Gebäck für die Fastenzeit und für die Armen

Trier · Hell lodert das Feuer, die Flammen züngeln in den Himmel. Davor stehen Lucky und viele Kinder, ein Strahlen in den Augen, Laternen in der Hand und singen Lieder vom heiligen Martin. Anschließend bekommen die Kleinen eine Zuckerbrezel. Was es mit dem Feuer und dem Martinszug auf sich hat, hat die Leseratte bereits in den vergangenen Jahren erfahren, doch warum verteilt Martin Brezeln?

Trier. Süß sind sie, außen knusprig, innen ganz weich. Mit Genuss beißt Lucky in die Zuckerbrezel. Schließlich macht so ein Martinszug mit der Laterne in der Hand und den Liedern auf den Lippen hungrig. Ein toller Brauch, denkt die Leseratte und fragt sich, warum der Mann auf dem Pferd, der den heiligen Martin darstellt, süßes Gebäck verteilt.
Klar, Teilen ist Martins Markenzeichen. Lucky kennt die Geschichte des Soldaten Martinus, der im Winter einen armen Mann trifft. Weil er außer Waffen und dem einfachen Soldatenmantel nichts dabei hat, nimmt er sein Schwert und teilt seinen Mantel mitten entzwei. Den einen Teil gibt er dem Bettler, den anderen schlingt er um sich selbst. Im Traum erscheint ihm Jesus, der ihm für die Wohltätigkeit an dem Armen dankt. Martin sieht den Traum als Aufforderung, sich taufen zu lassen. Dieses Erlebnis ist auch Inhalt des Martinslieds, das Lucky und die Kinder beim Umzug singen.
Das Verschenken der Martinsbrezeln an die Kinder könnte damit zusammenhängen, dass früher am 11. November, am Martinstag, die Fastenzeit vor Advent begonnen habe, sagt der Trierer Dechant Georg Goeres. Dann verschenkten nämlich die Mönche in den Klöstern Essen an Bedürftige - das sogenannte Armenbrot. Am Martinstag begann aber auch das neue Wirtschaftsjahr des Bauern. Er zahlte seinen Arbeitern, dem Gesinde, den Lohn aus.
"Doch warum verschenkt Martin gerade Brezeln?", fragt sich Lucky. In vorchristlicher Zeit seien Salz- und Laugenbrezeln wahrscheinlich zu kultischen Zwecken als Opfergebäck und Grabbeigabe gebacken worden, sagt Goeres. Das Christentum habe die Brezel (lateinisch precedella, althochdeutsch Brezitella) übernommen; ihr wird als "heiliges Gebäck" besondere Segens- und Heilkraft zugeschrieben. Nicht von ungefähr, ähnelt sie doch zum Beten verschränkten Armen.
Die Brezeln seien über viele Jahrhunderte in der Fastenzeit gebacken worden, sagt Goeres. Denn das Gebäck benötigt große Öfen, die viel Holz verfeuern. Zudem muss der Hefeteig lange geknetet werden; die Brezel zu formen erfordert Geduld und Geschick - Maschinen gab es damals noch nicht. Weil Brezelbacken so zeitaufwendig war, wechselten sich die Bäcker damit ab. Die Fastenbrezel wurde aber auch an Arme und Kinder verteilt. Und, das weiß Lucky nun, der Martinstag war früher der erste Tag der vorweihnachtlichen Fastenzeit.
Extra

Gebäcke, die zu religiösen Anlässen in Form von Menschen, Heiligen, Tieren oder Symbolen gebacken wurden, werden Gebildebrote genannt. Sie werden zu Tagen geschenkt und gegessen, die zu den Motiven in Beziehung stehen wie etwa die Martinsbrezel. Aber es gibt noch mehr Gebäcke zum Martinstag. In Süddeutschland wurden am 11. November Martinsgeigen, große Weißbrote, in der Kirche geweiht und an die Armen verschenkt. Martinsküchlein (Schmalzgebäck) und Martinslaible (Hefezopf) gab der Bauer den Arbeitern, gaben Erwachsene den Kindern. Zudem gibt es Martinshörnchen aus Hefe- oder Mürbeteig in Hufeisenform. mehiExtra

 Mmmmh, Das ist lecker: Linda (links), Lucky und Charlotte freuen sich darauf, herzhaft in ihre Martinsbrezeln zu beißen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Mmmmh, Das ist lecker: Linda (links), Lucky und Charlotte freuen sich darauf, herzhaft in ihre Martinsbrezeln zu beißen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Martin von Tours wurde 316 oder 317 in Pannonien (Ungarn) als Martinus geboren und wuchs als Sohn eines römischen Offiziers in Oberitalien auf. Mit 15 Jahren wurde er Soldat, später ebenfalls Offizier der römischen Kaiser. 354 ließ sich Martin in Amiens in Frankreich taufen. Zwei Jahre später quittierte er den Militärdienst, lebte als Einsiedler und Mönch, gründete Klöster. 371 wurde er zum dritten Bischof von Tours geweiht. Als solcher besuchte er mehrmals die Kaiserstadt Trier. Der Überlieferung nach gründete er am Moselufer eine Kirche zu Ehren des Heiligen Kreuzes, die später zur Abtei St. Martin (heute: Studentenwohnheim Martinskloster) wurde. Am 8. November 397 starb Bischof Martin; er wurde am 11. November in Tours begraben. Ab dem 5. Jahrhundert wurde er als Heiliger verehrt. mehi

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