Kreativität fürs ganze Leben

TRIER. Die Kurse des "Jugendkunstzentrums" sind mittlerweile fester Bestandteil des Trierer Tufa-Programms geworden. Wer teilnimmt, wird nicht unbedingt der große Künstler, aber er lernt Fähigkeiten fürs Leben.

 Neue Farben entdeckt: Carlotta und ihr Werk im Jugendkunstzentrum der Tufa Trier.Foto: Martin Möller

Neue Farben entdeckt: Carlotta und ihr Werk im Jugendkunstzentrum der Tufa Trier.Foto: Martin Möller

Ob die da auch was Ordentliches tun? Claudius hat sich an die Farbe Grün gewagt und probiert mit dem Spachtel aus, welche Schattierungen möglich sind. Das soll Hintergrund werden für eine "verdrehte Blume", blauer Stängel und gelbe Blüte. Julius zeichnet bizarre Figuren - Berge in der Schweiz seien das, sagt er - und will eine Geschichte mit seinem Bild erzählen. Carlotta hat Farben auf Papier aufgetragen und dann so gemischt, dass neue Farbtöne entstanden sind - 29 an der Zahl. Christine hat eine Bürste genommen und probiert optische Effekte aus: "Nur so ein Muster". Und Judith zeichnet, radiert und probiert: "Ich gucke einfach mal". Vielleicht, fügt sie hinzu, wird aus dem Experiment ja ein Bild von schönen Landschaften. Keine Schule, auch keine freiwillige

Die Kinder, sieben bis zwölf Jahre alt, sind Kursteilnehmer bei Gisela Hubert im Jugendkunstzentrum der Trierer Tufa. Nein, sagt Hubert, selber eine renommierte Künstlerin, das sei hier keine Schule, auch keine Musikschule auf freiwilliger Basis. Es gibt kein Curriculum, kein festgelegtes Ziel, keinen kontrollierten Lernerfolg, keinen Zwang zur Leistung, keine Vorgaben, nur ein Material-Angebot. "Die Kinder bestimmen, was gemacht wird." Das ist in einer Gesellschaft, die vielen die missliche Alternative von Lernwut oder Lernverweigerung aufzwingt, ungewöhnlich. Es ist ungewöhnlich, dass Kinder ihrem eigenen Impuls folgen, statt auf die Forderungen Älterer brav zu reagieren - oder aber sich auch zu verweigern. Wer zum Jugendkunstzentrum kommt, darf seine Phantasien ins Bild übersetzen, darf am Bild neue Ideen ausprobieren und kann Gespürtes, halb Bewusstes im Bild artikulieren. Bei einem Kind fällt auf, dass es sich im Bild klarer, deutlicher, anschaulicher ausdrücken kann als über die Sprache. Die Besetzung an diesem Nachmittag ist klein. Normalerweise kommen acht bis neun, maximal zehn Kinder zu Gisela Huberts Kurs. Die ist nicht die einzige Dozentin. Frauke Güntzel, Lilo Schaab, Ximena Rojas, Jürgen Küpper sind dabei. Und sogar Theater gehört zum Jugendkunstzentrum. Die Felder, auf den die Dozenten arbeiten sind unterschiedlich: Malen, Töpfern, Zeichnen, Basteln, Drachen und Windspiele bauen. Kreativität - dieses mittlerweile leicht abgegriffene Wort hat im Jugendkunstzentrum immer noch die alte Schlüsselstellung. Sie ist, was die Mathematiker die "notwendige Bedingung" nennen. Nur für sich alleine reicht sie nicht aus, aber nichts geht ohne sie. Am Ende der Kurse stehen nicht die perfekten Maler, Plastiker, Bildhauer. Auch der Einstieg in eine Kunsthochschule mit Aufnahmeprüfung wird über das Jugendkunstzentrum schwerlich gelingen. Und trotzdem nehmen die Kursteilnehmer Wichtiges aus dem hellen Atelier im Tufa-Obergeschoss mit. Wenn das Jugendkunstzentrum irgend etwas mit Schule zu tun hat, dann mit einer Schule fürs Leben. Was die Kinder über einige künstlerische Techniken hinaus lernen, ist nicht abfragbares Wissen, sondern weniger und zugleich mehr: Einfallsreichtum, Experimentierfreudigkeit, die Fähigkeit zu unkonventionellen Lösungen, Interesse an Kommunikation, Austausch, Reflexion. Viele Unternehmen haben solche "weichen" Faktoren bereits einbezogen in ihre Personalentwicklung. Sie gelten als Voraussetzungen für den Erfolg am Markt. Und so ist, was beliebig und nutzlos scheint, doch eine wichtige Voraussetzung für die Zukunft - die der Kinder und die der Gesellschaft.

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