werden. Fragen Sie ihre Partnerin, was sie denn so mag. Das kann erstmal, wenn man es vorher noch nicht gemacht hat, etwas unangenehm sein, aber Reden hilft.
Und überhaupt: Bei Männern wird doch auch nicht zwischen einem reinen penetrativen Orgasmus, einem oralen oder einem manuellen unterschieden und niemand fragt, ob nun die Eichel stimuliert wurde oder halt irgendein anderer Teil des männlichen Körpers.
Jeder Mensch hat nun einmal seine eigenen ganz individuellen Knöpfe die, wenn sie einmal gedrückt wurden, zu sehr unterschiedlichen Empfindungen führen. Manche Herren mögen es zum Beispiel, wenn ihren Brustwarzen ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird, andere fragen sich, was denn dieses Gezwirbel nun schon wieder soll. Wieder andere kommen dabei sogar zum Orgasmus.. Diskutiert die Welt drüber? Genau.
Wobei sich in diesem Zusammenhang nun doch eine unerwartete Anwendungsmöglichkeit für den Mann ergibt. Nicht dass es noch zum Streit um das teure Gerät kommt.
Der erotische Adventskalender - Tag 23: Ei, Ei, Ei...
Es erinnert ein wenig an die sogenannten Piep-Eier, zur Jahrtausendwende gern verschenkte kleine Küchenhelfer, die beim Eier-Kochen mit ins heiße Wasser gegeben werden und zum gewünschten Höhepunkt der Garzeit eine muntere Melodie piepsen. Geräusche macht das Ei aus dem Adventskalender zwar nicht, aber immerhin geht es um Höhepunkte – diesmal ausschließlich denen der Herren.
Es fällt auf, dass so ziemlich alle Spielzeuge aus dem Kalender zwar lustvoll zu zweit genossen werden können, aber auch sehr gut zur Selbstbefriedigung geeignet sind. Beschränkte sich das Angebot solcher Fachartikel noch bis zur Jahrtausendwende auf eher einfache Masturbations-Hilfen, hat sich der Markt mittlerweile hin in Richtung Innovations-Kreislauf verschoben. Immer wieder gibt es neues, immer häufiger spielt Hightech eine Rolle. Das Ei? Keine Hightech, aber ein solides Hilfsmittel.
Kurz vor der Corona-Pandemie sprang übrigens die Barmer Ersatzkasse mit Elan in die Breschen und warb auf ihrer Facebook-Seite für Selbstbefriedigung als Einschlafhilfe. Unter dem Bild eines im typischen Grün gehaltenen Vibrators schrieb das Socialmedia-Team: „Masturbation hilft beim Einschlafen. Wenn du mal wieder nicht schlafen kannst, dann leg einfach mal selbst Hand an oder hol dir ein Spielzeug dazu, dann kommt der Schlaf ganz von alleine.“ Ein überraschender Schritt, ist das Thema Sex zwar in unserer Gesellschaft dauerpräsent, allerdings nicht, wenn es um Sex mit sich selbst geht. Darüber wird auch heute noch eher selten gesprochen.
Barmer-Sprecher Daniel Freudenreich kommentierte damals den Vorstoß: „Es gibt immer noch Themen, die gerne verschwiegen werden, obwohl sie die allermeisten Menschen betreffen.“ Mit dem Eintrag wolle die Krankenkasse „mit einem Augenzwinkern auf eines dieser Themen hinweisen.“
Binnen weniger Tage stieg die Zahl der Kommentare auf mehr als 5000, weitergeleitet wurde die Nachricht mehr als 4500 Mal – ein kapitaler viraler Internethit. Hunderte Kommentatoren fragten durchaus folgerichtig, ob solche Spielzeuge denn von der Kasse übernommen würden? Leider nein, hieß die Antwort. Wobei die Idee auch vom Barmer-Team begrüßt wurde.
Der erotische Adventskalender - Tag 22: Einölen und entspannen
Noch ein Massageöl - welch Überraschung. Und diesmal duftet es nicht nach Spekulatius sondern nach Winterzauber. Nun steigt doch etwas die Neugierde: Was mag das wohl für ein Duft sein? Augen zu, Nase auf – es riecht nach ... Moment ... kann das sein? Nichts? Das kann doch eigentlich nicht sein. Schnell ein Corona-Test. Der fällt negativ auf und auch der Kaffeegeruch wird noch wahrgenommen, also nochmal riechen und ... Naja, dass das Öl nach nichts riecht, muss zurückgenommen werden, wonach kann dennoch nicht gesagt werden. Irgendwie duftet das Öl kühl. Ein wenig würzig. Aber Geruch ist ja wie schon beim Spekulatius-Öl bemerkt wurde, letztlich auch nur eine reine Geschmacksfrage.
Wobei der Geruchssinn, auch wenn nichts Deutliches zu riechen ist, ja auch sehr subtile Reize aufnehmen kann. Seit den 1970er Jahren wird zum Beispiel die Wirkung von Pheromonen – Sexualduftstoffe die im Tierreich eine sehr hohe Bedeutung haben – geforscht. Dabei kam raus, dass diese körpereigenen Düfte nicht etwas nur zum Anlocken potenzieller Geschlechtspartner gedacht sind. So einfach ist die Angelegenheit nämlich nicht. Der Duft signalisiert nämlich unter anderem, ob die möglichen Partner genetisch zusammenpassen.
Der Evolutionsbiologe Claus Wedekind wieß 1995 als Erster nach, dass Gerüche unterbewusst zwei Menschen zeigen, ob für die Immunabwehr gebildet sogenannte Humane Leukozyten-Antigene (HLA) identisch oder sehr unterschiedlich sind. Wedekind ließ Männer drei Tage lang dasselbe T-Shirt tragen – Waschen, Deo und Parfüm waren tabu. Frauen durften dann den Geruch beurteilen. Dabei zeigte sich, dass die Nase die Probanden nicht trügte: Hatten Mann und Frau unterschiedliche HLA-Typen, nahm die weibliche Nase den Duft als attraktiv wahr, hatten sie einen ähnlichen HLA-Typ, wurde der Geruch als muffig beschrieben. Die Nase zeigt, also wie unterschiedlich die Gene zweier möglicher Partner sind und wie vielfältig die Erbsubstanz Des Nachwuchs sein würde. Mit jedem Unterschied wächst die Überlebenschance des Kindes.
Also Nase auf bei der Partnersuche – zumindest wenn ein Kinderwunsch besteht. Ob Spekulatius oder Winterzauber über möglichen Muff hinwegduften können, ist noch nicht geklärt.
Der erotische Adventskalender - Tag 21: Stimulation für fremde Welten
Ein Dildo? Wieder etwas für Ihn und Sie? Nicht ganz. So vertraut das Spielzeug auch wirkt, diesmal ist es tatsächlich für die Dame gedacht – steht zumindest drauf: ein G-Punkt-Vibrator. Man(n) kann das Gerät sicherlich auch für die Stimulierung aller möglichen Stellen nutzen, aber Form und Beschaffenheit wurden eigens für den sogenannten G-Punkte entworfen – und schon wird die Sache kompliziert.
Anfang 1950 beschrieb der deutsche Arzt Ernst Gräfenberg einen vaginalen Bereich, der im besonderen Maße stimulierbar sei. Nun könnte man schnell zum Schluss kommen, dass besonders Frauen seine Entdeckung schätzten, doch es war die Männerwelt die erleichtert aufatmete.
Die grob vereinfachte Rechnung: Stimuliere diese Zone und schon wird der vaginale Orgasmus funktionieren. Moment, ist Orgasmus nicht gleich Orgasmus und ist mit der Klitoris nicht eigentlich eine gar nicht so schwer auszumachende höchst sensible Stelle am weiblichen Körper längst bekannt?
