Jeder tote Uhu ist einer zu viel: Naturschützer beklagen Gefahren an Strommasten

Auw bei Prüm · Tödliche Vogelfalle: Ein Uhu, der an einem Strommast bei Auw verbrannte, hat die Naturschützer auf den Plan gerufen. Sie fordern vom Netzbetreiber RWE bessere Sicherungsvorkehrungen. Dort besteht man allerdings darauf, sämtlichen Gesetzesvorschriften entsprochen und alle Masten aufgerüstet zu haben.

Auw bei Prüm. Qualvolles Ende eines großen Greifvogels: Der Auwer Bürger Alois Rodemers entdeckte vor kurzem einen toten Uhu. Das Tier hing an einem Mittelspannungsmast von RWE-Westnetz - und war nach Auskunft des Vogelexperten Jan Roeland Vos aus Habscheid nicht das erste, das an einer solchen Stelle umkam. In der Region seien in jüngerer Vergangenheit bereits drei tote Uhus entdeckt worden, mehr als 150 in den vergangenen Jahrzehnten.
Drei Uhus - das klingt zunächst nicht danach, als sei der Bestand der Tiere gefährdet. Oder? "Der Uhu war schon einmal ganz weg", sagt Vos. "Und der Mensch war der Verursacher. Man hat ihn als Nahrungskonkurrenten abgeknallt. Und in den letzten Jahrzehnten ist der Bestand mit viel Mühe wieder in Ordnung gebracht worden. Da ist jeder Uhu, der beringt worden ist und ein Jahr später tot am Mast hängt, einer zu viel."
So ähnlich erging es auch dem Vogel, der bei Auw gefunden wurde: Er war als Küken vor zwei Jahren in einem Nest bei Schwirzheim mit einem Ring der Vogelwarte Radolfzell gekennzeichnet worden - von Mitgliedern der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (Ege): "Leider ist das Tier nur zwei Jahre alt geworden", sagt der Ege-Vorsitzende Stefan Brücher aus Bad Münstereifel. "Bei einer Lebenserwartung von 20 Jahren oder mehr ist das eine traurige Bilanz." Diese Bilanz, fürchten die Naturschützer, werde durch eine vermutlich hohe Dunkelziffer nicht gemeldeter Tiere noch trauriger. Denn betroffen seien neben Eulen und weiteren Greifvögeln auch Schwarzstörche und Rotmilane - Arten, die gefährdet sind und deshalb unter Schutz stehen.
Diese Gefährdung sieht Vos mittlerweile auch bei den Uhus: "Die lokale Population ist in einem kritischen Zustand." Er sei derzeit stark eingebunden als Berater in Windkraftfragen - "und diese Betreiber müssen einen enormen Aufwand treiben, um das artenschutzrechtlich hinzukriegen. Das ist auch gut so." Deshalb müsse man vom Stromkonzern das Gleiche verlangen können.
Die Netzbetreiber haben an ihren Mittelspannungsleitungen vielfach sogenannte Büschelabweiser montiert, die verhindern sollen, dass die Tiere mit ihren Füßen den geerdeten Mast berühren und mit den Flügeln das stromführende Kabel - und dann den tödlichen Schlag bekommen. Sitzen sie nur auf dem Draht, passiert ihnen nichts. Diese Abweiser in Form von strahlenförmig auseinanderlaufenden Kunststoffstangen seien aber kein hundertprozentiger Schutz, lautet die Kritik.
Vor allem entsprechen sie nicht mehr den Vorschriften, das bestätigt auch David Kryszons, Pressesprecher von RWE-Westnetz: "Werden heute an einem Mittelspannungsmast Montagearbeiten durchgeführt, so wird der Vogelschutz auf den aktuellen Stand gebracht", das heiße: ohne Büschelabweiser, dafür aber unter anderem mit 60 Zentimeter langen Isolatoren, Sitzstangen und Abdeckhauben. "Beim Neubau von Freileitungen ist der Einbau von Büschelabweisern nicht mehr erlaubt."
Die Vorschrift gilt seit Ende 2010. Abweiser, die bis dahin angebracht wurden, dürfen aber bleiben. "Und dann muss ich damit leben, dass da weiterhin Uhus und Schwarzstörche sterben", sagt Stefan Brücher. Es bestehe dann kein Rechtsanspruch auf Nachbesserung.
Angebot zum Ortstermin


Kryszons verweist darauf, dass der Vogelschutz für den Versorger "ein großes Thema" sei: "Wir haben 2012 sämtliche rund 2500 Mittelspannungsmasten im Raum Trier nachgerüstet", sagt er dem TV. "Dafür haben wir einen sehr hohen Betrag investiert." Und zwar 3,6 Millionen Euro. Die Büschelabweiser verhinderten durchaus, dass sich die Vögel "so auf den Mast setzen können, dass sie zu Tode kommen". Im Jahr 2002 sei das Bundesnaturschutzgesetz geändert worden, sagt Kryszons. Darin sei der Vogelschutz an Mittelspannungs- und Freileitungen verankert. "Bis Ende 2012 mussten alle Masten mit besonderer Gefährdung umgerüstet sein." Und dieser Vorschrift habe man entsprochen, insgesamt habe RWE in seinem Netzgebiet 170 000 Masten gesichert. Damit sei die Gefahr für größere Vögel "weitgehend gebannt", sagt Kryszons - auch wenn es keinen absoluten Schutz geben könne. Er macht aber den Kritikern ein Angebot, zumal ihm der Fall des toten Uhus bei Auw nicht bekannt gewesen sei: "Wenn die Naturschützer uns sagen, welcher Mast das ist, können wir den noch mal in Augenschein nehmen. Gerne auch in Begleitung der Naturschützer. Und dann schauen, ob er nachgerüstet werden muss."
Brücher glaubt allerdings, dass die Umrüstung an einer Stelle nur "ein Tropfen auf dem heißen Stein" sei. Stattdessen wäre es besser, alle Masten mit besserem Schutz auszustatten.Meinung

Ziehen und Zerren
Die Naturschützer sind empört darüber, dass immer noch Tiere an Strommasten in der Region verenden müssen - und stellen deshalb die Maximalforderung: Alles so schnell wie möglich auf den Stand der Vorschriften zu bringen. Das ist genau so verständlich wie der Umstand, dass wiederum der Netzbetreiber da kaum nachkommt. Zumal man bis vor ein paar Jahren noch mit den bisherigen Vorkehrungen völlig gesetzeskonform war. Es ist ein Ziehen und Zerren. Und es wird weitergehen, solange die Zivilisation sich, siehe Strom, siehe Windkraft, weiter in der Natur ausbreitet. Aber es ist notwendig. fp.linden@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort