Getreideernte in früheren Zeiten

Zur Zeit der Getreideernte fahren wieder die riesigen Mähdrescher über die Fluren, und Getreidefeld um Getreidefeld verschwindet in den gierigen Schlündern ihrer Mähwerke. Die Getreideernte ist heute eine rein maschinelle Arbeit geworden. Die Mähdrescher schaufeln vorne das Getreide mitsamt den Halmen in das Mähwerk, und die Maschine trennt das Getreide von den Halmen, sammelt es im Silo, bündelt und presst das Stroh zu Ballen und bläst die Spreu auf das abgeerntete Feld. Ist das Getreidesilo des Mähdreschers voll, wird es mittels eines Rohres auf einen Kastenwagen befördert und mit dem Traktor weggefahren. Ebenso werden die Strohballen mit dem Hebewerk des Traktors aufgeladen und abtransportiert.Mit der "Flaus" wurde das Korn abgemäht Doch erinnern wir uns, wie die Getreideernte in früherer Zeit, vor 50 Jahren, ausgesehen hat. Damals war es reine Handarbeit, vom Anfang bis zum Ende. Das Getreide wurde mit der "Flaus" abgemäht. Das war eine Sense mit einem Bügel, an dem hölzerne Rippen waren, so lang wie das Sensenblatt. Dieser Bügel sorgte dafür, dass der Mäher das Getreide schön auf eine Rippe legte. Nach dem Mäher kam ein Mädchen oder Junge, die aus Getreidehalmen ein Strohseil flochten, um die Garben damit zu binden. Dabei wurde ein Bündel Halme geteilt und unterhalb der Ähren zusammengedreht. Diese Strohseile wurden in Abständen auf den Boden gelegt, um die Garben darin abzulegen. Eine Frau nahm mit der Sichel die Halme auf und legte einen Armvoll als Garbe in das Strohseil. Hatte man für die Ernte Leute genug, so band ein anderer Erntehel-fer die Garben zusammen und stellte sie auf "Kaaschden". Dazu packte man zwei Garben, stauchte sie mit den Ähren zusammen und stellte sie in schrägem Winkel zueinander - zu zweit ging dies allerdings besser. Nun wurden die nächsten beiden Garben so dazugestellt, dass die vier Garben in die vier Himmelsrichtungen standen. Die Lücken zwischen den Garben wurden nun ebenfalls ausgefüllt, so dass der "Kaaschden" aus acht Garben bestand. Zum Schluß nahm man eine besonders dicke Garbe, drehte sie um und knickte die Halme am Seil nach außen. Diese Garbe wurde nun als "Hut" mit dem stumpfen Ende nach oben auf den "Kaaschden" gesetzt. Die Halme mit den Ähren hingen nach unten und wurden sorgfältig verteilt, dass alle Garben darunter bedeckt waren. Denn der Hut sorgte bei Regen dafür, dass der "Kaaschden" innen schön trocken blieb. Die "Kaaschden" blieben etwa eine Woche auf dem Feld stehen, damit sie in Sonne und Wind völlig trocknen und die Körner fest und hart wurden.Waren sie bei schönem Wetter gut durchgetrocknet, so wurden die "Kaaschden" mit einem Fuhrwerk vom Feld geholt. Dies war bei den Bauern ein Pferdefuhrwerk, bei den Fabrikarbeitern, die Landwirte im Nebenerwerb waren, ein Kuhgespann. Mit dem Leiterwagen wurde das Korn nun abgefahren. Er bestand aus zwei großen Leitern, links und rechts am Wagen befestigt. Vorne zwischen den beiden war der Leiterbaum aufgerichtet mit fünf bis sechs Sprossen, worin der "Wissbaam" befestigt wurde - eine etwa vier bis fünf Meter lange Stange von 15 Zentimeter Durchmesser, die vorne eine Einkerbung zum Halt am Leiterbaum hatte. Nun wurde der Leiterwagen innen mit Garben bis zur Höhe der Leiter gefüllt. Als nächstes legte man die Garben links und rechts über die Leitern hinaus. Hier war darauf zu achten, dass der beladene Wagen noch zum Scheunentor hineinging. Lage auf Lage wurde jetzt gestapelt, bis man die letzte Sprosse des Leiterbaums vorne erreicht hatte. Der "Wissbaam" war nun vorne mit der Einkerbung am Leiterbaum einzuhängen und hinten am Ende das Seil zu befestigen. Das Seil wurde um die Wagenwinde