Wenn es denn alles so einfach wäre. Ein Orgasmus ist ein Orgasmus oder eben keiner. Soweit so gut. Das hält sich ähnlich wie beim Thema Medizin: Entweder etwas ist Medizin weil es wirkt oder es ist eben keine Medizin. Alternative Medizin gibt es also im Grunde nicht. Dass nun streng unterschieden wird zwischen zwei Arten von weiblichen Orgasmen ist ... dreimal darf geraten werden ... eine männliche These. Es ist doch immer schön, wenn Männer Frauen erklären, wie ihr Körper funktionieren, oder?
Den Stein ins Rollen brachte einmal mehr der Entwickler (manche sagen auch Erfinder) der Psychoanalyse: Sigmund Freud. Er stellte 1905 die kecke These auf, dass junge Mädchen zunächst nur „unreife“ klitorale Orgasmen erlebten. Erst wenn sie Sex mit einem Mann hätten, würden sie sich zu „reifen“ Frauen entwickeln. Freud: "Ist die Übertragung der erogenen Reizbarkeit von der Klitoris auf den Scheideneingang gelungen, so hat damit das Weib seine für die spätere Sexualbetätigung leitende Zone gewechselt."
Achtung, männliche Logik: Frauen brauchen einen Mann, um sexuell korrekt und reif befriedigt zu werden. Das lassen wir nun mal einen kurzen Moment sacken.
Kommt Frau nicht zum Höhepunkt, hat sie also das Problem und ist nicht mental bereitet dazu, nicht der Mann ist Schuld. Eigentlich ist es doch schon haarsträubend in diesem Zusammenhang über Schuld oder Nicht-Schuld zu sprechen, oder? Na, aber es wurd' dann eben doch gemacht und natürlich folgten etliche Wissenschaftler Freuds Standpunkt.
„Mehrere Studien haben die schockierende Behauptung aufgestellt, dass Frauen, die durch klitorale Stimulation zum Orgasmus kommen, auf verschiedene Arten mental unzurechnungsfähig seien", erklärt die Sexualforscherin Nicole Prause in einer Studie zum Thema. „Diese Behauptungen sind so schockierend, da wir wissen, dass die Mehrheit der Frauen nach eigener Angabe mithilfe von klitoraler Stimulation zum Orgasmus kommt. Somit bezeichneten diese Studien die Mehrheit der Frauen als psychisch krank."
Nun sind nicht alle Herren gleichgültige Idioten, manchen liegt ja schon etwas daran, ihre Partnerin glücklich zu machen – auch schon im jahr 1950. Umso erfreuter wurde Gräfenbergs „Entdeckung“ begrüßt. Männer müssen nur den G-Punkt finden und alles ist gut. So sehr sie suchten, nicht alle wurden fündig – zumindest nicht bei jeder Frau und schon recht nicht an der immer selben Stelle. Eigentlich eine Frechheit.
Dank Freud und Gräfenberg diskutiert die Welt so nun schon seit knapp 73 Jahren darüber, wo der G-Punkt denn nun genau zu finden ist. Dabei ist die Lösung so nah: Vergessen Sie die Nummer mit den unterschiedlichen Orgasmen, vergessen Sie die Fahranweisungen auf dem Weg zum G-Punkt. Jeder Körper ist nunmal anders. Empathie und Kommunikation können helfen.
Und das Gerät hilft also nicht? Quatsch! Manche werden Freude haben, andere weniger. Manche werden den G-Punkt finden, andere nutzen es vielleicht zur Nackenmassage. Alles ist erlaubt. Viel Spaß beim Gebrauch - Hauptsache es brummt.
Der erotische Adventskalender - Tag 20: Obacht, es kann am Anfang etwas zwicken
Drei Klammern mit Kunststoffverkleidungen und drei Ketten – was haben wir denn da? Der etwas eingeschränkte männliche Blick verzögert die Erkenntnis, aber dann kommt sie aber doch: Nippelklemmen mit Klitorisklemme. Potzblitz – deswegen sind es drei Klammern. Manchmal braucht es etwas bis Mann kapiert. Wobei sich in diesem eigentlich so harmlosen Spielzeug auch direkt eine ganze Reihe von Tabus verstecken.
Sadomasochismus und Klitoris sind nicht gerade geeignet, um am Kaffeetisch diskutiert zu werden, aber das aktuell überraschend heißeste Thema: die weiblichen Brustwarzen. Zwar taugten von den frühen 1970er Jahren bis hin zur Jahrtausendwende entblößte Frauenbrüste kaum noch als Aufreger – wohl unter anderem wegen einer gewissen Dauerpräsenz in Film und Werbung. Seitdem die sozialen Medien ihren globalen Siegeszug angetreten haben, wird wieder gestritten und diskutiert. Facebook und Konsorten verfolgen nämlich eine eher us-amerikanisch geprägte Konzernpolitik. Während nackte Herrenbrüste und auch ihre Brustwarzen quasi dauerpräsent sind, werden weibliche Nippel rigoros zensiert. Wenn nur der Hauch einer Brustwarze auf einem Foto zu erkennen ist, wird es gelöscht.
Eine Spätfolge des als Nippelgate in die Mediengeschichte eingegangen Skandals rund um die Halbzeitshow des 38. Super Bowls-Football-Spiels aus dem Jahr 2004? Gut möglich. Damals traten die Musiker Janet Jackson und Justin Timberlake gemeinsam auf und das Undenkbare geschah. Zum Ende des Auftritts griff Timberlake mit einem beherzten Griff an die Korsage seiner Partnerin und legte mit einem Ruck nicht nur ihre Brust frei, sondern gleich auch noch Jacksons gepiercte Brustwarze. Gepierct! Das muss geplant gewesen sein! Zumindest war das sehr schnell die einhellige Meinung der Fernsehöffentlichkeit. Das Jackson unter einer Decke weinend das Stadion verließ ignorierte man dabei geflissentlich.
Nun sind die USA nicht gerade für ihre Zurückhaltung bei der Skandalisierung von Nichtigkeiten bekannt, was aber nach diesen wenigen Sekunden losgetreten wurde, sucht heute noch seines Gleichen: Janet Jacksons Superstar-Karriere fand letztlich ein jähes Ende.
Dabei war es nicht Timberlake der sich wenige Stunden später vor der ganzen Nation entschuldigte, sondern Janet Jackson. Timberlake faselte nur etwas von "Wardrobe Malfunction" – wohl am einfachsten zu übersetzen mit Garderobenfehlfunktion. Erst im Februar 2021 entschuldigte er sich öffentlich für sein Verhalten.
Live-Sendungen werden seitdem in den USA zeitversetzt gesendet, Jacksons folgende Alben floppten (für ihre Verhältnisse) und weibliche Brustwarzen werden noch heute von den US-Medien eher wie Genitalien behandelt, sprich niemals gezeigt. Männliche sind selbstredend in Ordnung. Komische Welt.
Der erotische Adventskalender - Tag 19: Darf es etwas Perlgenopptes sein?
Ganz ehrlich, damit war nun wirklich zu rechnen. Fünf Tage vor dem finalen Türchen kommt etwas zum Vorschein, dass auch locker aus einem Tankstellenautomaten stammen könnte: ein Silikonsleeve mit Noppen. Wäre keine Beschreibung dabei, es fiele schwer, überhaupt zu sagen, was es mit diesem kleinen fingerlangen Gummi-Ding auf sich hat. Irgendwie ist es die erste echte Enttäuschung. Oder lohnt sich sowas? Wahrscheinlich schon, halten sich doch schon seit dem Boom der frecheren Kondom-Marken ab den frühen 1990er Jahren auch perlgenoppte Kondome in den Drogeriemarkt-Regalen – irgendwer wird sie also schon kaufen.
