Geschichte auf der Kuppe

Dass er einmal kunstvoll auf einem Fingerhut verewigt sein würde, hätte sich der römische Kaiser Konstantin sicher nie träumen lassen. Eher vielleicht, dass ihm etwa 1700 Jahre, nachdem er in Trier seine Herrschaft über das Römische Reich antrat, dort eine große Ausstellung gewidmet sein würde.

Beides jedoch hängt zusammen. Denn anlässlich des Kulturhauptstadt- und Konstantinjahres hat die Trierer Damenschneidermeisterin Christel Hontheim-Monz ihre legendäre Sammlung von ungefähr 3000 kostbaren, aus aller Welt und allen Epochen stammenden Fingerhüten (der TV berichtete) exklusiv um solche mit Konstantinporträt und Trier-Motiven erweitern lassen. "Jeder Fingerhut ist ein Unikat und nach meinen Wünschen bemalt worden", sagt die Sammlerin. Außer dem Kaiser sind auf den Porzellankleinodien der Heilige Rock, die Konstantin-Basilika, die Porta Nigra, die Kaiserthermen, der Dom, das Kurfürstliche Palais, die Paulinkirche und die Judengasse sowie das Trierer Stadtwappen abgebildet. All das stammt aus Feder und Pinsel von Heinz Schneider, der über 40 Jahre Porzellanmalermeister in Meißen war. Bei einer Besichtigung der Porzellanmanufaktur anlässlich ihrer Fingerhutausstellung im Stadtmuseum Finsterwalde 2001 hatte ihn Christel Hontheim-Monz kennen gelernt. "Daraus hat sich ein freundschaftlicher Kontakt entwickelt, private Malaufträge durfte er aber nicht annehmen" erzählt die Sammlerin. Erst sein Ruhestand ermöglichte es, rechtzeitig zum Kulturhauptstadtjahr das "Trier-Projekt" umzusetzen. "Weil er Trier nicht kannte, habe ich ihm ein Buch mit Bildern geschickt", berichtet Christel Hontheim-Monz. Häufig habe Schneider nachgefragt, ob Blumenanlagen oder andere Details der Ansichten noch stimmten. Denn so klein die Motive, so naturalistisch hat der Künstler sie verewigt. "Er hat im Stil der auf das 17./18. Jahrhundert zurückgehende Vedutenmalerei, die eine genaue Wiedergabe einer Stadt oder Landschaft anstrebt, gemalt", erklärt die Sammlerin. Wie es seit 1720 in Meißen Tradition ist, wurde dabei jede Farbe für sich angelegt, unter der Lupe nass in nass mit feinsten Pinseln und Zeichenfedern aufgetragen und extra gebrannt. Der große Qualitätsunterschied zu gewöhnlichen Souvenirfingerhüten mit Folienaufdruck ist deutlich sicht- und fühlbar. Zumal die kleinen Kostbarkeiten zusätzlich mit Staffagen aus 14-karätigem Blattgold verziert sind, die die Wirkung der Miniaturmalerei noch hervorheben. Aus Spaß an dieser Arbeit fertigt Schneider noch Fingerhüte mit Helena-Porträt und Igeler Säule. Ohnehin hat er schon mehr als die ursprünglich geplante Anzahl und zusätzlich einige indirekt auf Trier bezogene Fingerhüte bemalt. Sie zieren Nähutensilien, wie sie für Christel Hontheim-Monz erfolgreiches Berufsleben in Trier unverzichtbar sind, oder Motive aus Weimar. Darunter ein Ginkgoblatt mit einem Gedicht des wohl berühmtesten Bürgers aus Triers Partnerstadt, Goethe. "Er hat die Sitte begründet, Menschen, die man mag, ein Ginkgoblatt zu schenken", erklärt die Sammlerin. Sie ist stolz auf die Neuzugänge, nicht nur, weil es Unikate sind, für die sie Entwürfe und Matrizen in Händen hält und die nur mit ihrer Genehmigung nachgemalt werden dürfen. Sondern auch, weil diese Kollektion ihrer Verbundenheit mit einer Stadt Ausdruck gibt, in der sie verwurzelt ist. Christel Hontheim-Monz stammt aus der Familie von Hontheim, die sich bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts in Trier zurückverfolgen lässt. Familienmitglieder standen Jahrzehnte im Dienst der Kurfürsten und übernahmen Staats- und Kirchenämter. So auch Johann Nikolaus von Hontheim, Weihbischof und Vertreter der Aufklärung, dem ein Teil der Kulturhauptstadtjahr-Ausstellung Kaiser, Gelehrte, Revolutionäre in der Trierer Stadtbibliothek gewidmet ist. Nicht nur zu Konstantin schlagen also Christel Hontheim-Monz' Fingerhüte einen Bogen. All das werden die kleinen Kunstwerke in diesem Jahr über die Grenzen Triers hinaus transportieren, denn: "Die Direktorinnen der Museen in Altenburg und Meißen haben ihren Besuch angekündigt, um zwei Fingerhut-Ausstellungen in ihren Instituten vorzubereiten", freut sich Christel Hontheim-Monz. Im September/Oktober wird dann auch Konstantin auf Reisen gehen - statt im überdimensionierten Kopf- oder Fuß- im handlichen Fingerhutformat.Die Sammlung von Christel Hontheim-Monz ist bis 16. Juli im Heimatmuseum Speicher ausgestellt, Öffnungszeiten: Samstag, Sonntag, Mittwoch 15-18 Uhr, Montag und Mittwoch 10-12.30 Uhr oder nach Vereinbarung, Telefon 06562/2023. Die Trier-Fingerhüte sind bei Juwelier Lortz, Fleischstraße 20, zu sehen. Anke Emmerling

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