Archiv 2018 Universität Trier: Ein neues Schiff auf den Spuren der Antike (Video)

Trier · Ein originalgetreu nachgebauter antiker Handelssegler entsteht in einer Halle auf dem Unicampus in Trier. Wissenschaftler wollen damit erstmals gesicherte Erkenntnisse über die römischen Transportwege im Mittelmeer gewinnen.

In der eigens errichteten Halle auf dem Unigelände entsteht der originalgetreue Nachbau des römischen Handelsschiffs Laurons 2. Projektleiter Christoph Schäfer bespricht mit Bootsmeister Matthias Helterhoff (links) die nächsten Arbeitsschritte.

In der eigens errichteten Halle auf dem Unigelände entsteht der originalgetreue Nachbau des römischen Handelsschiffs Laurons 2. Projektleiter Christoph Schäfer bespricht mit Bootsmeister Matthias Helterhoff (links) die nächsten Arbeitsschritte.

Foto: Rainer Neubert

Das schrille Kreischen der professionellen Hobelmaschine schmerzt in den Ohren. In die Nase steigt der Geruch von frischem Holz. Bootsbaumeister Matthias Helterhoff und zwei Helfer schieben mit Kraft einen mächtigen vorgesägten Balken über die rotierenden Messer. Als wenig später das leicht gebogene und nun glatte Bauteil auf das Deck des Holzschiffes gewuchtet ist, herrscht in der Werkhalle neben dem Besucher-Parkplatz der Uni Trier wieder ein erträglicher Lärmpegel.

Der erfahrene Handwerker aus Usedom freut sich. Wieder ist ein Puzzleteil für das Meisterstück römischer Schiffsbaukunst eingepasst. „Oberträger haben wir dieses Teil getauft“, sagt Helterhoff. „Denn wir wissen nicht, wie es von den Römern genannt wurde.“ Klar ist ihm aber die Funktion: „Gemeinsam mit zwei ähnlichen Balken werden Deck und Luke zusammenhalten. Das bringt auf dem Meer zusätzliche Stabilität.“

Seit Mai 2017 kommt der Bootsbaumeister alle drei Wochen für mehrere Tage nach Trier, um die Rekonstruktion des römischen Handelsschiffs „Laurons 2“ anzuleiten. „Die antike Bauweise ist wirklich etwas Besonderes“, schwärmt er und streicht dabei fast liebevoll mit der Hand über die Bordwand. „Nut und Feder aus Holz halten hier. Es ist sehr aufwendig und dennoch erstaunlich, wie viel Stabilität das in die Planken bringt.“

Der 16 Meter lange, fünf Meter breite und vier Meter hohe Schiffsrumpf, der die Blicke in der großen Halle unweigerlich auf sich zieht, vermittelt tatsächlich einen stabilen Eindruck. 13 Kiefern aus dem Trierer Weißhauswald wurden dafür vor fast drei Jahren geschlagen. Mit dem Restholz lagern auch die zwei Stämme der Weißtannen für Mast und Rah auf dem umzäunten Gelände hinter der Halle. Wenn weiterhin alles gut geht, werden sie bei der Schiffstaufe im Frühsommer mit Segel und Takelage den aufwendigen Nachbau komplettieren.

„Wir sind wirklich gut vorangekommen“, freut sich Projektleiter Professor Christoph Schäfer. „Wie genau die Segel ausgesehen haben, wissen wir noch nicht genau.“ Das wird gerade gemeinsam mit Fachkollegen aus Frankreich, England und Spanien diskutiert. Entsprechende Computersimulationen werden vom Fachbereich Maschinenbau der Hochschule Trier erstellt, die im Rahmen der Wissenschaftsallianz Trier an dem weltweit einmaligen Projekt mitwirkt. Denn es gibt zwar bereits Rekonstruktionen von römischen Kriegsschiffen und historisierende Nachbauten von kleineren Flussfrachtern. Die exakte und fahrtüchtige Kopie eines Küstenseglers, wie er nun im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Transmaare der Universität Trier entsteht, existiert aber noch nicht.

„Die Vorlage ist das Wrack eines bei Marseille in Südfrankreich gefundenen Schiffes“, sagt Schäfer. „Es ist der am besten erhaltene Befund aus dieser Zeit.“ Die möglichst genaue Vorlage ist deshalb so wichtig, weil schriftliche Aufzeichnungen darüber fehlen, wie in der Antike Schiffe konstruiert und gebaut wurden. Und auch Daten über deren Leistungsfähigkeit und Fahrtüchtigkeit gibt es nicht. Mit modernster Technik soll das erforscht werden, sobald der Nachbau fertig ist.

„Es geht um Globalisierung, die es bereits in römischer Zeit gegeben hat. Die Effekte kennen wir, wenn zum Beispiel der Weinhandel in Britannien plötzlich nicht mehr aus dem Mittelmeer gespeist wurde, sondern aus Frankreich. Wie sich damals Märkte verändert haben, ist bereits belegt. Noch nicht bekannt ist, was das für die Kostenkalkulationen der römischen Händler bedeutet und welche praktischen Effekte das hatte.“ Praxisnah soll das Potenzial und die Intensität des römischen Seehandels erforscht werden. Möglich wird das durch ein nautisches Messsystem, das für die Hochseeregatta America’s Cup entwickelt und von Astrophysikern der Universitäten Hamburg und Massachusetts in Kooperation mit der Hochschule Trier an die Eigenschaften römischer Schiffe angepasst wurde. Drei davon – alles Kriegsschiffe – hat Hoffmann in den vergangenen 15 Jahren bereits gebaut, in Regensburg, Germersheim und Hamburg.

Auch Bootsbaumeister Matthias Helterhoff war an diesen drei Rekonstruktionen beteiligt. „Das Original der Laurons 2 ist zwar vergleichsweise gut erhalten“, sagt er. „Es gibt aber nicht alle Geheimnisse preis.“ So gerät die große Schiffsbaustelle auf dem Unigelände oft genug auch zum Tüftelcampus, wie die Bootsbauer einst im Details gearbeitet haben.

Roland Schons aus Luxemburg gehört zu den 50 Mitwirkenden des Projekts. Er baut aus Holz eine römische Bilgenpumpe für das Schiff. Damit wurde um das Jahr 300 n.Chr. Wasser aus dem Rumpf befördert.

Roland Schons aus Luxemburg gehört zu den 50 Mitwirkenden des Projekts. Er baut aus Holz eine römische Bilgenpumpe für das Schiff. Damit wurde um das Jahr 300 n.Chr. Wasser aus dem Rumpf befördert.

Foto: Rainer Neubert
 Vorlage war ein Wrack: Die Hochschule Trier hat am Computer das römische Handelsschiff „Laurons 2“ neu entstehen lassen.

Vorlage war ein Wrack: Die Hochschule Trier hat am Computer das römische Handelsschiff „Laurons 2“ neu entstehen lassen.

Foto: Hochschule Trier

Das Kreischen der Hobelmaschine ist dem Wummern von Bandschleifern gewichen. Seit Monaten sind immer mindestens vier Studenten und Helfer auf der Baustelle. Sie alle fiebern dem Moment entgegen, wenn das Schiff zu Wasser gelassen wird. „Auf unserer Werft wird täglich gebaut“, sagt Professor Schäfer. Zum Termin mit dem Trierischen Volksfreund trägt er Sakko und blickt etwas wehmütig zu den emsigen Bootsbauern. „Für mich sind die schönsten Momente, wenn ich selbst mit anpacken kann.“

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