Apropos Kondome: Ist es nicht toll, wie unverkrampft mittlerweile der Kauf eines Präservativs umgesetzt werden kann. Es gab Zeiten, in denen das definitiv nicht so war. Verstohlen schlich man sich in die Apotheke oder – wer sich traute – in ein Fachgeschäft und dann kam Hella von Sinnen mit einem Werbespot um die Ecke, der bis heute nachhallt. Kein Wunder, hat sich der Satz „Rita - wat kost’n die Kondome?“ doch 1989 in das kollektive Gedächtnis der Wendezeit eingebrannt.
Der Clip wurde damals für die Präventionskampagne „Gib Aids keine Chance“ gedreht – eine der Ersten Ihrer Art. Von Sinnen spielt eine beherzte Kassiererin. An der Kasse sitzend steht plötzlich ein verdruckster Kunde – übrigens gespielt vom jungen Ingolf Lück – vor ihr. Zwischen einer Stange Lauch und einem Baguettebrot versucht er noch ganz unauffällig ein Päckchen Lümmeltüten auf dem Band zu verstecken. Aber wie das so ist, fehlt der Preis. Ungeniert brüllt die Kassierin dann den legendären Satz. Lück versinkt im Boden. Doch bevor Rita überhaupt antworten kann, Antwortet eine fesche Blondine ungeniert: 3,99. Eine ältere Dame korrigiert: „Nein, 2,99. Sind im Sonderangebot.“
Aus heutiger Sicht wirkt das alles unfassbar naiv und durchaus auch charmant, doch damals diskutierte das ganze gerade auf die Wiedervereinigung zusteuernde Land darüber. Doch die Aussage kam wie wir heute wissen an: Es gibt keinen Grund zur falschen Scham – Kondome schützen. So erfolgreich, so kurios: Wer sich nun sofort auf Youtube begibt und nach dem Spot sucht, wird stutzen: Rita? Wer ist Rita? In allen heute noch zu findenden Versionen wird doch immer eine Tina angesprochen?
Richtig. Kurz nach der ersten Ausstrahlung fiel wohl jemanden in Bonn auf, dass der Ruf nach Rita irgendwie falsch verstanden werden könnte, hieß doch die damalige Gesundheitsministerin Rita Süssmuth. In Windeseile wurde nachsynchronisiert auf Tina, denn der Suüssmuth wollte wirklich niemand gegen den Karren fahren, war sie doch schließlich diejenige, die den Ernst der Lage erkannt und sich gegen das kohlsche Kopf in den Sand stecken durchsetzte. Sie sorgte dafür, dass die Bundesregierung endlich auf die HIV-Krise reagierte. Dafür auch heute noch: Danke Rita.
Der erotische Adventskalender - Tag 18: Die Kunst hat zum Erfolg geführt
Manschettenknöpfe! Falsch. Ein Manschettenknopf. Nochmal falsch – das kleine silberne Ding, dass diesmal aus der Adventsbox gezogen wird, ist ein Metall-Analplug mit Kristall. Der vermeintliche Kristall entpuppt sich zwar als Acryl, aber aus Metall ist das kleine Spielzeug tatsächlich. Wer nicht weiß, was damit anzufangen ist: Es soll auf angenehme Weise den Anus nach Einführung entspannen und dehnen.
Es ist schon auffallend, dass nun bereits zum vierten Mal ein Anal-Spielzeug im Kalender zu finden ist. Offensichtlich scheint hier ein altes Tabu doch langsam aber sicher gefallen zu sein. Ist das so? Spricht man heute freier über dieses Thema?
Es scheint fast so. Zumindest findet sich der Buttplug – so der Fachbegriff – schließlich auch immer häufiger im öffentlichen Raum wieder. Zu behaupten, dass das oft passiert, wäre übertrieben, aber es passiert eben. Die niederländische Stadt Rotterdam stritt über viele Jahre darüber, was sie mit Paul McCarthys Bronzeskulptur Santa Claus anstellen soll. Der Volksmund hat der Plastik einen recht treffenden beschreibenden Namen gegeben: Kabouter Buttplug (frei übersetzt: Hutzelmännchen Popo-Stecker).
2001 gekauft und bestellt, ausgeliefert und dann erstmal im Archiv eingemottet, wurde die sechs Meter hohe Plastik, mit der McCarthy auf das wunderliche Verhältnis von Kitsch, Prüderie und Konsum aufmerksam macht, erst nach sieben Jahren und vielen Diskussionen auf dem Eendrachtsplein aufgestellt. Wo das Problem lag? Ganz in schwarz stellt das Werk einen munter dreinschauenden Weihnachtsmann dar, der triumphal einen Buttplug in die Höhe hält. Flüchtig gesehen, könnte der auch ein Weihnachtsbaum sein, ist er aber nicht.
Immerhin steht der Kabouter nun, das Werk „Tree“ hat es in Paris nicht so lange ausgehalten. Der schalkhafte Künstler lieferte 2014 eine 24 Meter hohe aufblasbare vermeindliche Weihnachtsbaumskultur für den Place Vendôme aus. Sie ahnen es schon: es war ein gigantischer grüner Buttplug. Nur zwei Tage nach dem sie aufgeblasen wurde, gab es einen Anschlag. Der „Tree“ fiel in sich zusammen und das war es schon. McCarthy weigerte sich die Skulptur zu restaurieren.
Auch wenn „Tree“ nur zwei Tage stand, die Wirkung des Werks hallte nach. Laut dem Betreiber eines Pariser Sexshops seien die Verkaufszahlen für Plugs in der Zeit regelrecht explodiert. Während er bisher etwa 50 Exemplare hauptsächlich an homosexuelle Männer verkaufte, gingen bei ihm im November 2014 mehr als 1000 Buttplugs über die Ladentheke – in gleichen Anteilen verkauft an Männer und Frauen. Kunst kann alles.
Der erotische Adventskalender - Tag 17: Jetzt mal alle tief einatmen, es geht um Kunst
Wieder ein Fläschchen, wieder etwas zum Gleiten: Im Adventskalender gab es heute ein Anal-Relax-Fluid. Kein Gel, keine Entspannung, nein, hier wird mit einem Erlebnisfluid relaxed. Nun kann man sich freilich stundenlang über Anglizismen in Produktnamen auslassen, aber die Gedanken schweifen und landen bei Jeff Koons – jenem US-amerikanischen Künstler, der wie kein anderer die Grenzen zwischen Kitsch, Kunst und in den 1990er Jahren auch Pornografie verschwimmen ließ.
Koons schuf 1991 nämlich für die Serie „Made in Heaven“ die wohl teuerste, prominenteste und expliziteste Darstellung von Analverkehr, die es jemals auf den internationalen Kunstmarkt geschafft hat. Ein Phänomen aus heutiger Sicht, wird die öffentliche Erinnerung an das koonsche Werk doch vor allem von überdimensionierte Plastiken von Luftballontieren, Blumen oder auch Michael Jacksons Schimpansen Bubbles dominiert. Das alles gab es damals auch schon und sogar noch viel mehr, aber der Weg, den Koons 1991 einschlug, konnte niemand vorausahnen.
Frisch verheiratet mit der ungarisch-italienischen Politikerin und Pornodarstellerin Ilona Staller – besser bekannt als Cicciolina – wagte er sich auf neues Terrain: Koons und Staller beim Liebesakt. Kitschig blieb der explizit dargestellte Geschlechtsverkehr und der tabulose Austausch von Zärtlichkeiten, aber er war eben auch irgendwie neu. Riesige Fotos zeigten das zügellose und lustvolle Geschehen bis ins letzte Detail. Nicht um zu schockieren, wie Koons stets beteuerte, sondern um in der bewussten Provokation die Schönheit des Dargestellten zu offenbaren. Irgendwie fast schon romantisch. Koons und Cicciolina als Adam und Eva und das alles irgendwie verknüpft mit der Ursünde. Keck.
