Klima Tausende Waggons mit Futter für Eifeler Vieh

Pronsfeld/Üttfeld · Rekordsommer? 1976 war alles noch härter, vor allem in der Eifel. Damals kam Hilfe aus ganz Deutschland – in Form von Strohballen.

 Der Pronsfelder Bahnhof 1976: Ein Zug mit einer Strohladung auf dem Weg nach Neuerburg. Der Zugbegleiter muss die Schranke selbst bedienen.

Der Pronsfelder Bahnhof 1976: Ein Zug mit einer Strohladung auf dem Weg nach Neuerburg. Der Zugbegleiter muss die Schranke selbst bedienen.

Foto: Winfried Richards

Von Fritz-Peter Linden

Es war so lange so heiß und so trocken, dass die Kühe von ihren Weiden türmten, weil sie dort nichts mehr zu fressen fanden. Wochenlang litt die Eifel unter der Hitze und den Temperaturen weit über 30 Grad.

 Hunderte Frachtzüge bringen Stroh in die Eifel, einer wird gerade am Bahnhof Pronsfeld entladen.

Hunderte Frachtzüge bringen Stroh in die Eifel, einer wird gerade am Bahnhof Pronsfeld entladen.

Foto: Winfried Richards

Kurz: ein Jahrhundertsommer. Aber nicht der aktuelle, sondern der vor 42 Jahren. Und auch damals fragten sich alle: Wann wird’s mal wieder richtig regnen? Seit dieser Woche ist das für 2018 ja erledigt, auch die Temperaturen haben sich auf Eifeler Normalwerte für diese Jahreszeit heruntergekühlt.

Aber angesichts des Wetters hat sich Winfried Richards, der frühere Ortsbürgermeister von Pronsfeld und heute „Stationsleiter“ des ehemaligen Bahnhofs am Dorfrand, in der Prümer Redaktion gemeldet: „Ich kann mich noch gut an 1976 erinnern“, sagt Richards, „als wir hier in der Westeifel eine große Hitzeperiode mit Trockenheit hatten.“

Den Kindern habe das Wetter ideale Tage in den Schwimmbädern beschert – die ja damals noch in vielen Orten existierten, heute sind sie ja fast alle weg. Anders aber sah es für die Land- und Forstwirtschaft aus: Für die nämlich, sagt Richards, sei der Sommer 1976 nichts weniger als eine Katastrophe gewesen.

Trocken und heiß war es überall, dramatisch aber vor allem in der Eifel, auch damals mit Temperaturen, die an die 40 Grad heranreichten. „Die lang andauernde Hitzewelle verursachte eine große Dürre. Wiesen und Felder trockneten aus, es gab nicht genügend Futter für das Vieh – und es kam sogar zu Notschlachtungen“, sagt Richards. Wegen der stetig dramatischer werdenden Lage habe der damalige Bitburg-Prümer Landrat Karl Vogt dann auch den Katastrophenfall für das Kreisgebiet ausgerufen. Und dann handelte man: „Mit vereinten Kräften von Landkreis, Bauernverband, Genossenschaften und Landwirten wurde im großen Maß in Gegenden, die nicht so stark von der Dürre betroffen waren, Stroh zur Verfütterung aufgekauft, verladen und per LKW und Bahn in die Westeifel transportiert.“

Bei dieser Aktion wurden damals auch Soldaten und Lastwagen der Bundeswehr eingesetzt, erinnert sich der frühere Pronsfelder Gemeindechef. Die Hilfe traf aus vielen Regionen im Bundesgebiet ein: „Aus dem Raum Mayen-Koblenz – vom Maifeld –, aus Düren, Euskirchen, Rheinhessen und sogar aus Niedersachsen“, sagt Richards.

Michael Horper aus Üttfeld ist heute Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. 1976 stand er, 19-jährig, kurz davor, den elterlichen Hof zu übernehmen und erlebte gleich ein Krisenjahr: „Vom April bis in den August hat es keinen Tropfen geregnet. Den ganzen Tag war man am telefonieren: Wo kann man noch etwas herbei bekommen, um die Tiere über den Tag zu bringen? Es wurde alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest war. Und dann kam die Stroh-Aktion.“ Die sei allerdings großartig gewesen. Überhaupt habe es für die Landwirte „eine Welle der Hilfsbereitschaft von allen Seiten“ gegeben. „Und so konnten wir die Tiere dann wirklich über den Winter bringen.“

Auch mit ungewöhnlichen Mitteln: Denn auf einmal, erzählt Michael Horper, „hat die Industrie erkannt, dass man den Bauern viele Dinge verkaufen kann. Melasse zum Beispiel (ein Sirup, der bei der Rohrzucker-Herstellung anfällt, Anm.). Und Bierhefe.“ Denn das Stroh war spröde, „die Tiere mussten sich überwinden, sich das einzuverleiben“. Also kippte man Melasse drüber. Und die flüssige Bierhefe in die Tröge. „Da hatten die Tiere dann einen im Tee.“

Pronsfeld war in jenem Jahr, neben Kyllburg und Prüm, einer der Bahnhöfe, „an denen die Landwirte das Stroh abholten und zu den Betrieben verfrachteten“, sagt Winfried Richards. Und zwar eine Wagenladung pro Bauer. Was dazu führte, dass man die Hänger vollpackte, bis sie beinah aus den Rungen gingen. Und wenn nicht die Hänger havarierten, dann die Traktoren. Die damals noch viel kleiner waren als die gewaltigen Geräte, die heute über Feld und Straße knattern: „15, 20, 30 PS“, sagt Horper. „Die Bauern waren tagelang unterwegs, um Futter herbei zu schleppen. Am Ende sind dann die Reifen geplatzt, die Bremsen überhitzten, oder die Motoren streikten.“

Bund und Land halfen mit dem „Dürre-Darlehen“, das bei einem Prozent Zinsen auf zehn Jahre abzutragen war. Andernfalls wären viele Höfe damals kaputtgegangen, sagt Michael Horper. Dass es 1976 – anders als für die Eifelbauern 2018 – so bedrohlich für die Landwirte war, lag nicht an der Dürre allein. Es lag auch am Jahr davor: Schon 1975 war sehr trocken gewesen. Und deshalb hatte man keine Futtervorräte anlegen können.

Was allerdings auch zu spüren war, sagt der Bauernpräsident, das sei die Wertschätzung gewesen, für die Landwirte und für die Nahrungsmittel, die sie liefern. „Heute verpufft dass alles.“ Werde es irgendwo knapp, „dann laden die Amis, die Kanadier, die Neuseeländer die Schiffe voll“. Globalisierung eben.

Der Jahrhundertsommer brachte nicht nur beeindruckend viel Hilfe. Auch die Zahlen lassen mit den Ohren schlackern: Insgesamt, sagt Winfried Richards, rollten per Bahn und LKW 4800 Waggonladungen Stroh in die Westeifel. „Das waren 96 Güterzüge mit jeweils 50 Wagen.“

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