Aus dem Archiv Juli 2019 Nach Missbrauch und Gewalt an Eifeler Internat - Bistum sucht das Gespräch mit Opfern

Trier/Gerolstein · Missbrauch, Gewalt, Demütigungen: All das war offenbar Gang und Gäbe an dem ehemaligen Internat Albertinum in der Eifel. Nun kündigt das Bistum Aufarbeitung an – und baut auf die Mitarbeit der Opfer.

Missbrauchsfälle am Albertinum Gerolstein: Bistum beauftragt Projekt zur Aufarbeitung
Foto: TV/Mario Hübner

Es sind offenbar keine Einzelfälle. Auf jeden Bericht, den der TV über Gewalt und Missbrauch am Albertinum in Gerolstein schreibt, melden sich Menschen aus der ganzen Region – und berichten von ähnlichen Erfahrungen, die sie an dem kirchlichen Internat gemacht haben.

Auch auf unseren jüngsten Bericht „Schatten der Vergangenheit“, der im Juni erschienen ist, haben sich TV-Leser gemeldet, die ebenfalls in den 60er oder 70er Jahren das Internat besucht haben. Auch sie berichten, wie jüngst Ulrich Fremgen von physischer und psychischer Gewalt sowie Demütigungen, die beim Umgang der Geistlichen mit ihren Schützlingen an der Tagesordnung gewesen sein sollen.

Die Jungen sollen hemmungslos geschlagen worden sein und der ehemalige Schüler Ulrich Fremgen hatte in einem Brief an Triers Bischof Stephan Ackermann geschrieben, dass es „Gewaltausübungen durch den Oberpräfekten gegeben habe, die man nur als sadistisch bezeichnen kann“. Auch von sexuellen Übergriffen ist die Rede.

Seine Seele habe dadurch Schaden genommen, schreibt Fremgen. Er fordert nach dem ersten TV-Bericht im Frühjahr 2018 eine „Wiedergutmachung“ vom Bistum. Doch zunächst erklärte Bistumssprecherin Judith Rupp auf TV-Anfrage, dass die „Leitlinien mit den Vorgaben zu Leistungen als Anerkennung erlittenen Leids“ beim ehemaligen Schüler Fremgen nicht greifen, da es sich in seinem Fall nicht um sexuelle, sondern um physische Gewalt handele. Nun die Kehrtwende.

Das Bistum hat ein Projekt „Gewalt am bischöflichen Internat Albertinum Gerolstein – Aufarbeitung mit und für Betroffene“ in Auftrag gegeben. Die Erziehungswissenschaftlerin Professorin Claudia Bundschuh aus Mönchengladbach und die Rechtsanwältin und Mediatorin Bettina Janssen aus Köln werden mit der unabhängigen Untersuchung betraut, teilt das Bistum mit.

Bundschuh hatte erst vor zwei Jahren eine ähnliche Studie für ein ehemaliges Jungeninternat im Erzbistum Köln erstellt – mit teils erschreckenden Ergebnissen. Anders, als zunächst von einigen Kritikern befürchtet, übernehmen damit externe Fachleute die Aufklärung und nicht ein Verein in kirchlicher Trägerschaft wie etwa die Caritas. Zudem sollen die Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht werden.

Das Projekt startet mit einer Auftaktveranstaltung im Herbst und ist bis Sommer 2021 angelegt. Laut Bistum soll „sowohl sexuelle als auch psychische und physische Gewalt Gegenstand des Projektes zur Aufarbeitung sein“. Zu den Bedingungen des jetzt geschlossenen Vertrags gehört, dass die beiden Beauftragten die Untersuchung „ohne Vorgaben durch das Bistum“ angehen. Die Aufarbeitung soll gemeinsam mit Betroffenen erfolgen. An der Auftaktveranstaltung teilnehmen können alle ehemaligen Schüler des Albertinums – unabhängig, ob sie selbst Opfer geworden sind oder nicht.

Anlass für das Projekt sind laut Bistum Rückmeldungen von ehemaligen Schülern des seit 1982 geschlossenen Internats. Das Bistum sei zunächst von Einzelfällen ausgegangen und habe laut einer Sprecherin „keinen Zusammenhang gesehen“. Nun müsse man sich fragen, „ob hinter dem Missbrauch in dem Gerolsteiner Internat nicht ein System gesteckt habe“, wie Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg gesagt hatte, nachdem durch weitere TV-Recherchen öffentlich wurde, dass es mehr Fälle und Taten gibt, als zunächst angenommen.

Unter www.albertinum-gerolstein.de wird über das Projekt informiert und der Abschlussbericht veröffentlicht.

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