Info Chronik: Die Amokfahrt in Trier vom 1. Dezember 2020 und ihre Aufarbeitung

Eine unfassbare Tragödie spielt sich am Mittag des 1. Dezember 2020 in der Innenstadt von Trier ab.
Ein Autofahrer rast mit seinem Fahrzeug durch die Trierer Fußgängerzone. Auf seiner Amokfahrt werden fünf Menschen getötet und weitere Passanten teils schwer verletzt. Einer von ihnen stirbt ein Jahr später, er ist das sechste Opfer dieser Tat. Das Foto zeigt Rettungskräfte nach der Amokfahrt in der Altstadt.
Karte: Das war die Route des Amokfahrers am 1. Dezember 2020.

Bei den Opfern der Amokfahrt handelt es sich um drei Frauen im Alter von 25, 52 und 73 Jahren sowie einen 45 Jahre alten Mann und sein neuneinhalb Wochen altes Kind. Im Oktober 2021 stirbt zudem der bei der Tat schwer verletzte 77-jährige Ehemann der 73-jährigen Frau. Nach der Amokfahrt sind Rettungskräfte und Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort im Einsatz.
Der damals 51-jährige Täter startet an diesem 1. Dezember 2020 um 13:46 Uhr seine Amokfahrt und biegt mit seinem SUV von der Konstantinstraße in die Brotstraße und damit die Fußgängerzone in Richtung Norden/Hauptmarkt ein.
Der Amokfahrer habe erst eine Passantin umgefahren und dann angehalten, wie sich später Augenzeugen im Prozess gegen den Fahrer erinnern sollten. Anschließend sei er mit quietschenden Reifen wieder losgefahren und habe Richtung Hauptmarkt immer mehr beschleunigt.
Der Mann fährt mit seinem Wagen in Zick-Zack-Linien durch die Brotstraße in Richtung Porta Nigra. Polizei-Angaben zufolge fährt der Amokfahrer mit einer Geschwindigkeit von bis zu 81 Stundenkilometern durch die Innenstadt.

Während der Amokfahrer durch die Fußgängerzone eine Schneise der Verwüstung zieht, wird die Polizei alarmiert. Bei ihr geht der erste Notruf um 13.47 Uhr ein. Zu diesem Zeitpunkt sind zwei Zivilstreifen dienstlich in Richtung Trier-Nord unterwegs, wie die Polizei später mitteilen sollte. Sie brechen den Einsatz ab und fahren in Richtung Porta Nigra.
Ein 72-jähriger Mann aus der Eifel ist an diesem Dezembermittag mit seiner Ehefrau auf dem Hauptmarkt unterwegs, als das Fahrzeug aus Richtung Brotstraße angerast kommt – „so schnell wie eine Rakete“, wie er im späteren Gerichtsprozess anmerken wird. Er habe sich mit seiner Frau „gerade noch so“ in ein Geschäft retten können.

Auf dem Hauptmarkt wird neben der Familie auch eine 52-jährige Frau Opfer des Amokfahrers. Sie wird vom Auto erfasst, als sie den Platz mit ihrem Fahrrad passiert. Vermutlich habe die Berufsschullehrerin den heranrasenden Geländewagen nicht einmal kommen gesehen, wie eine Zeugin später im Gerichtsprozess sagen wird. „Sie hatte keine Chance“. Das Foto zeigt Kerzen am Hauptmarkt, eine Woche nach der Tat.

Das fünfte Opfer der Amokfahrt ist eine 25-jährige Studentin. Sie wird in der Simeonstraße vom Auto erfasst und stirbt an ihren Verletzungen. Bild: Trauerkerzen am Tatort drei Tage nach dem Verbrechen.
Die Fahrt des Amokfahrers hinterlässt Verwüstungen in der Simeonstraße.

Ein Anwohner fotografiert den Moment der Festnahme des Amokfahrers: Er hatte nach der Tat sein Auto in der Christophstraße im Alleenbereich gestoppt. Als die alarmierte Polizei eintrifft, steht der Mann neben seinem Wagen. Die Polizisten überwältigen den Fahrer, der sich der Festnahme widersetzt. Es ist 13:51 Uhr, viereinhalb Minuten nach Beginn der Amokfahrt.
Um 14.34 Uhr twittert die Polizei die Festnahme, bittet aber darum, weiter die Innenstadt zu meiden. Zu diesem Zeitpunkt herrscht noch Amokgefahr, weil unklar ist, ob es weitere Täter geben könnte. Um 16.15 Uhr kann die Polizei zumindest dabei Entwarnung geben. (flo)
Als das Auto vorbeigezogen war, liefen Passanten und Mitarbeiter aus Geschäften entschlossen in die Fußgängerzone, um den Opfern zu helfen. Mehr als 800 Polizisten, Feuerwehrleute, Helfer des Technischen Hilfswerks und Rettungskräfte – darunter auch aus Luxemburg – sollten an dem Tag in Trier im Einsatz sein. Krankenhäuser räumten OP-Säle leer, verschoben nicht dringende Operationen, bauten Schockräume auf. Binnen von spätestens 25 Minuten, so hieß es später, waren Verletzte in die Kliniken eingeliefert worden (demos)
Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe eilt ebenfalls in die Fußgängerzone und macht sich ein Bild der Lage. Vor Ort erklärt er zusammen mit der Polizei, was zu diesem Zeitpunkt bislang bekannt ist.