Zwei Siebdruckarbeiten widmeten sich dem Analverkehr - naja, sie zeigten den Analverkehr: Red Butt Distance und Red Butt Close Up. Dass Koons nicht mit Fackeln und Heugabeln aus New York vertrieben wurde, dürfte in Teilen auch daran liegen, dass er sich ja mit seiner Gattin darstellte – weite Bevölkerungsgruppen der USA legen auf solche Details ja heute noch Wert. Apropos heute: 30 Jahre nach diesem Tabubruch sind beide Arbeiten wieder etwas in Vergessenheit geraten. Während das Doppelporträt Distance 2000 für 369 000 US-Dollor bei Christie‘s versteigert wurde, konnte das Detail-Pendant Close up im selben Auktionshaus 2005 immerhin 520 000 Euro erzielen.
Stolze Preise? Für andere Künstler schon, aber Koons kann es besser. Seine silberne Kaninchenskulptur Rabbit hat 2019 bei einer Auktion 99,1 Millionen Dollar erzielt und hält damit den Rekordpreis für ein Werk eines lebenden Künstlers. Macht sich auch irgendwie besser im Flur und ist um vieles unverfänglicher als die Arbeiten von 1991.
Der erotische Adventskalender - Tag 16: Schuld ist nur ein Kölner Komponist.
Es ist irgendwie erstaunlich, wie klein Kleidungsstücke gefaltet werden können. Ein ganzes Dessous-Stück passte in die heutige Adventsbox – eine der winzigsten, die im ganzen Kalender zu finden ist. Etwas fester zusammengepresst und das Teil würde locker Platz in einem handelsüblichen Portemonnaie finden. Das liegt nun nicht unbedingt daran, dass dieses feine erotische Kleidungsstück aus den neusten Innovationen des Textilmarktes gefertigt ist, eher das Gegenteil ist der Fall. Letztlich ist dieses Dessous eine Netzstrumpfhose für den ganzen Körper – umhüllend, aber definitiv nichts bedeckend.
Netzstrümpfe gibt es schon eine ganze Weile. Erfunden wurden sie um 1890 in Frankreich. Wer als Erstes auf die Idee kam, Beine oder Füße in einem Hauch von nichts zu hüllen, ist nicht bekannt. Aber man weiß, wodurch die Netzstrümpfe ihren Siegeszug durch die Welt antraten. Der Cancan in Paris ist schuld. Dieser Klassiker des erotischen Tanzes im 2/4-Takt entstand um 1830 in der Seine-Metropole. Weltberühmt wurde er aber erst ein paar Jahre später. Das wohl berühmteste Stück, das noch heute nicht nur im sündigen Moulin Rouge gespielt wird, komponierte nämlich Jacques Offenbach für seine Operette Orpheus in der Unterwelt, die 1858 Premiere feierte. Das Lied kam, das Lied wurde millionenfach nachgespielt und schon war die Welt eine andere.
Nun war zwar selbst das Paris des 19. Jahrhunderts noch nicht sofort bereit dafür das anrüchige Beinchenschwingen bestrumpfter Damen sofort als Kulturgut zu akzeptieren, 150 Jahre später fällt es heute aber schwer, sich das Geschehen auf der Bühne vor Augen zu rufen, ohne zumindest auch ein Paar Netzstrümpfe zu imaginieren. Die kecke Schlussfolgerung: ohne Offenbach keinen Cancan, ohne Cancan keine Netzstrümpfe, ohne Netzstrümpfe ... Nicht auszudenken, was aus der Welt ohne den Kölner Komponisten und Wahl-Pariser geworden wäre.
Der erotische Adventskalender - Tag 15: Der (zweifelhafte) Duft der großen weiten Welt?
Das Geschenk hinter dem fünfzehnten Türchen: ein kleines Fläschchen mit Massageöl in der Duftsorte Spekulatius. Das muss ich erst mal sacken lassen. Keksöl? Wirklich? Ist mein Horizont denn so begrenzt, dass ich mich sofort frage: Wer will denn das? Gut, es gibt einige Länder, in denen Spekulatius nicht nur als winterliche Saisonware wahrgenommen wird, so halten es etwa die Niederlande und Belgien, wo in beiden Fällen der Ursprung dieses Würzgebäcks vermutet wird. Dort gibt es das ganze Jahr über die würzigen Mürbeteigkekse. Selbst in den über Jahrhunderte gebeutelten ehemaligen Kolonien wollen die Menschen die kleinen Gewürzbomben gleich zwölf Monate am Stück genießen und schmieren sie sich sogar als mehr oder weniger knusprigen Aufstrich aufs Brot, aber das alles ist doch noch lange kein Grund dafür, selber nach Spekulatius duften zu wollen, oder?
Freilich ist das Geruchsgedächtnis eine bemerkenswerte Einrichtung: Nur der Hauch eines Geruchs in der Nase kann ebenso wie ein konkreter Geschmack selbst frühste Kindheitserinnerungen wecken. Einfach so. Einmal gerorochen, einmal geschmeckt und schon wird erinnert. Schrieb nicht schon Marcel Proust in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: „In dem Moment, als dieser mit Kuchenkrümeln gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das in mir vorging.“ Nun ging es bei Proust zwar nur um unschuldige Besuche bei seiner Tante auf dem Land und nicht um amouröse Begegnungen, aber schon die Literatur zum Anfang der vergangenen Jahrhundertwende wusste ob der Macht dieser Sinne.
Wer also seine ersten sexuellen Erfahrungen nach oder sogar bei einem Kaffee im Advent in den Benelux-Staaten gesammelt hat, oder mit der jüngsten Reise durch Indonesien erotische Abenteuer verbindet, der könnte durchaus von dem Öl irgendwie beflügelt werden, ich verbinde mit dem Duft vor allem eines: Oma an Weihnachten. Während oder noch schlimmer nach einem schönen, wilden und entspannenden Schäferstündchen nach Keks riechen zu wollen, klingt für mich doch arg exotisch.
Der erotische Adventskalender - Tag 14: Alles eine Frage der Größe.
Was um alles in der Welt haben drei Dichtungsringe in einem erotischen Adventskalender verloren? Nichts. Allerdings sind die Silikon-Ringe auch nicht zum Abdichten von Rohren gedacht, sondern haben eine ganz andere Funktion. Nein, J.R.R. Tolkien hat mit diesem Spielzeug auch nichts zu tun, auch wenn sich in der Box drei dieser Ringe verstecken – sie sind nicht für die Elbenkönige hoch im Licht bestimmt... wirklich nicht.
Vielmehr sollen diese Kunststoffringe, sprechen wir es diesmal doch ganz frei aus, beherzt über den Penis gezogen werden. Niemand muss die weite Reise nach Mordor aufnehmen, der Ringträger darf sich ganz einfach auf eine Stauung des Bluts in den Schwellkörpern freuen – fürs Durchhaltevermögen aber auch für einen intensiveren Orgasmus. Für etwas das so viel vergnügen bereitet klingt das Wort Penisring schon doof, oder? Vielleicht ist hier ausnahmsweise mal ein Anglizismus etwas mehr sexy: Cockring. Klingt doch gleich besser, oder?
Dass in dem Kalender gleich drei dieser Helferchen liegen, dürfte nicht der Großzügigkeit des Herstellers zu verdanken zu sein, sondern ist einfach eine Frage der Passform. Auch wenn in anderen Zusammenhängen gern behauptet wird, dass Größe nicht zählt, sondern nur die Technik, geht es um Cockringe ist der Durchmesser von entscheidender Wichtigkeit.
