Kunstgeschichte(N)

Moritz schrubbt die Hauswand. Langsam wird das bunte Bild darauf blasser.

 „Respect“ haben die Schüler der Hauptschule Speicher an eine Wand des Gebäudes gesprüht. Damit wollen sie an den respektvollen Umgang miteinander erinnern. TV-Foto: Archiv

„Respect“ haben die Schüler der Hauptschule Speicher an eine Wand des Gebäudes gesprüht. Damit wollen sie an den respektvollen Umgang miteinander erinnern. TV-Foto: Archiv

"Was machst du denn da?", fragt sein Freund Nico, der gerade vorbeikommt. "Ich hatte ganz tolle Graffiti auf die Wand gesprüht", sagt Moritz düster. "Aber Papa will, dass ich sie wieder wegmache. Null Ahnung von Kunst und null Toleranz", brummt er und schrubbt weiter. Genau genommen hatte Papa, als er nach Hause kam, etwas von Kinderhänden gebrüllt, die angeblich Tische und Wände beschmierten (was wirklich gemein war, immerhin war Moritz schon fast 14) und Moritz umgehend mit Putzeimer und Schrubber rausgeschickt. Nicht ganz zu Unrecht. Natürlich kann man nicht einfach irgendwas auf Wände sprühen - weder zu Hause noch anderswo. Zu Hause gibt es Stress, und anderswo ist es Sachbeschädigung. Trotzdem ist die Graffiti-Kunst inzwischen tatsächlich eine anerkannte Kunstart und außerdem eine spannende. Ursprünglich kommt sie aus Amerika. Die Einzahl von Graffiti lautet "Graffito". Das waren Schriftbilder, die aus Wut entstanden. Vor allem die arme Bevölkerung sprühte in Worten und Sätzen an die Wand, wogegen sie protestierte. So wie: "Schluss mit der Ungerechtigkeit" oder "Raus mit unehrlichen Politikern". Mit der Zeit kamen zu den Wörtern Gesichter, Figuren und Gegenstände. Damit sie auch gesehen wurden, mussten die Graffiti draußen auf Wände gesprüht werden. Natürlich waren solche Protestbilder auf Hauswänden oder in Unterführungen nicht genehmigt. Deshalb hat die Kunst häufig den Ruf, unerlaubte Schmiererei zu sein. Die berühmteste Wand in Deutschland mit solchen Graffiti-Protesten war übrigens die Berliner Mauer, die früher Ost- und Westberlin trennte. Inzwischen gibt es berühmte Graffiti-Künstler wie den Amerikaner Keith Haring und seine Strichmännchen. Die Graffiti-Künstler arbeiten auch schon lange nicht mehr nur im Freien an Wänden. Sie haben wie andere Künstler Ateliers und außer Farben aus der Sprühdose benutzen sie auch Pinsel, Leinwände und Farben aus der Tube. Aufregend sind die Bilder oft immer noch. Auch in der Region, zum Beispiel in Trier und Wittlich, gibt es heute viele Wände mit (genehmigten) Graffiti. Und im vergangenen Jahr hat sogar ein junger Graffiti-Künstler in Wittlich den Kulturförderpreis des Landkreises Bernkastel-Wittlich gewonnen. Eva-Maria Reuther

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