IAA: Professor Dr. Hartmut Zoppke von der FH Trier im TV-Interview (Langversion)

Ganz im Zeichen der Klimaschutzdebatte steht die 62. Internationale Automobilausstellung (IAA) vom 13 bis 23. September in Frankfurt / Main. Eine dezidierte Meinung zu diesem Themenkomplex, zur Neu- und Weiterentwicklung von Antriebskonzepten, dem Einsatz erneuerbarer Energien, aber auch zu Verbraucher-Fragen hat Professor Dr. Ing. Hartmut Zoppke, Leiter des Instituts für Fahrzeugtechnik und Dekan des Fachbereichs Technik, an der Fachhochschule Trier. TV-Mitarbeiter Jürgen C. Braun sprach mit ihm.

 Prof. Dr. Hartmut Zoppke.

Prof. Dr. Hartmut Zoppke.

Foto: Jürgen C. Braun

„Herr Professor, die deutschen Automobilhersteller treten in Frankfurt mit dem Anspruch an, den Wettbewerb in punkto weniger Verbrauch, weniger Emissionen und umweltfreundlicherer Technik gegen die ausländischen Hersteller erfolgreich zu bestehen. Jahrelang wurden der deutschen Automobil-Industrie Versäumnisse auf diesem Gebiet vorgeworfen. Teilen Sie diese Meinung? Wurden Ihrer Meinung nach bewusst vorhandene Lösungen nicht zur Serienreife gebracht?

Zoppke: „Die Forschung und Entwicklung zur Serienreife, die beispielsweise Toyota mit Hybrid-Fahrzeugen (Anmerkung d. Red.: Fahrzeuge mit kombiniertem Verbrennungsmotor und Elektroantrieb) betrieben hat, war sicherlich visionär, aber es ist nicht so, dass die deutsche Industrie dabei tatenlos zugeschaut hat. Audi hat bereits Ende der 80er Jahre mit dem „Audi Duo“ ein Experimentalfahrzeug mit Hybridantrieb entwickelt und 1997 dessen dritte Generation kurzzeitig in Serie produziert. Aber diese Technik ist relativ teuer und braucht eine lange Vorlaufzeit um konkurrenzfähig zu werden. Die deutschen Hersteller haben irgendwann gesagt: Okay, das machen wir nicht, der Markt akzeptiert diese Mehrkosten nicht. Niemand hält bewusst serienreife Lösungen zurück, die man verkaufen kann. Die Frage ist eher: Welche langfristige Entwicklungs- und Modellpolitik betreibt ein Hersteller. Es wurden und werden ja viele Maßnahmen zur Energieeinsparung getroffen. Ein Golf I wog seinerzeit 750 Kilo, der aktuelle Golf der fünften Generation wiegt bis zu 1590Kilo und verbraucht weniger. Das sind tolle Ingenieurleistungen. Aber muss ein Golf 1,5 Tonnen wiegen?

Gibt es Ihrer Meinung nach einen so genannten „Königsweg“ bei der Fertigung des Autos der Zukunft und dem Einsatz nicht fossiler Energieträger in der täglichen Praxis?

Zoppke: Nein, den alleinigen Königsweg gibt es nicht. Wir werden noch einige Jahrzehnte mit Benzin- oder Dieselmotoren als primärer Antriebsquelle fahren, aber wir werden einen Mix aus verschiedenen Kraftstoffen erleben, weil die Ölvorräte immer knapper werden, und wir die Klimabilanz durch Einsatz nachwachsender Rohstoffe verbessern müssen. Schon heute werden zum Teil biologische Kraftstoffe beigemischt. In der technischen Weiterentwicklung bei Diesel- wie auch bei Ottomotoren steckt noch viel Potenzial. Irgendwann werden beide Prinzipien nur um wenige Wirkungsgradpunkte auseinander liegen.“

Wird der Verbraucher bei der Entwicklung umweltfreundlicher Fahrzeuge mehr zur Kasse gebeten werden als bisher, weil die Hersteller diese Kosten auf den Endkunden umlegen? Sprich: werden Autos in Zukunft noch teurer werden?

Zoppke: „Die Industrie hat ihre Kosten immer auf den Endkunden umgelegt, das wird so bleiben. Ändern werden sich hoffentlich die Entwicklungsscherpunkte. Es muss sich jedoch meiner Meinung nach auch etwas in den Köpfen der Leute ändern. Viele Menschen definieren sich heute über ein Automobil, glauben, ihre soziale Anerkennung korrespondiere mit der Größe und Leistung ihres Fahrzeugs. Die Frage ist doch: Wie viel Auto braucht der Mensch wirklich für die Bewältigung des Alltags. Muss es, um bei einem deutschen Hersteller zu bleiben, wirklich ein Passat sein, oder tut es vielleicht auch ein Polo? Für Urlaubsreisen kann ich mir beispielsweise ein größeres Fahrzeug leihen oder auf Car-Sharing zurückgreifen. Aber ich glaube, von dieser Einsicht sind wir noch weit entfernt, auch weil die Werbung uns andere Botschaften und Anreize suggeriert.“

Automobilmessen sind zum großen Teil eine Heerschau von aufregenden Fahrzeugen, die immer schneller, stärker und komfortabler wurden. Der Umweltaspekt war meist zweitrangig. Wird dem Autofahrer in Zukunft die sprichwörtliche „Freude am Fahren“ genommen?

Zoppke: „Die so genannten Spaßautos von Premium-Herstellern mit jeder Menge Leistung wird es weiter geben. Ich glaube jedoch, es kommt darauf an, was man unter Freude am Fahren versteht. Wenn der Autofahrer einmal das HighTec Hybrid-Fahrzeug des Nachbarn, welches fast lautlos durch die Stadt gleitet, neidischer betrachtet als die übermotorisierte Sportlimousine wäre schon viel gewonnen. Die Hauptfrage ist doch: Welches Fahrzeugkonzept brauchen wir in Zukunft? Nicht nur der Hersteller, auch der Konsument muss zu einer Einsicht in bestimmte ökologische Notwendigkeiten kommen. Das fängt schon bei den Kindern an, die ja die Einstellung der Eltern übernehmen. Als wir unser Energiespar-Fahrzeug vom Shell EcoMarathon in der Arena ausstellten, haben die Kinder gefragt: Wie viele PS hat der und wie schnell ist der? Nach dem Verbrauch haben sie nicht gefragt. Das sagt alles.

Was halten Sie von der Reform der Kfz-Steuer, der so genannten „Strafsteuer für Stinker“?

Zoppke: „Ich bin grundsätzlich gegen Verbote und gesetzliche Regelungen und würde lieber auf individuelle Einsichten setzen. Die Frage ist aber: Muss unsere Gesellschaft sich Fahrzeuge wie SUV’s noch antun, die mehr als zwei Tonnen wiegen und mit 200 km/h über die Autobahn rasen? Machen Privatfahrzeuge mit dem Verbrauch eines 40-Tonner-Diesels Sinn? So etwas zeugt meiner Meinung nach von einer ungeheuren Ignoranz.

Abschließende Frage: Welches Auto fahren Sie privat?

Zoppke: Gar keines! Ich fahre mit dem Fahrrad zur FH. Dazu brauche ich eine Viertelstunde, und wenn ich ankomme, bin ich hellwach. Bei längeren Fahrten nehme ich die Bahn oder ich leihe mir ein Auto.“

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