Kloster ohne Mauern

Die Steyler Missionare sind weltoffen, doch dem Orden fehlt der Nachwuchs

Von der Maas an die Lieser, dazu Applaus nach der Predigt und ein Kloster ohne Mauern. Weltoffen sind sie, die Steyler Missionare. Zu Kulturkampfzeiten wurde der Orden von einem deutschen, mittlerweile heilig gesprochenen Pater gegründet. Als Arnold Janssen 1875 im holländischen Steyl, heute Ortsteil von Venlo an der deutsch-niederländischen Grenze, den Orden der Steyler Missionare gründete, wusste er nicht, dass seine Gründung im beginnenden 21. Jahrhundert über den halben Globus verteilt sein wird. Damals veranlasste ihn der preußische Kulturkampf, nach Holland auszuweichen und den Orden der "Steyler Missionsgesellschaft" zu gründen. Er erhielt schnell großen Zulauf. Aktuell sind 6200 Patres und Brüder sowie 4500 Schwestern über die Welt in 60 Ländern missionarisch tätig. Im Wittlicher Tal haben die Steyler 1922 eine Niederlassung errichtet, das Missionshaus St. Paul bei Wengerohr. Es ist ein Kloster ohne Mauern und auch ein Ort, dessen Gottesdienste gerne besucht werden. Die inhaltsreichen Predigten der Patres, die ihre Erfahrung aus allen Erdteilen einbringen, verleiten schon mal zu spontanem Applaus in der 1970 errichteten Klosterkirche. Das Gotteshaus in Zeltform wurde vom Trierer Künstler Werner Persy mit zeitgenössischen Wandmalereien zum Thema "Apostel Paulus" ausgestattet. Die Klostergemeinschaft pflegt die Kontakte zu den Menschen rund um Wittlich. Und die fassen die Verbundenheit mit den Missionaren in kurze, prägnante Worte: St. Paul ist geistiges Zentrum für das Wittlicher Tal, weil die Steyler den Weltgedanken nahe bringen, über den Tellerrand schauen und Akzente in der Spiritualität setzen. Sie provozieren schon mal im positiven Sinne. In Steyl befindet sich das Grab des heiligen Arnold Janssen in der Unterkirche. Die Architektur des Gotteshauses aus den Jahren 1881/84 ist ergänzt worden um sakrale Kunst des 20. Jahrhunderts. Helligkeit erfüllt die Oberkirche mit ihrer neugotischen Inneneinrichtung. Die Kirche und das Gründungshaus liegen direkt an der Maas. Ungewohnt für deutsche Augen sind die durchgängig in rotem Backstein errichteten Klosteranlagen. Balsam für die Seele: die umfangreichen Parkanlagen an der Maas, mit alten Baumbeständen und gepflegten Wegen. Hier trifft der Werbeslogan des Ordens zu: "Oase Steyl". Die klösterliche Umgebung kann in einer Welt des Lärms für wenige Stunden zur angenehmen Erholung werden für den, der offen und bereit ist. Klosterdorf nennt sich das kleine Steyl auch deswegen, weil dort weitere Orden tätig sind: Benediktinerinnen, Trappisten und Vorsehungsschwestern. Regungslos verharrt 30 Minuten lang eine der "Dienerinnen des heiligen Geistes von der ewigen Anbetung" vor dem Altar. Reihum wechseln die rosa gekleideten Schwestern in ihrem Dienst rund um die Uhr. Ordensintern werden sie liebevoll "Pinkies" genannt, wegen des rosafarbenen Gewands. Spitznamen im Orden - auch das ein Zeichen der Weltoffenheit der Steyler. Hoffnung für den Standort Wittlich? Bereits Ende 2005 war vom Orden bekannt gegeben worden, das Missionshaus zu schließen. Auch den Steylern fehlt der Nachwuchs. Derzeit wirken fünf Ordensmitglieder im Wittlicher Missionshaus und vier Geistliche als Pfarrer. Bisher wurde kein adäquater Käufer gefunden. Die Wittlicher jedenfalls haben persönliche Bindungen nach St. Paul, viele aus dem Tal haben dort geheiratet, viele besuchen die sonntäglichen Gottesdienste, viele fühlen sich von der Atmosphäre des Klosters ohne Mauern und dem welterfahrenen und offenen Umgang mit den Patres angezogen. Erich Gerten

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