Kaum Zeit zum Durchpusten

Wadern · Seit kurzem ist die Katze aus dem Sack: Philipp Wollscheid, eins der größten Abwehrtalente Deutschlands, wechselt im Sommer vom 1. FC Nürnberg zu Bayer Leverkusen. Der TV traf den 22-Jährigen bei einer Autogrammstunde in seiner saarländischen Heimatstadt Wadern. Wollscheid sprach über die Pfiffe der FCN-Fans, seine Ziele und die Nationalelf.

Wadern. Die Erzieherinnen der ,Rappelkiste\' freuen sich. Dank Philipp Wollscheid kann in der Kindertagesstätte in Morscholz (Ortsteil der zwischen Trier und Saarbrücken liegenden Stadt Wadern) neues Spielmaterial im Wert von 1000 Euro beschafft werden. Der 22-Jährige hat die Gage für eine Autogrammstunde im Waderner Einkaufszentrum Haco verdoppelt und die Gesamtsumme der Kita zur Verfügung gestellt. Eine nette Geste und ein Dankeschön. Wollscheid wurde früher in der Rappelkiste betreut.
Der gebürtige Morscholzer vermittelt den Eindruck, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Und das trotz eines anhaltenden Höhenflugs. Vor gerade einmal gut einem Jahr debütierte er in der Fußball-Bundesliga. Seit kurzem hat der zum Stammspieler beim 1. FC Nürnberg avancierte Saarländer einen Fünf-Jahres-Vertrag beim Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen in der Tasche, der ab der nächsten Saison greift. "Es ist schon krass, dass es so schnell nach oben ging. Aber es zeigt, dass man mit vernünftiger Arbeit immer weiterkommt", sagt Wollscheid.
Hecking riet zu Leverkusen


Vernünftige Arbeit drückt sich in Zahlen aus. In der vergangenen Saison war er laut Notenschnitt des Magazins "kicker" ligaweit drittbester Innenverteidiger (hinter Mats Hummels und Marcel Schmelzer). In der aktuellen Spielzeit mischt er nicht ganz vorne mit, beim 1. FC Nürnberg wird er aber weiterhin als bester Feldspieler gelistet.
Kein Wunder, dass sich die Topclubs der Liga nach ihm umschauen. Bayern München zeigte Interesse, ebenso der Meister Borussia Dortmund. Wollscheid aber geht nach Leverkusen - auch auf den Rat von FCN-Trainer Dieter Hecking hin, der seinen Schützling indes gerne gehalten hätte. Am Rhein dürfte der 22-Jährige die größeren Chancen haben, wie in Nürnberg Stammkraft zu werden.
Das alles ist jedoch noch Zukunftsmusik. Wollscheid hat kaum Zeit zum Durchpusten. Seine Konzentration gilt bis 30. Juni 2012 dem 1. FC Nürnberg und damit dem Abstiegskampf. "Wir haben es bislang nicht geschafft, so wie in der vergangenen Saison zu spielen. Wir kassieren zu einfache Tore", sagt der 1,94-Meter-Hüne, der über die Regionalligamannschaft des 1. FC Nürnberg den Sprung in die erste Liga geschafft hat, nachdem er einst vom 1. FC Saarbrücken aussortiert worden war.
Nationalelf? - "Thema nervt"


Mit dem Erfolg gegen Kaiserslautern am vergangenen Wochenende haben sich die Franken ein wenig Luft verschafft. Wollscheid stufte die Partie als die vielleicht schwerste in seiner bisherigen Karriere ein. Der Innenverteidiger war nervös, weil er nicht wusste, wie das Publikum auf seinen zuvor bekanntgegebenen Wechsel nach Leverkusen reagieren wird. "Es gab Pfiffe, aber es verlief alles recht harmlos", atmet der Saarländer auf.
Mehr als fünf Millionen Euro soll Wollscheid dem FCN an Ablöse in die Kasse spülen. "Es ist schon extrem, dass heute solche Summen im Fußball gezahlt werden. Andererseits ist es ein Zeichen von Wertschätzung für uns Spieler", sagt Wollscheid, den manche Beobachter bereits auf dem Sprung in die Nationalmannschaft sehen.
Das Talent aus dem Hochwald aber wiegelt ab: "Es nervt mich, auf das Thema angesprochen zu werden. Die Nationalelf spielt derzeit sensationell gut. Ich bin selbst Fan von ihr. Über eine Berufung mache ich mir keine Gedanken." Ihn interessiere immer nur das nächste Spiel. Also derzeit die Partie beim Hamburger SV am Sonntag.
Ausnahmsweise hat Wollscheid aber doch schon den letzten Spieltag im Blick. Dann trifft Nürnberg zu Hause auf Leverkusen. Der Abwehr-Schlacks im Duell gegen seinen künftigen Club. Vielleicht geht es für die Franken um den Klassenerhalt und für die Rheinländer um die Qualifikation zum europäischen Wettbewerb. Wollscheid hofft, solch eine vertrackte Situation umschiffen zu können: "Es wäre gut, wenn beide Mannschaften schon am 32. Spieltag ihre Ziele erreicht hätten."

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