Ist so ein Ring nämlich zu eng, kann das nicht nur unangenehm, sondern im schlimmsten Fall auch wirklich gefährlich werden. Freilich ist das Risiko bei Silikonringen deutlich kleiner als bei solchen aus Metall, aber im Eifer des Gefechts kann es auch mit leicht durchschneidbarem Material schnell sehr, sehr, sehr unangenehm werden. Und anders als bei einem Ehering, der mit den Jahren etwas eng geworden ist, hilft da auch das beste Schmiermittel nicht mehr weiter, um den Ring wieder loszuwerden.
Auch wenn sich also niemand mit den Dingern gen Schicksalsberg aufmachen muss, ist Vorsicht angeraten, damit das Geheule des Ringträgers nicht mindestens so groß wird wie das Frodos, auf dem Weg durch die Totensümpfe.
Der erotische Adventskalender - Tag 13: Stilvoll ins kommende Rollenspiel?
Keine feine Brüsseler Spitze, aber auch kein Karnvevals-Artikel – irgendwie wirkt die Maske, die sich hinter dem heutigen Türchen verborgen hat, überraschend stilvoll. Oder liegt das nur an dem (pop-)kulturellen Unterbau, den so ein Kleidungsstück nun mal wie kein anderes mit sich bringt? Ob Harnes oder Lederhose, Spitzen-Büstenhalter oder Korsage in puncto gediegener Erotik dürfte kaum ein anderes ErotikAccessoire mit einer ähnlichen Grandezza aufgeladen zu sein, wie eine feine kleine Maske. Arthur Schnitzlers Traumnovelle lässt grüßen.
Nicht gelesen? Schnell nachholen! Vielleicht ist dieses schmale Bändchen genau das richtige für die Zeit zwischen den Jahren. Erzählt wird eine Nacht und der folgende Tag im Leben des Wiener Arztes Fridolin und seiner Ehefrau Albertine. Ungestilltes erotisches Begehren, gefährliche Begierden und ein Maskenball stellen die beiden vor Probleme. Geht es etwas konkreter? Eigentlich nicht – der Band ist eh so schmal, dass wirklich nichts vorweggenommen werden sollte. Nur eins: es dreht sich viel um die Symbolik von ... genau: Masken.
Stanley Kubrick nahm sich Schnitzlers Novelle als grobe Vorlage für seinen letzten selbst vollendeten Film „Eyes Wide Shut“ und ließ Nicole Kidman mit ihrem damaligen Gatten Tom Cruise genussvoll lieben, leiden und begehren – beiden stehen die Film-Masken übrigens vortrefflich. Kritiker und Publikum können sich bis heute nicht ganz drauf einigen, ob Kubricks Masken-Reigen nun ein großer Wurf war oder doch nur eine aufgeblasene Maskerade. Gewonnen hat aber auf jedenfall die Maske an sich. Sie ist seit „Eyes Wide Shut“ die unbestrittene Kaiserin des erotischen Accessoires.
Tag 12: Ich habe drauf gewartet: Jetzt wird es hochwertig - ein Satisfyer „Men One“ kommt aus der Box. Riesig, schwer und hochwertig liegt diese Masturbationshilfe in der Hand. Ein echter Brocken. Braucht der Herr von Welt sowas? Ja, wenn er wert drauf legt in dieser oder ähnlicher Weise stimuliert zu werden schon, denn die Alternative zu der seit Jahrzehnten laut Ärzten immer wieder die Männer greifen sind gelinde gesagt selbstzerstörerisch – Stichwort: Morbus Kobold.
Noch nie gehört? Mit Morbus Kobold bezeichnet der Münchener Urologe Michael Alschibaja Theimuras in seiner 1978 veröffentlichten Doktorarbeit ein typisches Verletzungsmuster das bei Männern nach falsch gelaufenen Masturbationsversuchen zu beobachten war. Der Titel der Arbeit reicht aus, um Angst und Schrecken zu verbreiten: Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern. Na, haben die geneigten Lesenden schon eine Gänsehaut? Theimuras führt einleitend die Gründe für sein Thema auf: „Eine Reihe von Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern, die im Laufe der letzten Jahre am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München zur Behandlung kam, gab Anlass zu einer eingehenden Untersuchung dieses Problems, zumal in der Literatur bisher noch keine zusammenhängende Darstellung zum obigen Thema erschienen war.“
Übrigens ist diese Arbeit wohl eine der wenigen, die noch nach 40 Jahren im Buchhandel bestellbar ist und verlegt wird. Das muss man mal schaffen.
Zum dritten Advent wird es fast etwas brav: Ein kraftvoller Mini-Massager versteckt sich in der Box. Ja, ja, kennen wir alles – es brummt, es befriedigt und es ist praktisch klein und passt in jede Tasche. Zugegeben, die Vibrationsflut reißt nicht ab, aber ein bisschen anders ist das kleine Ding schon. Während nämlich alles Brummende, was wir bisher aus dem Kalender raus holten, mehr oder weniger für die innere Anwendung gedacht war, weißt die Packungsbeilage diesmal ausdrücklich darauf hin, dass der Mini-Massager ausschließlich für die äußere Anwendung gedacht ist.
Stammte das kleine Ding nicht aus einem Erotikprodukt, wäre es tatsächlich auch im Design so unauffällig, dass es aus in jedem gängigen Drogeriemarkt-Regal stehen könnte. Wobei das Angebot in diesen Märkten nicht vergleichbar ist mit dem vor der Jahrtausendewende. Wir leben in einer anderen Welt.
In meiner Jugend gab es keine Auswahl, keine Cremes, kein Zubehör und schon recht keine Vibratoren. Heute gibt es mit etwas Glück gleich eine ganze Auswahl in Form von Delfinen, Teufelchen, Obst und sogar Gemüse. Nun darf jeder berechtigt die Frage stellen warum Delfine? Ich frage zurück: warum nicht. Ist es nicht eine kulturelle Errungenschaft, ist es nicht schön in einer Welt zu leben, in der erotisches Spielzeug nicht nur alle möglichen und erdenklichen Formen haben kann sondern auch ganz schamlos im Supermarkt verkauft wird? Schon schön.
Kann es sein, dass wir wirklich Mottotage haben: Wieder gibt es etwas Vibrierendes, aber die Form lässt es schon erkennen. Ws ist endlich mal deutlich für den Herrn und die Dame: ein kleiner Kugelvibrator für den Analbereich. Wieso das ausgerechnet zu erkennen ist? Ganz einfach: am Knick.
Der hat nämlich letztlich nicht nur das Ziel den empfindlichen Dammbereich mit zu stimulieren, er erfüllt auch einen viel wichtigeren Zweck: das Gerät soll schön da bleiben wo es ist. Brummende Dinge wandern. Legen sie mal einen alten Nokia-Telefonknochen mit Vibrationsfunktion auf eine Glasplatte und schalten ihn ein. Er wird schnell auf Wanderschaft gehen und das will letztlich niemand. Die Chance, dass das Gerät dann vergessen wird, ist zwar gering aber es sollen sich ja bekanntlich schon Pferde vor Apotheken übergeben haben.
Apropos Vibration und Telefone – eine Umfrage der Agents of Ishq, einer indischen Internetplattform rund um die Themen Sex, Liebe und Beziehung, brachte kurios zu Tage: die alten Nokia-Telefone sind wohl beliebte Begleiter und sehr unauffällig im Nachtisch. Wie? Okay - sprechen wir es deutlicher aus: von 100 Frauen die an der Befragung teilnahmen gaben 17 an, dass sie ihr altes Telefon mitunter gern zum Vibrator umfunktionieren, dicht gefolgt von der elektrischen Zahnbürste. Die wiederum dürfte aber in der Nachttischschublade doch etwas auffälliger sein.
