Interview: Long Distance Calling

Die Rockband Long Distance Calling legte am 20.02. einen Tourstopp in der Rockhal in Esch/Alzette ein. Im Interview spricht Bassist Jan Hoffmann über Schubladen, Last-Minute-Songtitel und den Trierer Ortsbezirk Ruwer.

Interview: Long Distance Calling
Foto: Photographer: Martin Grossmann

Was fällt dir spontan zu Trier ein?
Jan: Trier kenne ich noch ein bisschen aus meinen frühen Kindheitstagen. Meine Cousins und Cousinen kommen aus Ruwer. Eine sehr, sehr schöne Ecke!

Dann bist du sicherlich auch Feuer und Flamme, wenn es am 20.02. mal wieder in die Nähe nach Luxemburg geht, oder?
Jan: Absolut. Die Gegend rund um die Mosel ist eine der schönsten.

Beim Durchforsten der Rezensionen eures aktuellen Albums "Flood Inside" stand bei Laut.de, die Platte sei "ruhig und entspannt" - seid ihr nun altersmüde geworden?
Jan: Nö, also ich finde die Platte gar nicht so ruhig und entspannt. Sie hat auch ihre lauten Momente. Jede Platte ist irgendwie anders. Beispielsweise ist unsere erste Platte die ruhigste. Die Lauteste ist vielleicht die dritte und "Flood Inside" ist eine Mischung aus allen.

Ihr habt sein einiger Zeit mit Martin Fischer einen festen Sänger. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Jan: Wir haben vorher drei Instrumental-Platten gemacht, die immer Gastsänger hatten. Beim Schreiben der vierten Platte haben wir gemerkt, dass wir uns einfach nicht nochmals wiederholen wollen. Paradoxerweise hat uns die Arbeit an den Vocal-Songs immer am meisten Spaß bereitet und sie gehen uns meistens auch relativ leicht von der Hand. Wir haben uns dazu entschlossen, einfach noch mehr Gesang einzubauen - so kam es zu diesem Entschluss.

Wie kam der Kontakt zustande?
Jan: Wir kannten Martin schon vorher und haben ihn einfach mal angerufen. Seine alte Band Pigeon Toe war mal mit uns auf Tour. Und nach dem Anruf war das sozusagen fix.

Wie hat sich der vermehrte Gesang bisher auf eure Musik ausgewirkt?
Jan: Puh, das kann man selbst schwer sagen.

Wollt ihr euch von den instrumentalen Songs komplett verabschieden?
Jan: Nein, die wird es auch weiterhin geben. Die Frage ist: Wie viele Vocal-Songs wird es geben? Das wissen wir selbst noch nicht. Aber wir arbeiten an neuen Songs und haben auch schon neue geschrieben. Aber wie viele davon am Ende auf die Platte kommen, das muss man mal sehen.

Ihr lässt die Musik vor allem für sich selbst sprechen, wie verändert sich dieser Anspruch durch den Gesang?
Jan: Die Texte sollen natürlich keine rein persönlichen Dinge sein, sondern Sachen, mit denen jeder etwas anfangen kann. Alles was wir machen, spielt sich auf einer emotionalen Ebene ab und so soll das auch bleiben. Es geht vor allem darum, Gefühle zu vertonen. Das kann ein Text auch unterstützen.

Eure Lieder sind relativ lang. Welche Intention steckt dahinter?
Jan: (lacht) Das ist Zufall! Wir haben es noch nie hinbekommen, einen Drei-Minuten-Song zu machen. Das artet bei uns immer aus, dazu haben wir einfach zu viele unterschiedliche Ideen. Vier Leute, die komplett verschieden sind und unterschiedliche Einflüsse haben, dann kommen lange Lieder dabei heraus.

Erzähl doch mal ein bisschen, wie verschieden seid ihr denn?
Jan: Ich bin der Älteste der Band - also eher ein 90er-Jahre-Kind, das Bands wie Tool oder Alice in Chains gut findet. Dave, unser Gitarrist, fährt eher auf der Rock-Schiene. Da spielen Van Halen oder Pink Floyd eine große Rolle. Gitarrist Flo ist eher der Stadion-Rock-Mensch. Er mag Bands wie Guns N' Roses oder Led Zeppelin. Unser Schlagzeuger Janosch beschäftigt sich eigentlich hauptsächlich mit Blues.

Und wie funktioniert diese bunte Mischung?
Jan: Das frage ich mich auf oft! (lacht) Aber es funktioniert. Es gibt auch ein paar Sachen, auf die wir uns einigen können. Beispielsweise Pink Floyd.

Ihr werdet auch mal als "instrumentale Speerspitze" bezeichnet und sollt "progrockpostmetallisch" sein - wie würdest du eure Musik beschreiben?
Jan: Das ist eine gute Frage! Ich finde es auch sehr schwierig und bin nicht der Schubladenmensch. Aber ich weiß, warum das manchmal wichtig ist. Als Postrock-Band haben wir uns nie gesehen. Das liegt daran, dass Lieder, die instrumentalisch und etwas atmosphärisch klingen, direkt dem Postrock zugeordnet werden. Wir haben uns eher als experimentelle, atmosphärische Rockband gesehen. Das trifft es vielleicht am besten.

Ein Freund von mir, der euch gut kennt, hat mir erzählt: "Immer wenn man glaubt, jetzt muss was passieren, dann passiert auch was." Was sagt ihr zu dieser Beschreibung?
Jan: Ja, das ist dieses emotionale Ding. Wir versuchen, die Parts relativ weit auszureizen. Aber es gibt einen Punkt, an dem man spürt, ob es nun nach links oder rechts geht. Das ist ein Gefühl, dass jetzt gleich etwas passieren muss. Und das passiert bei uns meistens zur gleichen Zeit. Unsere Songs entstehen so, dass wir uns zusammensetzen, jamen, irgendwas spielen und wenn wir uns das Produkt dann anhören, sehen wir, wo wir wechseln müssen oder etwas ändern sollten.

