Kunst rund ums Christkind

Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt.“ Nach dem Lukasevangelium ist das die frohe Kunde, die die Hirten auf dem Felde von einem Engel vernehmen.

Und sie ziehen los, mit ihren Schafen, in ihren ärmlichen Kleidern, um das Christuskind zu sehen, das genau wie sie in Armut geboren wurde. „Ich möchte die bittere Not, die der Heiland schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie er in eine Krippe gelegt wurde, an der Ochs und Esel standen, und auf Heu gebettet, so greifbar wie möglich mit leiblichen Augen schauen“ – so liest man es beim Heiligen Franz von Assisi. Im 13. Jahrhundert machte er den Brauch, die Geburt Jesu mit lebendigen Figuren darzustellen, populär. Nach diesem Vorbild werden zur Weihnachtszeit Krippen aufgestellt. Sammler sind stets auf der Jagd nach schönen oder ausgefallenen Stücken. Zwölf ganz besondere Weihnachtskrippen sind unter dem Titel „...und sie fanden das Kind in der Krippe“ derzeit im Dom- und Diözesanmuseum in Trier ausgestellt. Da ist das ganz klassische Ensemble zu sehen, mit Maria, Josef und dem Jesuskind aus Holz geschnitzt in einem hölzernen Stall mit Strohdach; da gibt es aber auch die künstlerisch sehr hochwertige Darstellung der Heiligen Familie aus rötlichem Ton, mit genau modelliertem Faltenwurf der Kleidung und hingebungsvollem Gesichtsausdruck der Marienfigur.

„Diese Arbeit stammt wahrscheinlich von August van der Velde, der in den 20er Jahren an der Trierer Werkkunstschule unterrichtet hat“, sagt Anita Büttner. Die 80-jährige gebürtige Triererin Anita Büttner hat die Krippen dem Dom- und Diözesanmuseum gestiftet. Als promovierte Kunsthistorikerin und Archäologin hatte sie 30 Jahre lang am hessischen Landesmuseum in Darmstadt gearbeitet und ist vor einem Jahr in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass das Museum sofort eine Ausstellung aus meinen Krippen und Figuren macht“, sagt die kleine, zartgliedrige Frau, die mit wachen, braunen Augen ihren Blick über die bunten Figuren schweifen lässt. „Aber es freut mich natürlich ganz besonders, dass die Stücke jetzt zu sehen sind.“

Anita Büttner zeigt auf die letzte Vitrine, in der eine sehr farbenfrohe Szenerie aufgebaut ist. „Das ist meine Lieblingskrippe“, sagt sie. „Sie wurde in der Provence gefertigt und zeigt sehr schön, wie Krippen dort gemacht werden: Zum Stall mit dem Jesuskind kommt die Stadt- und Landbevölkerung mit typischer Kleidung. Sehen Sie, hier ist eine Zigeunerin mit Tambourin, die tanzt, da ist ein Großvater mit seinem Enkel, da eine feine Dame, und dort sogar ein Räuber mit schwarzem Bart.“ In der Tat kann man das Auge über ein richtiggehendes Gesellschaftsporträt schweifen lassen. Und wie bei fast jeder vollständigen Krippendarstellung mit dabei ist auch hier der Schäfer, der eines seiner Tiere auf den Schultern trägt – „ein Hinweis auf das Gleichnis vom guten Hirten“, meint Anita Büttner.

Krippen begleiten Anita Büttner seit ihrer Kindheit. „Mit meiner Großmutter bin ich in der Weihnachtszeit von Kirche zu Kirche gegangen, und wir haben die Krippen angesehen“, erinnert sich die alte Dame. Mit dem Sammeln begann die Kunsthistorikerin in den siebziger Jahren, nachdem sie auf neapolitanische Krippen mit Korkbauten stieß. Sie kaufte die Stücke, die ihr gefielen, vor allem beim Trödler und auf Flohmärkten, denn Krippenbauer-Traditionen wie in Oberammergau gibt es in Hessen und Rheinland-Pfalz kaum. Die erste Krippe der Ausstellung im Dom- und Diözesanmuseum jedoch ist tatsächlich eine Arbeit aus dem Trierer Raum. Eine befreundete Familie von Anita Büttner bekam in den Kriegsjahren 1943/44 ihr erstes Kind. Die Eltern wollten eine Weihnachtskrippe und kauften die aus Lindenholz geschnitzten Figuren bei der Firma Nußbaum in Morbach. „Es war eine schlechte Zeit, und wie so oft hat sich die Familie die Krippe vom Munde abgespart“, erinnert sich Anita Büttner. Der Vater baute den Stall für die Figuren. „Krippen sind eine Volkskunst. Das Geschehen rund um Jesu Geburt bewegte die Menschen, und viele bauten eigene Krippen“, sagt Büttner.

In der Ausstellung sind außerdem unter anderem eine Krippe aus Linol und eine originelle Laubsägearbeit nach einem Bastelbogen aus den 20er Jahren zu sehen. Außerdem finden sich Einzelfiguren aus Lindenholz vom Beginn des 19. Jahrhunderts aus Oberammergau und eine Tiroler Krippe, die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. „Nicht immer sind die Krippen vollständig – oft musste ich das Jesuskind ersetzen, oder auch Ochs und Esel“, sagt Anita Büttner und lächelt. „Schließlich haben schon seit jeher Kinder mit den Figuren gespielt. Da geht schon mal etwas verloren.“ Birgit Pfaus-Ravida Die Krippen aus der Sammlung Dr. Anita Büttner sind noch bis zum 16. Januar im Dom- und Diözesanmuseum, Windstraße 6-8, in Trier zu sehen. Dienstag bis Samstag 9 bis 17 Uhr, sonn- und feiertags von 13 bis 17 Uhr. Eine der zwölf Krippen, die derzeit im Dom- und Diözesanmuseum ausgestellt sind: Figuren aus den zwanziger Jahren, hergestellt aus einer Gipsmasse (oben). Eine besonders wertvolle Arbeit: Eine tönerne Madonna mit Jesuskind, wahrscheinlich von August van der Velde, der in den zwanziger Jahren Professor an der Trierer Werkkunstschule war (unten links).

Weihnachtslied:

 Eine der zwölf Krippen, die derzeit im Dom- und Diözesanmuseum ausgestellt sind: Figuren aus den zwanziger Jahren, hergestellt aus einer Gipsmasse.

Eine der zwölf Krippen, die derzeit im Dom- und Diözesanmuseum ausgestellt sind: Figuren aus den zwanziger Jahren, hergestellt aus einer Gipsmasse.

Foto: Foto: Birgit Pfaus-Ravida

Ihr Kinderlein, kommet Ihr Kinderlein, kommet, O kommet doch all!
Zur Krippe her kommet In Betlehems Stall.
Und seht, was in dieser Hochheiligen Nacht
Der Vater im Himmel Für Freude uns macht.
Text: Christoph v. Schmid, 1768-1854;
Melodie: Johann Abraham Peter Schulz, 1747-1800.

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