Ärzten und Nothelfern gehen gerade die Nackenhaare hoch. Liebe Lesenden, sehen Sie ab von der Umnutzung von Haushaltsgegenständen und unterstützen sie den regionalen Erotikfachhandel – oder zumindest die Anbieter im Internet – mit dem Kauf von Profiwerkzeug.
Der erotische Adventskalender - Tag 9: Wofür ist das denn da?
Ein kleiner blauer Gummiball mit einer weißen Kunststoffspitze ist das Geschenk des Tages. Und? Sofort gewusst was das ist? Die Farbe erinnert etwas an ein medizinisches Produkt: Krankenhauskittel haben diese Farbe und auch manch Sanitätshaus schmückt sich mit ihr. Richtig, stimulieren oder aufheizen soll dieses kleine Zubehör nicht, dabei ist es so überraschend praktisch und wichtig: es ist eine Analdusche.
Die gibt es in zwei gängigen Versionen: einmal als Aufschraubaufsatz für die Dusche und eben als handliches quasi überall einsetzbares Gummibällchen. Wasser aufziehen ... ich denke die Funktionsweise erklärt sich von selber. Was für eine Designhöhepunkt – die perfekte Umsetzung von Form folgt Funktion.
Ich bin nicht überrascht, dass sich dieser Reinigungsball in dem Kalender befindet. Galt Analverkehr in der heterosexuellen Gesellschaft noch in den 1980ern als letztes Tabu, über das wirklich nie gesprochen wurde, entdeckte die sexuelle Befreiung der 1990er Jahre das Thema für sich. So richtig kam niemand mehr dran vorbei. In der Serie Sex and the City wurde drüber gesprochen, Zeitschriften und Magazine gaben Ratschläge und ganz plötzlich hatte der Analverkehr zwischen Mann und Frau die dunkle Gegenwelt der Pornografie verlassen und siehe da: der Duschball zog in die bundesdeutschen Badezimmer ein.
Nicht in jedes, auch nicht in jedes zweite, aber in so mancher Allibert hatte dann doch plötzlich so ein kleiner Ball drin. Stop. Hört auf zu lachen ihr jungen Leute: Allibert ist nichts obzönes. Ältere Menschen nennen noch heute ihre Spiegelschränke so. Gleiches Ding wie Tempo und Taschentücher.
Tag 8: Und schon wieder werde ich gedanklich in die 1990er Jahre zurückkatapultiert. Eine kleine Lederpeitsche versteckte sich nämlich heute in dem Kalender. Natürlich keine echte Lederpeitsche – das gesamte Spielzeug wurde aus Polyurethan hergestellt. Polywie? Und was hat das alles mit dem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends zu tun? Drei Wörter: RUF – MICH – AN.
Wer hat noch augenblicklich das Bild einer etwas blassen, unmotiviert geschminkten und in auf absolute selbstaufgabe deutendes Billig-Leder gehüllten Dame vor Augen? Mit dezent leerem Blick schaut sie gekonnt etwa einen Millimeter zu weit an der Kamera vorbei, schwingt leidlich engagiert eine Peitsche und schlägt sie dreimal gen Erdmittelpunkt und mit jedem Schlag spricht sie eines der drei magischen Wörter: RUF – MICH – AN.
Ja? Sie erinnern sich? Glückwunsch. Sie haben gewonnen (natürlich nur symbolisch) und ganz offensichtlich im Jahr 1997 viel zu spät – wohl mitten in der Nacht – Dauerwerbesendungen laufen lassen. Na, fühlen Sie sich erwischt? Warum blieb ausgerechnet diese Werbung für eine Telefon-Sex-Hotline so gut in Erinnerung? Es gab Tausende. Alle waren im Grunde gleich. Was ist an dieser Dame so gut, dass 25 Jahre später sogar junge Menschen diesen einen Werbe-Clip aus dem Internet kennen?
Ich kann es Ihnen sagen: Es ist die irritierende Unstimmigkeit zwischen der Inszenierung, der unprofessionellen Schauspielerin und der – hier kommt der eigentliche Zauber her – wirklich erstaunlich schlechten aber dafür umso charmanteren Synchronisierung.
Warum die Dame nachgesprochen werden musste ist letztlich nicht bekannt, aber schauen Sie sich den Clip mal auf YouTube genau an. Ach was - hören Sie ihn sich an. Hören Sie mit allem Wohlwollen das sie aufbringen können zu. Wenn Sie absolut nicht wollen müssen Sie auch nicht hinschauen. Einfach hinhören: RUF – MICH – AN. Diese Stimme, diese Stimme ist doch unwiderstehlich, oder? Nein - sie ist nicht erotisch. Ganz sicherlich nicht, aber sie hat das gewisse Etwas. In Ihr schwingt etwas Artifizielles mit. Sie versprüht in ihrer Künstlichkeit einen Zauber, der sonst nur in einem Kraftwerk-Song besser und verführerischer zu finden ist.
Die Kling-Klang-Studios in Düsseldorf mögen mir bitte verzeihen oder sich bei mir melden: RUF - MICH - AN.
Der erotische Adventskalender - Tag 7: Die Box ist vielversprechend aber irritierend leicht. Kein Wunder, selbst die Massagekerze von Tag eins dürfte schwerer sein, als das kleine Spielzeug, dass heute zu finden ist: ein schwarzer Federkitzler. Es ist doch schon kurios, wie vielfältig die Möglichkeiten der sexuellen Erregung doch sind. Während manch Kalenderbesitzer vielleicht wohlig juchzt beim Gedanken an den ersten Test, schaudert es mich zum ersten Mal wirklich beim Öffnen eines Türchens – dabei bin ich nicht mal besonders kitzelig.
Die Forschungslage ist übrigens unübersichtlich wenn es um das Thema Kitzeln geht. Schon Charles Darwin versuchte diesem wunderlichen Gefühl zwischen Wonne und Qual auf den Grund zu gehen, kam aber nicht so richtig voran. Er ging davon aus, dass Kitzeln immer etwas mit sozialen Gefügen zu tun habe. Kitzle ein Fremder ein Kind ohne Vorwarnung und überrasche es, bestehe die Reaktion wahrscheinlich aus Rückzug oder Missvergnügen statt Lachen und Jauchzen, das in anderen Fällen zu erwarten sei. Darwin vermutete so auch, dass Kitzeln nur dann wirksam sei, wenn der genaue Punkt des Kitzelns nicht bekannt sei, ergo sei Selbstkitzeln nicht möglich. Moment, kann das stimmen? Berühre ich versehentlich meinen Fuß, fühle ich mich gekitzelt. Wirklich. Gut, der Zeitpunkt ist mir dann nicht bekannt, aber ich war es doch selber? Die Wahrheit liegt wie so häufig wohl irgendwo in der Mitte.
Versuche mit Kitzel-Robotern – auch das gibt es wirklich – die von den Probanden selber gesteuert werden zeigen, dass Selbstkitzeln sehr wohl möglich ist, aber eben der Zeitpunkt, genau wie es Darwin vermutet hat, eine Rolle spielt. Kitzelt der Roboter mit Verzögerung, empfinden die Versuchspersonen den Reiz als deutlich stärker.
Und überhaupt: Lust und Leid liegen beim Kitzeln eh nah beinander – auch das zeigt die Forschung. Ist halt alles Geschmackssache. Die amerikanische Psychologin Christine Harris hat gekitzelte Versuchspersonen fotografiert mit dem Ergebnis, dass ihre Gesichtsausdrücke frappant denen von Gequälten gleichen.
