Verein Nestwärme hilft Flucht aus Kiew: Für Nika und ihre Eltern beginnt in Trier ein neues Leben

Trier · Der Verein Nestwärme ist Türöffner in ein neues Leben: Wie eine Ärztin und ihr Mann mit der zwölfjährigen Tochter mit schweren Beeinträchtigungen das Trauma des Kriegs überwinden.

 Nika Mozghova mit ihren Eltern Nathalie und Viktor bei der Ankunft in Trier aus Kelsterbach im vergangenen Juli.

Nika Mozghova mit ihren Eltern Nathalie und Viktor bei der Ankunft in Trier aus Kelsterbach im vergangenen Juli.

Foto: Nestwärme

Für die Familie Mozghova ist Trier die schönste Stadt Deutschlands. „Es gibt hier so viele historische Sehenswürdigkeiten und altchristliche Heiligtümer“, schwärmt Viktor, Vater der zwölfjährigen Nika, die im Oktober 2010 in Kiew in der Ukraine zur Welt kam. Sie ist schwerst behindert, kann nur liegen, nicht sprechen und muss mit einer Spezialsonde ernährt werden. Das Mädchen benötigt rund um die Uhr Pflege und Betreuung, auch wegen epileptischer Anfälle, die es immer wieder heimsuchen.

So gelingt die Flucht aus dem Krieg in der Ukraine

Viktor, Schauspieler am Staatstheater, und seine Frau Nathalie, die seit 20 Jahren als Kinderkardiologin in einer Klinik in der ukrainischen Hauptstadt gearbeitet hat, kümmerten sich liebevoll um ihre einzige Tochter, als Russland das Land überfiel. „Als die Invasion begonnen hat, lag unser Haus in der Nähe der Frontlinie und es kam sehr schnell zu Problemen, die Spezialernährung zu bekommen, die Nika braucht“, sagt Viktor. Deshalb habe die Familie die Chance genutzt, im Mai 2022 bei einer Evakuierungsaktion gemeinsam mit 36 anderen Familien mit beeinträchtigten Kindern in einem Sonderzug nach Deutschland zu kommen. Als Vater eines solchen Kindes durfte er trotz der Generalmobilmachung im Land ausreisen.

Untergebracht wurde die Familien mit 106 weiteren Personen in einem Hotel in Kelsterbach bei Frankfurt. Doch die Situation dort war für Familien wie die Mozghovas trotz aller Hilfsbereitschaft schwierig. „Wir sind als Nestwärme darauf hingewiesen worden“, erinnert sich Dirk Hense, Projektkoordinator der Ukrainehilfe Deutschland-Luxemburg des Vereins, der dabei mit der Stiftung der Bank BNP Paribas zusammenarbeitet. Gemeinsam mit dem Kinderhospizdienst Löwenzahn in Frankfurt sei ein Plan für die bessere Unterbringung der Familien erarbeitet worden.

Dem Vorschlag, dass Nika mit ihren Eltern in eine der kleinen, aber für die Pflege bestens ausgestattete Wohnung der Nestwärme-Brückenpflege in Trier einzieht, stimmte die Familie umgehend zu. Dort wohnt sie seit Juli gemeinsam mit einer fünfköpfigen Familie aus Syrien – die dreijährige Tochter leidet an schweren Entwicklungsstörungen – und einer Frau aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine, die mit ihrem traumatisierten Sohn nach Deutschland geflohen ist. Die beiden größeren Familien leben jeweils in zwei Zimmern mit angeschlossenem Bad. Auch das Zimmer von Mutter und Sohn verfügt über ein eigenes Bad.

Das Zusammenleben funktioniere gut, sagt Hense, was Viktor Mozghova und seine Frau bestätigen. „Wir sind von den Mitarbeitern dieser wunderbaren Organisation wie Einheimische begrüßt worden. Nestwärme hilft allen, die Hilfe brauchen.“ Unterstützung habe es bei dem nicht einfachen „Papierkram“ gegeben. „Und Nika wird mit allem versorgt, was sie braucht: Essen, Windeln, medizinische Versorgung.“

Auf Initiative des Kraft-Bräu Talks und mithilfe der Volksbank Trier wurde auch eine Duschliege für das Mädchen organisiert. Ein Rollstuhl wurde angeschafft. „Nestwärme hat auch geholfen, damit unsere Tochter dreimal in der Woche die Treverer-Schule besuchen kann. Wir sind allen Menschen mit großem Herzen sehr dankbar, die der Bitte um Hilfe gefolgt sind.“

Drei Familien leben in den kleinen Wohnungen der Nestwärme-Brückenpflege

In der „Brückenpflege“ koordiniert Psychologin Sarah Burkardt die Hilfe und ist ständige Ansprechpartnerin für die Familie. Die psychosoziale Betreuung ist dort ebenso wichtig wie die Gesundheitsversorgung und die Organisation der Weiterbildung. Denn für alle Flüchtlinge sind Deutsch- und Integrationskurse verpflichtend. „Wir werden auch in Kelsterbach Resilienz-Kurse anbieten“, sagt Dirk Hense. „Die Menschen dort sind durch ihre Erlebnisse stark belastet und bekommen so das Rüstzeug, um damit besser umgehen zu können.“ Bereits am 23. März wird es eine vierstündige Einheit geben.

Nathalie Mozghova will nach Abschluss ihres Sprachkurses in einem der Trierer Krankenhäuser als Kardiologin hospitieren. „Wir sehen unsere Zukunft hier, wo es für unser Kind besser ist“, sagt die 50-Jährige. „Wir wollen uns integrieren, hier leben und arbeiten.“

So könnte das Kinderhospiz auf der Familie Mozghova helfen

Eine Einrichtung wie das geplante Kinderhospiz wäre auch für diese Familie die Möglichkeit der Hilfe, falls Vater oder Mutter zum Beispiel durch eine Erkrankung zeitweise bei der Betreuung ihrer Tochter ausfallen würden. Doch daran denken die Ärztin und ihr Mann derzeit nicht.

„Im Leben jedes Menschen kann unerwartet ein Unglück passieren“, sagen sie. „Es ist sehr wichtig, dass es in diesem Moment freundliche Menschen gibt, die immer bereit sind zu helfen. Wir möchten den Menschen in Deutschland unseren tiefen Dank für ihre Hilfe aussprechen und wünschen allen Menschen Frieden und alles Gute.“

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