Nach Angriff auf Taxifahrerin in Trier Verhandlung zeigt wirre Vergangenheit der Angeklagten

Trier · Nach ihrem Überfall auf eine Taxifahrerin in Trier gestehen die beiden Frauen. Das Opfer hat eine eigene Forderung.

Nach Angriff auf Taxifahrerin in Trier: Verhandlung zeigt wirre Vergangenheit der Angeklagten
Foto: dpa/David Young

Für die Taxifahrerin fühlt es sich in dieser Dezembernacht 2016 nach eigener Aussage wie eine Hand an, die sich in ihren Rücken krallt. Als sie sich umdreht, sieht sie den Elektroschocker, den die junge Frau auf der Rückbank in ihrer Hand hält. Schlagartig wird ihr bewusst, dass sie gerade von den beiden jungen Frauen überfallen wird, die sie vom Cinemaxx-Kino bis zum Parkplatz der Mäusheckerschule gebracht hat. Sie reißt die Tür ihres Wagens auf, schreit um Hilfe und versucht vor den beiden zu fliehen.

Deren gemeinsamer Plan, die durch den Schocker wehrlose Taxifahrerin ihrer Geldbörse zu berauben, ist gescheitert. Der Schocker hat die Fahrerin nicht außer Gefecht gesetzt. Eine der Angreiferinnen flüchtet alleine. Die andere aber greift die damals 59-jährige Fahrerin erneut mit der Waffe an – dieses mal trifft es die Frau am unteren Rücken. Heute sagt die Fahrerin dazu: „Da war mir klar: Die will mich am Boden liegen sehen.“ Nach einem Handgemenge flieht die Fahrerin und trifft zu ihrem Glück ein junges Geschwisterpaar, das zufällig über den Parkplatz fährt und sich anschließend um sie kümmert.

Die beiden 30- beziehungsweise 32-jährigen weiblichen Angeklagten und die bislang vernommenen Zeugen schließen sich  vor der großen Strafkammer des Landgerichts Trier im Grunde den Darstellungen der Staatsanwaltschaft an.

Demnach lässt auch die zweite Angreiferin in der Tatnacht, dem 5. Dezember 2016, schließlich von ihrem Opfer ab, entsorgt den Elektroschocker in einer Mülltonne und flüchtet ebenfalls. Kurze Zeit später schnappt die Polizei die beiden im Rahmen einer Fahndung in der Nähe des Tatorts.

Nachdem sich der Vorsitzende Richter Armin Hardt mit der ersten Angeklagten befasst hat, scheint es, als ob die Taxifahrerin trotz ihrer Schmerzen und der anschließenden Angst, unter der sie litt, sogar Glück gehabt hat. Die Angeklagte hat laut Vorstrafenregister unter anderem eine Axt nach ihrem Expartner geworfen, gemeinschaftlichen Diebstahl begangen, mehrere Menschen derbe beleidigt und jemanden zu Unrecht einer Straftat bezichtigt. Im Dezember 2016 war sie aber diejenige, die das Opfer nur versuchte abzulenken – ohne den Elektroschocker (auch Taser genannt) einzusetzen.

Sie hat laut eigener Aussage eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und fügt sich selbst Verletzungen zu. Wegen Suizidgefährdung war sie mehrmals in Behandlung. Sie wuchs mit mehreren Geschwistern auf, besuchte zunächst die Hauptschule und wechselte nach einem Jahr auf eine Sonderschule. Sie wurde mit 18 zum ersten Mal Mutter, mit 21 zum zweiten Mal. Die Kinder leben nicht bei ihr, sie hat kaum Kontakt zu ihnen.

Die Angeklagte gibt – wie ihre mögliche Mittäterin und Freundin – an, aus Geldnot geraubt zu haben. Auf Nachfrage können die Frauen allerdings nicht sagen, wie hoch ihre Schulden sind. Eine gibt an, von ihrem damaligen Freund regelmäßig bestohlen worden zu sein.

Die zweite Angeklagte hatte sich zuvor weniger zu Schulden kommen lassen. Sie hat vor einiger Zeit ein Smartphone gestohlen. Sie leidet laut unterschiedlichen Gutachten an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, droht regelmäßig mit dem Suizid und hat bereits tatsächlich versucht, sich das Leben zu nehmen. Beide Angeklagten entschuldigen sich pflichtgetreu bei ihrem Opfer.

Eine sagt: „Ich habe das alles so nicht gewollt.“ Doch die Fakten scheinen eine andere Sprache zu sprechen: Die beiden Angeklagten kauften gemeinsam den Elektroschocker, jede zahlte 40 Euro dafür. Die Waffen kann man legal ohne Waffenschein erwerben. Sie sprachen ihre Rollen vor dem Raub klar ab und verlangten am Telefon eine Taxifahrerin – wohl mit dem Kalkül, sich besser gegen eine Frau durchsetzen zu können. Zum Ende der Verhandlung fragt Richter Hardt die Taxifahrerin, wie sie urteilen würde, wenn sie Richterin wäre. Sie fordert: „Hinter Gitter. Angesichts der Vorstrafen machen die genau so weiter.“

Update: Inzwischen sind die beiden Frauen verurteilt worden. Hier geht’s zum Bericht über das Urteil.

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