Wer sich übrigens nun verzückt von der Idee eines Kitzel-Roboters auf die Netzrecherche begibt, kann gleich wieder aufhören. Die gibt es wohl noch nicht als Serienprodukt. Es soll aber findige Bastler geben, die aus einfachen Kinder-Spielzeug-Sets mit bunten Steinen und ein bisschen Elektronik wahre Wunderwerke der Technik entwickelt haben. Do it yourself.
Der erotische Adventskalender - Tag 6: Mit Abstand die bisher größte Box gibt es zum Nikolaustag. In ihr versteckt sich ein Gerät, das, wäre es nicht in einem Erotikkalender untergebracht, auch durchaus für eine hypermoderne Spaghettizange gehalten werden könnte. Ein Blick in das Kalenderbegleitheft klärt allerdings auf: es ist ein Multifunktionsvibrator. Welche Funktionen sich wohl unter der durchaus handschmeichelnden Kunststoffbeschichtung verbergen? Lassen wir die Kirche im Dorf: das Gerät kann brummen. Das aber anscheinend ziemlich gekonnt.
Stolze drei Motoren treiben den Tausendsassa an. Die Form wiederum lade laut Hersteller zu zahlreichen Anwendungen ein. Moment, wozu braucht ein Vibrator drei Motoren? Na, er ist quasi das Smarttelefon unter den Sex-Spielzeugen.
Ob die einzelnen Ärmchen oder auch der Griff, alles in dem Gerät kann vibrieren, alles einzeln angesteuert werden. Stolze 33 Anwendungsmöglichkeiten kommen da zusammen. 100 verschiedene Brummvariationen und ein um 180 Grad drehbarer Kopf machen die Entscheidung sicher nicht leicht. Das erinnert irgendwie an die Zeit, in der die dicken Knochen-Telefone von ihren flachen Nachfolgern verdrängt wurden.
Sie könnten alles, wurde damals versprochen: Internet, Fotos, Textverarbeitung, Musik, Navigation, Spiele und sogar Telefonate. Und das Versprechen wurde auch eingehalten, doch zu welchem Preis. Brauch ich wirklich einen Heim- und Arbeitscomputer im Hosentaschenformat? Für die Arbeit ist das schon praktisch. Ja, das Argument zählt – zumindest für die Arbeit ist es praktisch. Und sonst?
Eine schwierige Angelegenheit. Natürlich ist es mal schön ein Gerät zu haben, das soviel kann, doch die absolute Reizüberflutung kommt eben auch gratis mit hinzu. Gar nicht zu reden davon, dass ja auch die Bedienung aller Funktionen erst mal gelernt sein will. Manchmal wünscht man sich zurück in die gute alte Zeit, in der die Technik nur ihre eigentlichen Kernaufgaben erfüllte. Manche Geräte sollen halt dann doch in erster Linie nur eine Sache können: telefonieren oder vibrieren.
Moment: Smartphones können auch vibrieren? Jetzt wird es kompliziert. Ich muss mal schnell nachschauen, ob in dem Multifunktionsvibrator ein Schlitz für eine SIM-Karte zu finden ist.
Der erotische Adventskalender - Tag 5: Sollte der Kalender nicht eigentlich alle Geschlechter ansprechen? Gut, schon die gestrige Lingerie warf Fragen. Angesichts des Fläschchens „Orgasmusgel – Intensiviert die Befriedigung der Frau“ zweifel ich langsam daran, wer hier in den Mittelpunkt gestellt wird. Aber dann nun halt eben ein Gel für die Dame.
Ich höre schon die ersten Männer „Hoho - brauchen wir nicht“ rufen und schon setzen sie zum Schenkelklopfen an – nein, die eigenen. Verflixt nochmal - das ist eine seriöse Adventskalender-Kolumne. An die Herren: Jetzt reißen wir uns alle mal zusammen und schauen auf die für sie nicht allzu schmeichelhaften Fakten. Jemals von der Orgasmus-Gap gehört?
Konkrete Zahlen sind schwer zu nennen, je nach Studie variieren die extrem, einig sind sich aber wohl alle Statistiker und Forscher, dass es einen ziemlich großen Unterschied gibt zwischen der Häufigkeit eines Orgasmus bei Männern und Frauen gibt. Wissenschaftler erheben Jahr für Jahr Daten zur Orgasmus-Lücke zwischen Mann und Frau. Mal mit dem Ergebnis, dass nur 20 Prozent aller Frauen beim Sex mit ihrem Partner einen Höhepunkt erreichen, dann wieder sind es schon wieder 49 Prozent.
Die Herren der Schöpfung rangieren in fast jeder Erhebung im oberen Bereich und kommen nach eigener Aussage eigentlich immer. Ausnahmen zählen sie vielleicht nicht mit oder geben sie nicht gern zu? Männer halt.
Interessant bei diesen Studien: Ebenso sicher wie die unterschiedlichen Orgasmus-Quoten beim partnerschaftlichen Sex, ist, sind die Angaben der Frauen in Sachen Selbstbefriedigung: Da klappt es nämlich mit dem Höhepunkt. Fazit: Männer flunkern und sollten Technik überdenken oder vielleicht doch auf ein Orgasmus-Gel setzen.
Das Orgasmusgel sollte übrigens nicht beim Schwangerschaftswunsch zum Einsatz kommen, schreibt der Hersteller. Zwar sei kein Spermizid drin, aber Ärzte rieten zum sparsamen Einsatz von Gleitmitteln falls empfangen werden soll.
Und wieder etwas Neues gelernt.
Türchen, Tag 4: Zugegeben das feine Stück Lingerie, das uns im vierten Böxchen erwartet hat, mag an der richtigen Person mitunter gut aussehen, ohne das es jemand angezogen hat, erinnert es aber frappant an einen nachhaltigen Einkaufsbeutel. Wer trägt denn bitte sowas?​
Okay – einen Schritt zurück. Was unterscheidet denn eigentlich Lingerie von schnöder Unterwäsche? Laut Doktor Wiki bezeichnet Lingerie, Kleidungsstücke, die dazu dienen können, den Geschlechtspartner sexuell zu erregen oder auch die eigene Eitelkeit zu befriedigen. Auf die sexuelle Erregung wäre ich ja noch selber gekommen, aber welch’ weise feine Betrachtung hat sich denn da in den Nebensatz geschlichen? Die eigene Eitelkeit? Ist sie nicht letztlich immer an allem Schuld? ​
Zurück zum Netz – äh – zurück zur Reizwäsche. Wo waren wir? Stimmt, bei der Frage, wer den so etwas trägt? Gehen wir mal davon aus, dass dieser Hauch von Nichts eher für die Dame als für den Herren gedacht ist. Aber wir haben 2022, die Gesellschaft hat sich verändert, gehen wir einfach mal davon aus, dass wir es mit einem Stück Unisex-Lingerie zu tun haben, letztlich ist die Frage auch unerheblich, wichtiger ist: Wie kommt man denn da rein? Gibt es einen Einstieg oder darf sich jeder selber aussuchen, an welcher Stoff freien Stelle er/sie reinschlüpft? ​
Die Entscheidung wird nicht leicht fallen, besteht das Kleidungsstück – wenn es denn überhaupt als solches bezeichnet werden darf – doch fast ausschließlich aus solchen Reinschlüpfstellen in Form von in Stoff eingefassten Leerräumen. Der spärlich vorhandene Material bildet den Rahmen für das zu tragende Nichts. Die Löcher sind also die eigentliche Kleidung, auch wenn sie nicht zu sehen ist. Wie ein Ereignishorizont in der Allgemeinen Relativitätstheorie. Er bildet die Grenze zum Nichts, das aber ja letztlich dann doch wieder etwas ist, zum Beispiel ein schwarzes Loch. Nur weil wir es nicht sehen, heißt es ja nicht, dass es nicht da ist. Das geht alles viel zu weit. Ja - stimmt.
