INTERVIEW TOM DUMOULIN „Ich kann keinen zwingen, mir zu glauben“

Berlin · Radsport: Der Niederländer über sauberen Sport, seinen Rivalen Chris Froome und den Rückzug des übermächtigen Sky-Teams.

 Der Niederländer Tom Dumoulin gehört zu den besten Radprofis der Welt. Auf dem Foto links verpasst er als Dritter knapp den Etappensieg bei der Deutschland-Tour in Trier (2. von links, es gewann Max Schachmann). In diesem Jahr räumt er dem Giro höchste Priorität ein.

Der Niederländer Tom Dumoulin gehört zu den besten Radprofis der Welt. Auf dem Foto links verpasst er als Dritter knapp den Etappensieg bei der Deutschland-Tour in Trier (2. von links, es gewann Max Schachmann). In diesem Jahr räumt er dem Giro höchste Priorität ein.

Foto: picture alliance/dpa/YORICK JANSENS

(dpa) Tom Dumoulin vom deutschen Team Sunweb war bei der vergangenen Tour de France der einzige Rivale des übermächtigen Sky-Radrennstalls. Ihm werden die größten Chancen eingeräumt, Titelverteidiger Geraint Thomas oder Chris Froome vom Thron zu stoßen. In seiner niederländischen Heimat ist der 28-Jährige bereits seit seinem Giro-Triumph 2017 ein großer Star. Das zeigte sich auch, als Dumoulin im vergangenen August bei der Deutschland-Tour Station in Trier machte: Er hatte den mit Abstand größten Fanclub dabei. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Dumoulin über seine Ziele, das Sky-Team und die Doping-Problematik im Radsport.

Tom Dumoulin, Sie sind im vergangenen Jahr Zweiter bei der Tour de France, dem Giro d‘Italia und der Zeitfahr-WM geworden. War es ein Jahr der unerfüllten Träume?

Tom Dumoulin: Ich hätte gerne gewonnen, dafür bin ich Radprofi. Ich bin aber stolz und glücklich mit dem Jahr. Ich wollte gut sein und ich war gut. Es war leider immer ein Fahrer besser, das habe ich zu akzeptieren. Als ich 2017 den Giro gewonnen habe, war ich vielleicht sogar schlechter, hatte aber mehr Glück mit dem Kurs oder die Konkurrenz war schlechter. Ich bin im letzten Jahr gewachsen und habe weitere Schritte gemacht, physisch und mental.

 Sie werden bei der Tour starten, aber in diesem Jahr ist der Giro Ihr Hauptziel. Warum?

Dumoulin: Eigentlich sollte es die Tour sein, aber der Giro hat eine außergewöhnliche Strecke für mich. Die Tour nicht wirklich, daher haben wir die Pläne umgeschmissen.

 Es ist ungewöhnlich, die Tour nicht als Hauptziel zu haben.

Dumoulin: Ich kann diese Entscheidung nicht jedes Jahr machen. Wenn ich beweisen will, dass ich ein großer Rundfahrer bin, muss ich auch zur Tour mit wenigen Zeitfahr-Kilometern. Dieses Jahr wäre ein Sieg eine Überraschung. Ich würde es lieben, die Tour einmal zu gewinnen. Ich bin eine glückliche Person, auch wenn ich niemals die Tour gewinne. Ich liebe den Giro mehr als die Tour, aber die Tour ist größer. Die Atmosphäre in Italien passt mehr zu meinem Charakter. Dort ist es kleiner und familiärer.

Sky steigt zum Jahresende aus dem Radsport aus. Sind das gute oder schlechte Nachrichten für den Rest?

Tom Dumoulin: Das sind schlechte Nachrichten. Das zeigt, wie zerbrechlich der Radsport ist. Es zeigt, wie sehr das System auf das Geld der Sponsoren angewiesen ist. Das ist kein wirtschaftliches Modell. Sogar ein so erfolgreiches Team wie Sky kann einen Sponsor nicht halten. Dass dann viele Fahrer ohne Job sind, ist nicht hilfreich.

Wie fühlt es sich an, Einzelkämpfer gegen das Sky-Imperium zu sein?

Tom Dumoulin: Ich war letztes Jahr der einzige Rivale, der sie bei der Tour herausfordern konnte. Das wird aber nicht immer so sein. Die Frage wird auch sein, ob Chris Froome oder Geraint Thomas in den nächsten Jahren immer in der gleichen Verfassung sein werden.

