Im Interview mit Jonathan Jeremiah

Schon als kleiner Junge lagen Jonathan Jeremiah in seinem Elternhaus die ganz großen Musiker im Ohr. Er liebte es, sich mit Songs von Cat Stevens oder Serge Gainsbourg in andere Welten zu träumen. Schon bald begann Jonathan selbst Musik zu machen, nach der Schule lieferte ein Selbstfindungstrip durch die USA die nötige Inspiration für sein künstlerisches Schaffen. Ab Mai steht seine nächste Europa-Tour vor der Tür, auf der er sein zweites Album „Oh Desire“ präsentiert. Ein Album, das ebenso zeitlos wie gefühlvoll daherkommt. Vor seinem Auftritt in der Rockhal am 11.05. gewährte uns der verträumte Brite im Interview einen Einblick in das Prinzip seiner Musik und verlor sich dabei beinahe in seiner eigenen bewegenden Lebensgeschichte.

Du hast mal gesagt, dass Musik zeitlos sein sollte - was meinst du damit?
J.J.: Ich war nie ein modischer Typ oder interessiert an Mode oder Zeitgeist, ich wollte niemals einer Linie folgen, sondern meinen eigenen Weg gehen. Ich komme aus einer kreativen Familie, meine eine Schwester ist beispielsweise Modedesignerin - wir versuchen alle etwas Eigenes zu erschaffen.

Was macht Musik zeitlos - Melodie oder Text?
J.J.: Es hat was damit zutun, wie sie produziert wird. Ich war in einem Pub in Holland und hab etwas über Whisky gelesen - natürlich auch getrunken. Whisky ist ein total komplexes Konstrukt, man kann nicht einfach irgendwelche Zutaten zusammenbringen, in ein Glas schütten und hat dann Whisky - so ist es mit der Musik. Ich will auch nicht irgendjemand sein, der einen Computer gefunden hat. Das letzte was ich machen will, ist in ein Studio zu gehen und den ganzen Tag am Computer zu sitzen und Songs zu produzieren.

Deine Musik ist also zeitlos?
J.J.: Ich versuche es, sie zeitlos zu machen. Ich bin mit der Musik meiner Eltern aufgewachsen, das war Musik die nicht mit Computern gemacht wurde. Das waren immer Gruppen mit Instrumenten, die in irgendeinem Raum gemeinsam gespielt haben. Solche Momente versuche ich einzufangen.

Damit folgst du nicht gerade dem Mainstream …
J.J.: Es ist natürlich sehr verlockend, als Musiker zu schauen, dass man ins Radio kommt und berühmt werden kann und viele Klicks auf Youtube bekommt. Es ist ja sehr einfach, etwas hoch zu laden und Klicks und Likes zu sammeln und auf diese Weise berühmter zu werden. Ich möchte das auch und gebe mein Bestes, um die Berühmtheit irgendwie auf meine Weise zu erreichen. Ich finde es aber einfach sinnvoller an dem anzuknüpfen, was man früher gemacht hat, als man mit 14 Jahren angefangen hat Gitarre zu spielen oder zu singen - Das ist einfach das Zeug, was sich hält! Songs zu produzieren, die "Mainstream" sind, sie zu veröffentlichen und Klicks zu sammeln - das geht alles zu schnell wieder vorbei.

Welche Musiker beeindrucken dich?
J.J.: Hm viele und niemand speziell - es ist das Handwerk an sich, was mich beeindruckt. Wir vergessen ja auch nicht, wie man Tee macht. Ich möchte Musik hinterlassen, die bleibt. Zeug, was so cool ist, dass man es immer wieder hören will, an dem man hängen bleibt, wie an Antiquitäten beispielsweise.

In deinem neuem Album "Oh Desire" geht es darum, an andere Orte zu verschwinden, sich in ein anderes Leben hinein zu träumen. Schafft deine Musik das auch bei dir selbst?
J.J.: Ja ich denke schon. Ich erinnere mich an verregnete oder verschneite Morgen in London, als ich klein war. Wir haben damals an einer Hauptstraße gewohnt - Ich habe immer versucht, davon zu entkommen. Wenn ich heute mit dem Hund spazieren gehe, dann höre ich oft den Song "Birds" vom neuen Album. Der regt irgendwie zum Nachdenken an und dann denke ich darüber nach, warum ich auf der Welt bin und so. Ja, der Song bringt mich weg aus dem Jetzt. Das ist cool.