Das Türchen an Tag 3: Seit dem Ende des vergangenen Jahrtausends gehören sie zur Grundausstattung jeden Schlafzimmers. Zumindest wenn das Privatfernsehen der 1990er Jahre richtig lag, peppt diese Dauerrenner jede rostige Beziehung auf: Puschel-Handschellen. Egal ob „Wa(h)re Liebe“, „Liebe Sünde“ oder „Peep“, alle erotischen Fernseh-Ratgeber von Lilo Wanders über Amanda Lear bis hin zu Verona Feldbusch (heutige Pooth) sahen in puscheligen Handschellen die Geheimwaffe um Pepp in die bundesdeutschen Schlafzimmer zu bringen. Leider ist aus dieser Zeit keine Statistik zu finden, die sich mit den Verkaufszahlen befasst. Gefühlt wurde aber jeder zweite Junggesellenabschied, jede Brautparty und auch so mancher Runde Geburtstag zum Anlass genommen, diesen vermeintlichen Klassiker zu verschenken.​
Kurz dachte man Anfang des Jahrhunderts, dass die Zeit der Handschelle nun endgültig vorbei wäre und sie nur noch als Partygag unter Pubertierenden einen Markt hat. Falsch gedacht. 2012 trat ausgerechnet ein als Fanbuch zur Vampir-Saga „Twilight“ geschriebener Roman dazu auf, die Bestsellerlisten der Welt anzuführen und sorgte im gleichen Zug für die Renaicance der Handschelle: Fifty Shades of Grey der britischen Autorin E.L.James wurde von angelsächischen Literaturkritik zwar als „Mommy-Porn“ verunglimpft, also frei übersetzt als Hausfrauen-Porno, aber wer will angesichts von weltweit 100 Millionen verkauften Exemplaren der Trilogie daran zweifeln, dass James irgendeinen Nerv getroffen hat. ​
Aber zurück zum Adventskalender: Nett so etwas noch einmal in der Hand zu haben, aber waren Puschel-Handschellen schon immer so filigran und wackelig? Und stammt der plüschige schwarze Überzug gar wirklich noch aus den 1990ern? Vielleicht wurden nicht verarbeitete Restbestände eines anderen beliebten Accessoires aufgebraucht? Für Spätgeborene: es gab eine Zeit, in der puschelige Stulpen bei Techno-Paraden so manches Bein zierten. ​
Ich schätze übrigens, dass der eher instabile Charakter der Handschellen zum Konzept gehört. Stichwort: Symbolik. Ein Ruck und die Fesselung hätte ein unspektakuläres Ende gefunden. Mit dieser doch recht harmlos daherkommenden Haptik sinkt ja letztlich auch die Bedrohlichkeit dieses Sex-Spielzeugs und das passt dann ja wieder zu Fifty Shades of Grey. Mutti (oder auch Vati) will ja nur spielen und sich wohl eher weniger Hals über Kopf in die echte Sado-Maso-Szene stürzen.
Das zweite Türchen, die Aufregung steigt: wird es diesmal anrüchiger? Absolut! Zum zweiten Dezember beschert uns der Erotik-Adventskalender das erste pikante Spielzeug. Ein Klassiker kommt aus der kleinen Box zum Vorschein: Vibrator mit gebogener Spitze, 12,5 Zentimeter steht auf dem Beipackzettel. Okay, es gibt keinen echten Beipackzettel wie er in jeder Medikamentenpackung zu finden ist, aber immerhin liegen die Ursprünge dieses Sex-Toys doch angeblich im medizinischen Bereich.
Angeblich wurde der erste elektronische Vibrator 1883 für den britischen Arzt Joseph Mortimer Granville patentiert. Granville entwickelte sein Gerät zur Behandlung von Nervenleiden aller Art. Selber betonte Granville seine Erfindung nie bei Frauen eingesetzt zu haben, auch wenn viele Kollegen den „Percutuer“ als Wunderwaffe gegen vermeintliche Hysterie anpriesen. Die Diagnose sei ihm einfach zu unklar. Ob medizinisches Gerät oder nicht, Granvilles Erfindung wurde zum Welterfolg. Übrigens hat Hollywood die nicht ganz korrekte Geschichte unterhaltsam und hinreißend witzig 2011 in dem Film „In guten Händen“ verarbeitet – als romantische Komödie, die wärmsten für einen gemütlichen Abend im Advent zu empfehlen ist. Wie durchschlagend Granvilles Idee war, zeigte sich schon wenige Jahre später 1900 auf der Weltausstellung in Paris. Dort wurden gleich ein Dutzend Modelle vorgestellt.
Aber zurück zum Adventskalender: schwarz, unauffällig und viel kleiner als erwartet wirkt der handliche Vibrator geradezu perfekt für die Handtasche. Die sollte aber dann wohl über ein eigenes Fach für Technik verfügen. Nur eine winzige Berührung mit dem inneren meiner Tasche und der kleine Freudenspender wäre überzogen mit Krümeln, Tabakresten und Fusseln – vielleicht gehört das Gerät doch lieber in den Kosmetikbeutel oder die Nachttischschublade? Also: Handy raus, Massagestab rein.
Das Öffnen des ersten Türchens eines Adventskalenders ist immer ein sehr besonderer Moment: Das Warten hat endlich ein Ende und das Runterzählen der Tage bis zum Weihnachtsfest kann beginnen. Vor dem Öffnen beginnen die Gedanken zu kreisen: Was erwartet uns als TV-Redaktion? Werden wir nun täglich mit Schamesröte im Gesicht das nächste Türchen unseres erotischen Adventskalenders öffnen? Was wird dieser ungewohnt offene Umgang mit dem Thema Sex mit uns machen? Können wir uns an Heiligabend noch unbefangen in die Augen schauen?
Tag Eins bringt – nunja – zunächst eine gewisse Ernüchterung: eine Massagekerze Winterapfel verbirgt sich in der Auftaktbox. Eine winzige Metallschale gefüllt einer doch arg an schnödes Parafin erinnernden Füllung. Ist das etwa Brennpaste für Fonduetöpfe?
War meine Erwartungshaltung vielleicht zu hoch? Statt pikant, anrüchig und verwegenen, kommt ein Geschenkchen aus der Box, das so auch locker aus jedem Kosmetik-Kalender stammen könnte. Wir wollten doch Aufregung, Unerwartetes, etwas über das wir reden können? Stattdessen stellt sich ein leichtes Hungergefühl ein. Immerhin riecht es in der Volksfreund-Redaktion nun schon etwas weihnachtlicher.
Und nüchtern betrachtet passt der Auftakt zum erotisch adventlichen Countdown dann letztlich doch sehr gut: Wir zählen schließlich die Tage bis zur Geburt Christi, also dem Moment, an dem das Licht der Welt auf die Erde kam. Konsequenter wäre ein subtiler Bezug auf die religiösen Ursprünge des Kalenders doch letztlich nicht unterzubringen gewesen.
Aber nun Hand aufs Herz: Bin ich in der Stimmung für eine Massage? Nein – nicht so richtig. Das mag an der fehlenden intimen Atmosphäre der TV-Redaktionsräume liegen, am Unwillen mit dem Arbeitsplatz etwas Erotisches zu verbinden oder schlicht auch an der leichten Benommenheit, die sich seit dem Entzünden der Kerze einstellt. Doch was soll das Schwadronieren: Das duftende Lichtlein bringt etwas Gemütlichkeit in den Dezemberanfang, der Auftakt ist gemacht und die Massagekerze riecht deutlich besser als sie aussieht. Der Dezember kann nur erotischer werden.