Kirchenaustritte Ein neuer Schock und viele Schlussfolgerungen beim Bistum Trier

Trier · Die jüngsten Austrittszahlen lassen im Bistum Trier die Alarmglocken läuten. Doch bei der Suche nach den Gründen gehen die Meinungen auseinander.

 Die Kritiker sagen, dass sich die katholische Kirche zu weit von den Gläubigen entfernt habe. 

Die Kritiker sagen, dass sich die katholische Kirche zu weit von den Gläubigen entfernt habe. 

Foto: TV/Rolf Seydewitz

2014 war für die katholische Kirche ein Schockjahr. Bundesweit schnellten die Austrittszahlen in die Höhe. Es seien die Nachwehen des Skandals  um den Limburger Prunk-Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, lautete damals eine der Begründungen. Eine andere hatte der damalige Trierer Generalvikar Georg Bätzing, der den nach Rom wegbeförderten Tebartz-van-Elst zwei Jahre später beerben sollte. Bätzing machte für die überproportional stark gestiegenen Austrittszahlen vor allem das geänderte Verfahren zum Abzug der Kirchensteuer bei Kapitalerträgen verantwortlich. Zudem, so der ehemalige Verwaltungschef des Bistums, sei die Kirche für viele nicht mehr wie eine Familie, sondern eher wie ein Verein oder eine Partei.

Das klang in beiden Fällen nicht gerade so, als könne man die Schuld an der Misere bei der katholischen Kirche und ihren irdischen Repräsentanten suchen, sondern eher bei den Finanzbehörden oder den Gläubigen selbst.

Gemessen daran sind die Aussagen von Bätzings Nachfolger Ulrich Graf von Plettenberg fast schon revolutionär. Der Generalvikar von Bischof Stephan Ackermann forderte angesichts der neuerlich rekordverdächtigen Austrittszahlen am Freitag doch tatsächlich „seine“ Kirche dazu auf, etwas zu ändern: „Haltungen, Arbeitsweisen, aber auch Strukturen“, sagte der oberste Verwaltungschef des Bistums wörtlich.

Eine gute Grundlage dafür ist nach Meinung von Plettenbergs die demnächst so richtig Fahrt aufnehmende Umsetzung der Synode, wenn nämlich Anfang nächsten Jahres die ersten 15 Pfarreien der Zukunft an den Start gingen und strukturelle und organisatorische Veränderungen sichtbar würden. Eine Schlussfolgerung, die etliche Kritiker nicht nachvollziehen können. Ganz im Gegenteil. Die amtskirchenkritische Bewegung „Wir sind Kirche“ macht sogar die Auflösung der 887 kleinen Pfarrgemeinden und deren Aufgehen in insgesamt 35 XXL-Pfarreien mitverantwortlich für den personellen Aderlass bei den Gläubigen.

Die von Bischof Marx eingeleitete und von Bischof Ackermann fortgeführte große Flurbereinigung habe die Gläubigen vor Ort und auch die Priester sehr verunsichert, sagt Sprecher Christian Weisner. Die Trierer Bistumsleitung müsse nun endlich ihren Plan überdenken, gewachsene Strukturen „von oben“ zu zerstören. Dieser Meinung sind auch die Mitglieder der gegen die Auflösung kleiner Pfarreien mobil machenden Initiative „Kirchengemeinde vor Ort“, der sich nach eigenen Angaben inzwischen 308 Pfarrgemeinden angeschlossen haben. Die Menschen seien enttäuscht vom Vorgehen des Bistums und des Bischofs, sagt Sprecher Harald Cronauer. Sollten die Reformpläne nicht gestoppt werden, werde es noch mehr Austritte geben, prophezeit Cronauer.

Doch es gibt auch andere Punkte, die bistumskritische Initiativen wie die Vereinigung der Missbrauchsopfer im Bistum Trier, „Missbit“, anführen, wenn sie nach möglichen Gründen für die Austrittswelle gefragt werden. Es liege doch auf der Hand, dass die Austrittszahlen auch etwas mit der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals zu tun hätten, sagt „Missbit“-Sprecher Thomas Schnitzler. Dabei gehe es auch um Punkte wie die mangelnde Lernbereitschaft und fehlende Glaubwürdigkeit.

     Generalvikar des Bistums Trier Ulrich Graf von Plettenberg.

Generalvikar des Bistums Trier Ulrich Graf von Plettenberg.

Foto: Helmut Thewalt,Trier

Von Glaubwürdigkeit spricht auch der Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg. Er sagt, dass die Kirche erst dann wieder glaubwürdig werde, wenn sie sich den Lebensbedingungen und Situationen der Menschen annähere. Und wenn sie Interesse zeige für deren Themen und Bedürfnisse.

Zumindest dieser Schlussfolgerung von Bischof Stephan Ackermanns rechter Hand dürften auch die Kritiker zustimmen.

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