Die Tat schockiert die Menschen in Trier und Deutschland. Sie legen schon bald Blumen und Kerzen an verschiedenen Unfallstellen der Fußgängerzone ab.

Der Trierer Hauptmarkt nach der Amokfahrt: ein Gedenkort an die Opfer vom 1. Dezember.

Viele Menschen versammeln sich am Abend des Amoklaufs im Dom zum ökumenischen Gebet, das Trost spenden soll nach der unfassbaren Tat. Die Glocken läuten zum Zeichen der Trauer - auch am nächsten Tag um genau 13.46 Uhr.

Wieso steuert der Amokfahrer sein Auto in die Fußgängerzone? Warum begeht er diese Wahnsinnstat? Diese Frage bewegt die Menschen der Stadt die nächsten Monate - zumal der Fahrer aus Trier stammt.

Im August 2021 beginnt der Prozess gegen den Amokfahrer am Landgericht Trier (Video: Eindrücke vom ersten Prozesstag). Er ist angeklagt wegen mehrfachen Mordes und versuchten Mordes. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, wahllos und gezielt auf Passanten zugefahren zu sein, mit der Absicht, möglichst viele Menschen zu töten oder zumindest zu verletzen. Überlebende erinnern sich später im Prozess an diesen 1. Dezember. 79 Seiten umfasst die Anklageschrift, die 291 Zeugen benennt.

Der Angeklagte schweigt im Prozess, der unter hohen Sicherheitsauflagen geführt wird, zu den Vorwürfen. Nahezu regungslos verfolgt der zuletzt arbeits- und wohnsitzlose Mann die Verhandlungstage. Unklar bleibt das Motiv des mutmaßlichen Täters. Nach Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen leidet der Mann an einer Psychose. Im Bild: Der Angeklagte und seine Verteidiger am fünften Verhandlungstag.

1. Dezember 2021: Ein Jahr nach der Amokfahrt erinnert Trier an die Opfer mit einem Gedenktag. Ein Rückblick auf den 1. Dezember 2020 - und die Folgen. Im Trierer Dom findet zum Gedenken ein ökumenischer Gottesdienst statt. Um 13.46 Uhr läuten die Glocken des Doms vier Minuten lang. Vor einem Jahr begann zu diesem Zeitpunkt die Amokfahrt.

Im August 2022 fällt schließlich das Urteil: Der 52-jährige Angeklagte wird wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt und soll in eine geschlossene Klinik eingewiesen werden. Doch die Verteidiger legen Berufung ein, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ende November 2022 wurde schließlich das schriftliche Urteil vorgelegt .
Im Februar 2023 wurde bekannt: Der Bundesanwalt fordert in einem Antrag an den Bundesgerichtshof, das Urteil des Trierer Landgerichts „mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen“ aufzuheben und zu „neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen“. Was das bedeutet, lesen Sie in unserem Bericht.
An der Porta Nigra erinnert derweil ein provisorisches Mahnmal an die Opfer der Amokfahrt.

Im November 2022 werden die Pläne für ein dauerhaftes Mahnmal in Nachbarschaft zur Porta vorgestellt.

Zur Erinnerung an die Opfer der Amokfahrt werden zwischen Porta Nigra und Christophstraße sechs Stelen von je 2,80 Meter Höhe aufgestellt. Dazu kommen Gedenkplatten entlang der Strecke, die der Täter mit seinem Geländewagen entlang raste. Im Bild: Der Künstler Clas Steinmann und der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe. (woc)
Aber auch der Angehörigen der Opfer der Amokfahrt und den Verletzten wurde gedacht: An sie und psychisch Traumatisierte der Tat sind über 700.000 Euro an Spendengeldern ausgezahlt worden. Am 1. Dezember 2022 jährt sich die Tat zum zweiten Mal. Weitere Fotos und Beiträge unserer Redaktion zur Tat, den Prozess und das Mahnmal finden Sie in unserem Dossier.

Fotos Das sind die Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in Trier