gewickelt und die Ladung mit der Wagenwinde zusammengepresst und festgehalten. Nun war der Wagen fertig zum Abtransport.Bei den holprigen Straßen - damals gab es noch keine Teerstraßen - musste man aufpassen, dass der Wagen in den Kurven nicht umkippte. Um dies zu verhindern, gingen immer zwei Männer mit Gabeln auf die "gefährdete" Seite und stemmten sich gegen die Ladung, um ein Kippen zu vermeiden. In der Scheune angekommen, wurde der Wagen auf die Tenne entladen und die Garben wurden aufgestapelt. Im Spätherbst oder Winter, wenn die Arbeit draußen getan war, wurde das Getreide auf der Dreschmaschine gedroschen. Mein Großvater hatte auf seinem Hof eine solche Dreschmaschine in der Scheune stehen. Es war für meine Begriffe ein Riesending, bei dem oben die aufgeschnittenen Garben eingeworfen wurden; unten lief das Getreide in Säcke und das Stroh kam gebündelt hinten heraus. So habe ich es als Kind in Erinnerung behalten. Das Getreide wurde dann noch durch den "Wann" gedreht, um es mit verschiedenen Sieben von der Spreu zu trennen; dies war allerdings wieder Handarbeit. Nun gab es beim Dreschen öfters ein Riesengeschrei, wenn zum Beispiel eine Schlange aus den Garben schlüpfte, was öfters vorkam. Es waren immer harmlose Ringelnattern, die sich auf dem Feld in den Garben versteckten und ungesehen auf- und abgeladen wurden. Doch war dies den helfenden Mädchen und Frauen egal; war eine Schlange aufgetaucht, weigerten sie sich, an der Dreschmaschine weiterzuarbeiten.Für die Nebenerwerbslandwirte im Dorf kam in der Erntezeit eine fahrbare Dreschmaschine, die außerhalb der Ortschaft ihren Standort hatte. Die erste dieser Dreschmaschinen wurde mit einem Benzinmoter, später mit einem Elektromotor angetrieben. Nun standen die Wagen mit dem Getreide in langer Warteschlange, bis sie an die Reihe kamen. Dies ging nicht immer ohne Streit ab, denn wer wartet schon gerne lange? Hatten sich zwei Streithähne so richtig in der Wolle, so war dies für uns Kinder immer eine Riesengaudi, erlebten wir es doch "in der ersten Reihe".Das gedroschene Getreide kam nun auf den Speicher, wurde aufgeschüttet und jeden Tag gewendet, damit es nicht "stickig" wurde. Später beförderte man es zur Mühle, um es mahlen zu lassen. Aus dem Roggenmehl wurde Brot, aus dem Weizenmehl Kuchen gebacken. Später, als die Leute ihr Brot nicht mehr selber backten, gaben sie das Getreide beim Bäcker ab und bekamen Gutscheine dafür, mit denen sie sich ihr Brot kaufen konnten.Einen großen Fortschritt in der Landwirtschaft bedeutete die Mähmaschine, die die Rolle des Mähers mit der Flause übernahm. Die Mähmaschine wurde von zwei Pferden gezogen und mähte das Korn ab. Auf ihr saß links der Lenker des Fuhrwerks, rechts über dem Rad befand sich der Sitz des Mähers. Er hatte einen Hebel, mit dem er die abgeschnittenen Halme zu Garben ablegen konnte. Eine weitere Verbesserung war die Mähmaschine mit Binder, der so genannte Mähbin-der. Hier war ein Binder angekoppelt, der die abgelegten Garben mit einem Bindfaden, der von einer Rolle ablief, zusammenschnürte. Diese Geräte waren bereits vor dem Krieg, in den Jahren 1939/1940, auf dem Saargau im Einsatz.Nach der Mähmaschine wurde der Mähdrescher entwickelt, der für die Landwirte eine riesige Erleichterung bei der Erntearbeit war. Denn inzwischen mussten die Maschinen größtenteils den Menschen ersetzen, da die Landwirte fast keine Hilfe mehr bekamen. Die Knechte und Mägde arbeiteten inzwischen überwiegend in den Fabriken, wo sie mehr verdienten und eine feste Arbeitszeit hatten. Und wer wollte schon noch als Knecht oder Magd beim Bauern arbeiten? (jöl/joa) Josef Ollinger

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort