Klerikale Retourkutsche aus Trier

Trier · Ganze 14 Monate lang wurden die Gläubigen in Deutschlands ältestem Bistum auf die Folter gespannt, ehe die langersehnte Namensliste aus Rom endlich in Trier eintraf.

Danach ging alles ganz fix. Innerhalb von nur zwei Tagen hatte das Domkapitel Stephan Ackermann gewählt. Die öffentliche Bekanntgabe eines neuen Bischofs erfolgt normalerweise zeitgleich in Rom und dem jeweiligen Bistum - meist an einem Freitag um Punkt 12 Uhr. Im Fall Stephan Ackermann gab's gleich eine doppelte Ausnahme von der Regel. Statt an einem Freitag wurde der Name des neuen Trierer Bischofs an einem Mittwoch verkündet. Woran's gelegen hat? - Wahrscheinlich an den Glocken. Die fliegen über Ostern bekanntlich alle nach Rom, wären bei einer Namensverkündung am Freitag also gar nicht da gewesen. Und eine Bischofsernennung ohne Glockengeläut im Dom ist einfach unvorstellbar.

Ausnahme Nummer zwei: Trier hat Rom dieses Mal ein Schnippchen geschlagen und den Namen des neuen Bischofs gut 20 Minuten vor den Römern verkündet. Wie's kam? Ganz einfach: Das Pontifikalamt im Dom, an dessen Ende Dompropst Werner Rössel den Namen des neuen Bischofs bekannt gab, war um exakt 11.39 Uhr vorbei - und damit 21 Minuten zu früh. Hätten die Trierer bloß mal die im Vorfeld erteilte Anweisung der Nuntiatur in Berlin beherzigt: "Singt einfach alle Lieder zwei Strophen länger, dann ist es 12 Uhr, bis die Messe vorbei ist." Die Worte des päpstlichen Sekretärs hörten die Trie8rer Kirchenmänner wohl, aber sie folgten ihnen nicht und stahlen so Rom die Schau.
So etwas nennt man wohl eine klerikale Retourkutsche für die lange Wartezeit. ....

Rolf Seydewitz

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