Gottes bunter Hund

Es gibt Menschen, bei denen ist die Küche der wichtigste Wohnraum. Johannes Metzdorf-Schmithüsen ist so einer. Eine offene Herdzeile mitten im Raum, ein gemütlicher Esstisch, ein Blick direkt in den Garten, an der Wand ein Bild mit einer weißen und einer schwarzen Hand, die ein Brot brechen.

Es gibt Menschen, bei denen ist die Küche der wichtigste Wohnraum. Johannes Metzdorf-Schmithüsen ist so einer. Eine offene Herdzeile mitten im Raum, ein gemütlicher Esstisch, ein Blick direkt in den Garten, an der Wand ein Bild mit einer weißen und einer schwarzen Hand, die ein Brot brechen. Der richtige Ort für Leute, die Küchengespräche mögen. "Gute Küchengespräche können eine Therapie ersetzen", sagt der 64-Jährige. Wenn das stimmt, dann könnte dieser Raum in dem Einfamilienhaus am Trimmelter Hof ein halbes Dutzend Psychologen arbeitslos machen.Denn es wird viel geredet und debattiert am Küchentisch im Hause Metzdorf-Schmithüsen. Manchmal bis tief in die Nacht. Das Vergnügen daran, komplexe Themen durch den Austausch von Meinungen einer Klärung näher zu bringen, begleitet den Theologen seit Kindesbeinen. Die "Lust an der Disputation" war auch ein Entscheidungskriterium für das Studium der evangelischen Religionswissenschaft.

Ein Mann mit der Lizenz zum Einmischen

Dass er beruflich mal in der Kirche landen würde, war dem Sohn eines Versicherungskaufmanns nicht in die Wiege gelegt. "Es gab da keine familiäre Vorbelastung", sagt Metzdorf-Schmithüsen. Schauspieler wäre er auch gern geworden, oder ein großer Strafverteidiger, wie im Film. Lauter Tätigkeiten, die sich vor Publikum abspielen. "Stimmt", lacht er auf die entsprechende Reporterfrage, "Modell bauen am Schreibtisch wäre für mich wohl nichts gewesen".

Die Zahl seiner frühen Lebensstationen macht staunen. 1941 in Stendhal geboren, Kindheit in Naumburg, Schule in Lübeck, Abi in Neuß, Studium in Mainz und Bonn, erste Arbeitsstelle im Westerwald, dann Koblenz, zwischendurch Berlin: Einen Fußballspieler mit dieser Biographie würde man wohl einen "Wandervogel" nennen.

Die Zeiten sind mindestens genau so bewegt wie der Protagonist. Examen 1968, mitten in der Studentenbewegung, es folgen Öko- und Friedensbewegung. Und Johannes Metzdorf-Schmithüsen immer mittendrin. Einer mit der Lizenz zum Einmischen. "Selbst die Frauenbewegung habe ich mitgemacht", räumt er ein, und verweist auf seine damalige Partnerin und heutige Ehefrau Clarissa.

1976 landet der alternative Jung-Theologe mit den langen Haaren und der Neigung zu legerer Bekleidung im betulichen Rheinstädtchen Bacharach. Als evangelischer Gemeindepfarrer. Friedensdemos, Jugendarbeit, Proteste: Für die gutbürgerliche Gemeinde eine Art Kulturrevolution. "Manche fanden mich ziemlich unmöglich", sagt er rückblickend. Die neun Jahre in Bacharach seien eine "fundamentale Erfahrung" gewesen.

Vielleicht sorgte bei den konservativen Schäfchen auch für Irritation, dass ihr Pastor sich alten Leidenschaften hingab und eine nebenberufliche Karriere als Schauspieler begann. Edgar Reitz drehte die legendäre erste Staffel seiner "Heimat"-Serie, und Johannes Metzdorf-Schmithüsen war - klar - mittendrin. Nicht etwa als Statist, sondern in einer gewichtigen Rolle als Mitarbeiter beim Ausbau der Hunsrückhöhenstraße. Wer sich den Streifen ansieht, muss sich noch heute anstrengen, um hinter der Rolle den Akteur zu identifizieren - so professionell in Maske, Sprache und Darstellung kommt er rüber.

Auf die Mitwirkung bei "Heimat" ist Metzdorf-Schmithüsen heute noch sichtlich stolz. Auch auf den Umstand, dass ihn Regisseur Edgar Reitz bat, seine Trauung zu übernehmen. Ein frisch erschienener Pracht-Bildband über die Heimat-Trilogie liegt im Arbeitszimmer griffbereit. Man möchte wetten, dass kein Besucher die Chance hat, das Haus zu verlassen, ohne einen Blick in das Opus geworfen zu haben.

Der frisch erworbene "Heimat"-Ruhm eilte auch dem Studentenpfarrer voraus, der 1985 in Trier Hausherr bei der evangelischen Studentengemeinde wurde. Nicht durch Verdikt von oben, sondern durch demokratische Wahl, wie er betont. "Der, der im Fernsehen mitgespielt hat" macht dem ihm vorauseilenden Ruf als Gottes bunter Hund auch in Trier alle Ehre. Da taucht er schon mal verkleidet zu fantasievollen Aktionen in der Mensa auf, gründet ominöse Organisationen wie "Wutsch" ("Widerstand und tolle Scherze") oder "BuM" (Büro für ungewöhnliche Maßnahmen"). Kabarett und Theater tauchen plötzlich auf der Themenpalette der Hochschulgemeinde auf, Gottesdienste erfreuen sich ganz neuer Formen. Am Anfang ist er ein Paradiesvogel, später Kult, irgendwann eine Institution. Für ihn bricht man die Regel, dass Hochschulpfarrer nach zehn Jahren wechseln.

Dass er inzwischen 64 ist, lässt sich allenfalls aus der Physiognomie erahnen, die Körpersprache erzählt etwas anderes. Da ist einer immer noch neugierig, kampfeslustig, "widerständig", wie er es mit einer eigenen Wortschöpfung beschreibt. Vielleicht, weil er das Erwachsenwerden verweigert? "Das denn doch nicht", signalisiert die Körpersprache. Es gebe halt "verschiedene Arten, erwachsen zu werden", sagt Johannes Metzdorf-Schmithüsen. Zum Beispiel, dass man eigene Niederlagen zulassen könne, nicht von allen geliebt werden wolle. Aber dass man sich den Spieltrieb erhalte, und die "Portion Frechheit", stehe doch dem Erwachsenwerden nicht im Weg.

Im Oktober geht er in den Ruhestand. Und hat Pläne, Pläne, Pläne. Ein Einpersonen-Theaterstück will er aufführen. Natürlich mit sich in der Hauptrolle. Eine Initiative will er gründen, um die "ambulante Kompetenz von Jungsenioren" gesellschaftlich nutzbar zu machen. Ach ja, und da ist auch noch ein vernachlässigtes Lieblingsprojekt: Die "BI zur Abschaffung militärischer Ehren bei Staatsempfängen". Die Ausroller der roten Teppiche sollten sich schon mal warm anziehen: Wenn der Mann ernst macht, dann bewegt sich auch was.

Dieter Lintz

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