Um was genau geht es in dem Song?
J.J.: Mein Vater ist in Indien aufgewachsen, meine Mutter kam aus Irland, es war ein Abenteuer, als beide nach London kamen. Wir werden irgendwie doch geschult, Leute, die von woanders her sind, nicht so leicht aufzunehmen. Da kam mir die Idee mit dem Fliegen - als Vogel kann man überall hin ohne diese ganze Bürokratie und diese ganzen Richtlinien.

Schwingt da auch ein wenig Zeitkritik mit?
J.J.: Ja sicherlich. Es gibt auf dem Album auch einen Song mit dem Namen "Rising Up" - Ich hab einige Geschichten dazu zu erzählen, wie ich aufwuchs, weiß um die negative Art der Menschen, mit Ausländern umzugehen und wie es ist, damit aufzuwachsen und trotzdem die Dinge zu tun, die man tun will. Politische Songs sind schwer heutzutage, die können immer als Predigt verstanden werden als ob man alle Antworten hätte - die hab ich natürlich nicht und ich will sie auch ich nicht haben. Es ist eine schwere Zeit in England momentan, Leute stellen die falschen Leute an den Pranger für den wirtschaftlichen Abschwung und die Flüchtlinge und so weiter. Aber was die Musik angeht, so muss man den Leuten keine politischen Geschehnisse mehr erklären, sie bekommen alle Informationen aus dem Internet. Deshalb muss man als Musiker eher seine Meinung zu den Themen äußern als die Leute aufzuklären - das ist heute wichtig, man kann auch nicht nur Love-Songs schreiben.

Deine Eltern sind beide aus verschiedenen Ländern, in die ihr, als Familie oft gereist seid. Du bist in London aufgewachsen aber hast dich als Kind gerne an andere Orte geträumt und tust das auch jetzt noch. Was bedeutet "Zuhause" für dich?
J.J.: Puh da hab ich mich echt verändert. Ich hab meine Eltern verloren vor einigen Jahren, man weiß dann nicht mehr wo man hingehört, sucht neue Plätze. Meine Geschwister haben sich überall hin verteilt, seit dem Tot meiner Eltern. So läuft das wohl in allen Familien, jeder muss so eine Phase durchmachen. Man sagt doch, dass Zuhause dort ist, wo man sich fallen lassen kann - leichter gesagt, als getan. In meinem Song "Arms",geht es darum, wie ich davon träume ein Australier (in Sydney) zu werden, ab und an ins Meer zu fallen und einfach ein unbeschwertes Leben zu führen - das könnte vielleicht ein schönes Zuhause sein, oder?

Warst du schon dort?
J.J.: Ja des Öfteren. Da erwacht immer der Teil von mir, der an einem warmen Fleckchen Erde und am Wasser sein möchte. Vielleicht war ich mal ein Stein in einem früheren Leben, ich brauche das Meer. Ich will auch einfach etwas Neues entdecken, nicht immer am selben Ort bleiben, das wäre wie sich unter der Decke zu verstecken. Australien wäre echt cool, ja - ich hab da auch ein paar irische Sommersprossen, die brauchen Sonne, um rauszukommen.

Was machst du, wenn du keine Musik machst?
J.J.: Das ist schwer zu sagen, denn die Musik bestimmt mein Leben auf allen Ebenen, sie hat mich absorbiert, würde ich behaupten - aber im positiven Sinne. In naher Zukunft könnte ich mir allerdings auch vorstellen, einen anderen Künstler zu produzieren, das wäre cool.

Wen könntest du dir vorstellen zu produzieren?
J.J.: Vielleicht irgendjemanden aus Holland oder Deutschland, ich muss einfach mal nachfragen.

Was würdest du am Produzieren mögen?
J.J.: Hm, ich finde es interessant, jemanden oder dessen Stimme zu entdecken und die Vorteile dieser Stimme für andere hörbar zu machen. Mir geht es dabei aber nicht darum, jemanden zu verbiegen oder nach meinem Geschmack umzuformen, sondern einfach um die gemeinsame Produktion, das gemeinsame Entdecken der Musik.

Auf deiner bevorstehenden Tour präsentierst du vor allem deine zweite Platte. Was hat sich im Vergleich zum letzten Album verändert?
J.J.: Ich bin wieder zurück gekehrt zum Soul und setze die Gitarre mehr ein und gaaaanz viel Stimme - die Stimme ist für mich das Wichtigste Element.

Hast du auch Ängste, wenn du auf Tour gehst?
J.J.: Nein, ich liebe es auf Tour zu gehen, neue Orte und neue Leute kennenzulernen. Es ist echt cool in diesen 20-Bett Zimmern zu übernachten und jeden den Tag woanders aufzuwachen. Ängste habe ich dabei eigentlich keine.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort