Jede Menge Asse im Ärmel

FREUDENBURG. Wiedersehen mit Claudia Bettinaglio: Zwei Jahre nach ihrem fulminanten Debüt kehrte die Schweizer Sängerin mit neuer Band und neuem Programm in den Ducsaal zurück.

Manfred Weber ist so etwas wie ein musikalisches Trüffelschwein. Und wenn es eines weiteren Beweises für die gute Nase des Ducsaal-Chefs bei musikalischen Newcomern bedurft hätte: Claudia Bettinaglios zweiter Auftritt im Freudenburger Musik-Keller hätte ihn allemal geliefert. Dabei trügt zunächst der Schein. Die junge Schweizerin kommt auf der Bühne fast schüchtern daher, zierlich, attraktiv, aber keineswegs wie die geborene Entertainerin. Minutenlang kämpft sie mit dem Ohrhörer, lächelt verlegen, verheddert sich bei der Moderation. Aber wehe, wenn sie den Mund zum Singen aufmacht. Eine Stimme von atemberaubender Flexibilität, mal als urige Blues-Röhre, mal als schmeichelnde Pop-Sirene, gleichzeitig rau und sanft, erdig oder schrill - wie die Sängerin es eben braucht. Der Blues liefert das musikalische Gerüst. Keiner, der aus den Baumwollfeldern stammt, ein moderner, variabler song-orientierter Großstadt-Blues. Kein Wunder, dass Bettinaglio ihre ersten Sporen mit Tom-Waits-Covern verdiente. Aber damit hat sie jetzt auch ein kleines Problem. Ihre erste CD "Saving all my love" war ein exzellentes Waits-Album, mit eigenständigen Versionen, die nicht versuchten, Waits' Schrägheiten zu kopieren, aber auch der Versuchung widerstanden, seine Songs glatt zu polieren.Poppige Songs aus eigener Feder

Aber auf Covern lässt sich auf Dauer keine Karriere aufbauen, und so hat Claudia Bettinaglio die Songs für ihr zweites Album zu einem beachtlichen Teil selbst geschrieben, unterstützt von verschiedenen Musikern. Das Ergebnis ist zwiespältig, das Material ist insgesamt recht poppig, auf Eingängigkeit getrimmt, wenig originell. Es gibt Titel, die im Ohr hängen bleiben, wie das geradezu trotzige Liebeslied "You will last". Aber die wenigen Waits-Titel bleiben einsame Highlights im Live-Programm, zumal wenn sie so brillant interpretiert werden wie "Jockey full of bourbon" oder "Jersey Girl". Der gelegentliche kompositorische Leerlauf lässt sich im Übrigen leicht verkraften, wenn Sängerin und Band alle Register eines packenden Live-Auftritts ziehen. Da liefert Schlagzeug-Legende Walter Keiser - schon vor 20 Jahren mit Andreas Vollenweider unterwegs - ein kapitales, rhythmisch höchst vertracktes Schlagzeug-Solo, und Michael Poffet entlockt dem Kontrabass unerhörte Klänge. Alexander Paeffgen hat Hammond und Synthesizer gleichermaßen gut im Griff, und Hank Shizzoe, als Solist längst eine weitere Ducsaal-Entdeckung, spielt eine höchst fantasievolle Gitarre. Und dann hat Claudia Bettinaglio immer noch ein überraschendes Ass im Ärmel. Mir nichts, dir nichts taucht da plötzlich "Prettyhead" vom ZZ Top-Album "Rhythmeen" im Programm auf, und auf einmal hört man, wie eng der Avantgardist Waits und die traditionalistischen alten Herren mit den langen Bärten musikalisch verwandt sind. Da hätte man noch einiges mehr von vertragen - so sah es offenkundig auch das Publikum im gut besuchten Ducsaal. Aber nach knappem Zugaben-Block kam die Schweizerin mit ihrem bezauberndsten "Ich-weiß-auch-nicht-was-ich-sagen-soll-Lächeln" auf die Bühne und verkündete, man habe schlicht nichts mehr im Repertoire. Macht nix. Da freut man sich eben um so mehr aufs nächste Mal. Und das kommt, Manni Weber sei Dank, garantiert.

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