Sie hatten im Salbutamol-Fall von Froome kritische Worte gefunden. Wie ist Ihre Beziehung zu ihm?

Tom Dumoulin: Wir sind Gegner im Wettkampf, keine Freunde. Ich spreche mit ihm wie mit jedem anderen auch.

Wie sehr hat der Fall Ihrer Sportart geschadet?

Tom Dumoulin: Das ist nicht das, was der Radsport braucht. Das war ein großer Rückschlag. Keiner wusste warum. Auf einmal wurde Froome freigesprochen. Die WADA sagt, er hat nichts falsch gemacht. Das ist schön. Aber warum wurde es nicht erklärt? Es gibt zwei Seiten der Story. In jedem Fall war es schlecht für den Radsport. Das ist Fakt.

Wie steht es um die Glaubwürdigkeit Ihrer Branche?

Tom Dumoulin: Ich würde sagen, der Radsport ist glaubwürdiger, aber dieser Fall macht es nicht besser. Viele Leute verlieren durch solche Fälle das Vertrauen. Ich persönlich denke, dass der Radsport sehr sauber ist. Ich weiß, dass ich sauber bin und ich kann Rennen gewinnen, sogar große Rundfahrten. Sollten Fahrer etwas nehmen, dann nicht so, dass sie zehn Prozent besser sind. Vielleicht ein Prozent. Sonst wäre ich nicht besser als sie. Die Frage ist, ob man mir glaubt. Ich kann keinen zwingen, mir zu glauben, oder dass der Radsport glaubwürdig ist. Jeder sagt schließlich, dass er sauber ist. Ich mag es nicht, dass die Leute dem Radsport nicht trauen. Ich kann es aber komplett verstehen. Wäre ich nicht involviert, würde ich vielleicht auch so denken. Das macht es hart, weil es der Sport ist, den ich liebe. Ich hoffe, dass die Leute an die neue Generation glauben.

Ist es schwer, immer gegen die alten Storys von Armstrong oder Ullrich anzukämpfen?

Dumoulin: Ja. Es ist nicht schön, dass die Leute mir oder dem Radsport nicht glauben. Das ist nicht meine Generation gewesen. Ich kenne kaum einen Fahrer aus meiner Generation oder jünger, der positiv getestet wurde. Vielleicht sind es ein, zwei oder womöglich zehn, aber es sind nicht viele. Ich denke, meine Generation ist nicht betroffen.

In anderen Sportarten wie Fußball gibt es weniger Kontrollen. Trotzdem stehen diese nicht so unter Verdacht.

Dumoulin: Das ist frustrierend. Es gibt viele Sportarten, die nicht durch so eine Zeit gegangen sind und wo sich nichts geändert hat. Ich will nicht andere Sportarten anklagen. Das steht mir als Radprofi nicht zu. In unserer Sportart ist schließlich für einige Jahre das Schlimmste passiert.

Ihr Landsmann, der Fußballer Frenkie de Jong, ist 21 Jahre alt und könnte im Sommer für 80 Millionen Euro Ajax Amsterdam verlassen. Haben Sie den falschen Job?

Dumoulin: Wahrscheinlich nicht, denn ich kann nicht so gut Fußball spielen wie er. Der Fußball hat ein besseres Wirtschaftsmodell. Sie haben Stadien, zahlende Fans, Marketing, Fernsehrechte für alles. Wir haben das alles nicht. Es ist vielleicht auch härter, Frankie de Jong als Tom Dumoulin zu sein. Es gibt vielleicht eine Milliarde Menschen, die auf der Welt Fußball spielen. Er muss also richtig gut sein. Ich bin vielleicht einer der Besten von zehn Millionen Radfahrern.

Viele Stars wie Marcel Kittel oder John Degenkolb haben in der Vergangenheit ihr Team verlassen. Auch Ellen van Dijk ist mit der Begründung gegangen, es gebe zu viele Regeln im Team. Ist das so?

Dumoulin: Es ist wahr, dass das Team sehr strikt mit den Regeln ist. Es ist wie eine große Firma. Es gibt Hausregeln, Ellen kam von einem kleineren Team. Da wird ein Team anders geführt. Hier sind mehr als 100 Leute beschäftigt. Ich kann mir vorstellen, dass es einige als zu strikt empfinden. Manchmal ist es auch für mich so. Aber ich bin seit sieben Jahren im Team und ich bin sehr glücklich.

(dpa)
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