Mal rein hypothetisch gesprochen: Wenn eure Plattenfirma nun von euch ein Album wünscht, das in eine spezifische Richtung gehen soll, wäre das bei euch möglich?
Jan: Das wäre vermutlich schwierig. Das müsste sich schon innerhalb unseres eigenen Rahmens abspielen. Ich glaube, die Band funktioniert nur in dieser Konstellation.

Eure erste Platte habt ihr innerhalb von drei Tagen eingespielt. Wie lange habt ihr für die aktuelle Scheibe gebraucht?

Jan: Das ist vor allem eine Budget-Frage. Anfangs hatten wir keine Kohle und mehr als drei Tage war einfach nicht drin. Aber um eine Platte vernünftig aufzunehmen, brauch man meiner Meinung nach schon zwei bis drei Wochen. Beim Einspielen sind wir relativ schnell. Am längsten dauert die Postproduktion, wo es darum geht, den Sound zu finden. Einspielen geht ruckzuck. Unser Schlagzeuger ist wahnsinnig schnell, er ist manchmal nach anderthalb Tagen fertig und geht dann nach Hause. (lacht) Er kommt dann erst zum Mixen wieder und das dauert ungefähr zehn bis zwölf Tage.

Wie läuft die alltäglich Arbeit ab?

Jan: (lacht) Wir machen einfach. Einer fängt an irgendwas zu spielen und die anderen steigen ein. Das machen wir seit Anfang an auf diese Weise und so funktionieren wir auch. Eine Art wortlose Kommunikation.

Im Februar geht's auf Tour. Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Jan: Auf zwei Ebenen. Zum einen versucht man natürlich, spielerisch am Start zu sein. Das heißt, man übt die Songs für sich selbst, erst danach proben wir die Songs zusammen. Wir werden auf der Tour wahrscheinlich schon einen neuen Song spielen.

Wie heißt der neue Song?
Jan: Das wissen wir selber noch nicht. Er hat einen total bescheuerten Arbeitstitel, die unsere Songs immer haben. Derzeit heißt das Lied noch "Keyboardär". Die richtigen Titel entstehen erst kurz vorm Studio.

Die zweite Ebene?
Jan: Man versucht, fit auf eine Tournee zu gehen. Wir spielen im Winter und sind oft draußen, da kannst du dich schnell mal erkälten. Es ist schon anstrengend, du gehst spät ins Bett, es immer kalt und du bist geschwitzt. Und wenn du nichts machst, wirst du sehr schnell krank.

Auf einer Tour kann man sich fast nicht aus dem Weg gehen. Was tut ihr, damit euch nicht die Decke auf den Kopf fällt?
Jan: Och, jeder hat was zu tun. Sei es arbeiten, lesen oder zocken. Du entwickelst irgendwann ein Gespür dafür, wann der andere ein bisschen Ruhe braucht.

Backstage liegen dann vermutlich Orangen und gesunde Sachen bereit?

Jan: In der Tat! Wir haben vor ein paar Jahren von unserem Rider die Süßigkeiten entfernen lassen. Jeden Tag Chips und Schokolade sind einfach nicht gut und zu viel. Wir versuchen uns schon halbwegs gesund zu ernähren. Das hat mit Rock'n'Roll nicht viel zu tun, ich weiß. (lacht)

Auf eurer Facebook-Seite kann man Tickets kaufen, Videos sehen oder direkt auf den Fanshop zugreifen. Wie wichtig sind euch die sozialen Netzwerke?
Jan: Sie sind schon wichtig. Dadurch haben wir die Chance, direkt mit den Fans zu kommunizieren. Diese Distanz, die es früher mal gab, ist heute einfach nicht mehr da und das ist gut so. Wir kümmern uns selbst um die Fragen oder Anregungen von Fans auf Facebook.

Am 20. Februar tretet ihr in der Rockhal auf. Was fällt dir spontan zu Luxemburg ein?
Jan: Ranga Yogeshwar, Geld und schöne Landschaften.

Und was dürfen die Fans auf der Bühne von euch erwarten? Mein Kollege meinte, ihr seid live noch besser als auf CD.
Jan: Jede Band hat natürlich mal einen schlechten Abend. Aber ich glaube schon, dass wir generell eine gute Liveband sind. Ich finde das auch wichtig. Man sollte nichts aufnehmen, was man nicht zu mindestens 90 Prozent reproduzieren kann. Das ärgert mich bei vielen Bands. Darauf achten wir beim Songschreiben.

Du meinst, dass einige Bands einfach ihren Stiefel auf der Bühne runterspielen?
Jan: Zum Beispiel, dass manche Bands Songs aufnehmen, die im Studio bearbeitet werden - und man kann im Studio einiges machen -, so dass sie live ganz anders klingen. Man sollte eben nichts aufnehmen, was man nicht spielen kann. Das machen leider viele Bands. Wir haben ein hohes Maß an Spielfreude! Und am schönsten ist eigentlich die Tatsache, dass das nach sieben Jahren immer noch so ist. Es wird nicht weniger, sondern oft sogar noch mehr. Wir lieben einfach das, was wir machen.

Wann ist das nächste Konzert in Trier? Schließlich kennst du dich ja hier aus.
Jan: In Trier ist bis jetzt noch nichts geplant, aber vielleicht im Herbst. Wir schreiben gerade unsere neue Platte, die im Sommer fertig sein wird. Der Name kommt aber auch immer erst ultra last minute. (lacht)

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