Hambüchen pusht die „Invalidentruppe“

Glasgow (dpa) · Die Zuversicht war schon größer unter den deutschen Turnern. Bei der WM in Glasgow herrscht aufgrund von Verletzungen der Ausnahmezustand. Von Medaillen redet niemand: Das große Ziel heißt Rio. Hoffnung verbreiten indes Leitwolf Fabian Hambüchen und ein Damen-Trio.

We are ready to rock!!!“ - Bei der Ankunft im verregneten Glasgow posteten die deutschen Turn-Recken noch zuversichtlich ihre Parole via Facebook.

Doch schon nach dem Podiumturnen in der Hydro Arena überzogen Zweifel die Gesichter. Eine Vielzahl an Stürzen ließ die Sorgen von Cheftrainer Andreas Hirsch wachsen. Bei den Weltmeisterschaften in Glasgow geht es ab Freitag um die direkte Olympia-Qualifikation für Rio de Janeiro.

Sollten die Top Acht verfehlt werden, droht den deutschen Turnern im April der bittere Umweg über die vorolympischen Wettbewerbe und ein strapaziöses Training im Winter. „Jeder hat so seine Problemchen, wir sind ein sehr altes Team. Uns geht der Arsch auf Grundeis, aber genau das brauchen wir für die WM“, meinte Fabian Hambüchen, der im Vorkampf am Sonntag seinen 28. Geburtstag feiert.

Der mit 26 internationalen Medaillen erfolgreichste deutsche Turner ließ sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als er beim Podiumtraining viermal vom „Zitterpferd“ stürzte. „Ich habe an den anderen Geräten zuvor viel gemacht, war am Ende platt. Am Sonntag ist das kein Problem“.

Sorgen bereitet Hambüchen eher die dramatische Verletztensituation in der „Invalidentruppe“, wie er sie selbst nennt. Marcel Nguyen und Andreas Bretschneider mussten nach Operationen Pausen einlegen und verletzten sich in der WM-Vorbereitung an den Mittelfingern. Daher gehen sie mit Blick auf die Olympia-Tickets auf Nummer sicher.

Der Olympia-Zweite Nguyen verzichtet auf seinen spektakulären Tsukahara-Abgang. Der Chemnitzer Bretschneider wird seinen „Bretschneider“ - den von ihm kreierten Doppelsalto mit zwei Schrauben am Reck, nicht turnen. „Das Ding ist im Moment nicht stabil genug. Deshalb werde ich kein Risiko eingehen“, sagte er. Für beide sind damit die Finalchancen drastisch gesunken.

Hambüchen hat hingegen seinen Cut am Bizeps auskuriert und geht zuversichtlich ins Rennen: „Es passt alles. Meine Form ist gut.“ Am Reck trägt er bei seiner neunten und womöglich letzten WM die einzigen realistischen Hoffnungen der deutschen Männer auf eine WM-Medaille, nachdem er in diesem Jahr schon bei den Europaspielen und der Universiade gewann.

Allerdings spürt auch der Starturner, dass er mit den starken Youngstern kaum noch mithalten kann. „Die neue Generation macht uns platt im Mehrkampf, die Russen haben zum Beispiel drei neue, starke Jungs im Team. Ich war damals 15, als ich meine erste WM bestritt. Ein Jahr später habe ich bei Olympia den Mehrkampf geturnt. Heute fehlt der Nachwuchs im Lande, der uns Druck macht“, kritisierte er erneut die Situation im deutschen Turnen. Dennoch: Bangemachen gilt nicht. „Die Top 8 sind realistisch. Aber dann müssen wir Absteiger vermeiden.“ Von den Teams auf den WM-Plätzen 9 bis 16 qualifizieren sich im April noch vier Riegen für die Spiele.

Weit besser sieht es vor dem Auftakt im Lager der deutschen Turnerinnen aus. „Wir sind auf einem Superweg. Auf dem Weg nach Rio“, ist „Chefin“ Ulla Koch optimistisch wie selten zuvor. Trotz des Ausfalls von Kim Bui nach Kreuzbandriss waren die Chancen nie so groß, das direkte Olympia-Ticket zu erkämpfen.

Neben Mehrkampfmeisterin Elisabeth Seitz liebäugeln auch die beiden in Chemnitz trainierenden Sophie Scheder und Pauline Schäfer mit einem Finaleinzug. In der harten Vorbereitung kam beim Parcours mit Box-Handschuhen oder beim Bogenschießen auch der Spaß nicht zu kurz.

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