Boom um Beaujolais Nouveau ist passé

Paris (dpa) · Am dritten Donnerstag im November heißt es alle Jahre wieder: „Le Beaujolais Nouveau est arrivé“ (Der neue Beaujolais ist da). Doch das zum Ritual gewordene Phänomen um den fruchtigen Billigwein ist in die Jahre gekommen.

„Der Beaujolais Nouveau - das war mal ein echtes Gesellschaftsereignis“, seufzt Albert Prat hinterm Tresen des „Rubis“. In der berühmten Pariser Weinbar in der Rue du Marché Saint- Honoré wird traditionell an diesem dritten Donnerstag im November wieder der Primeur ausgeschenkt, der erste Wein des neuen Jahrgangs. Doch die Zeiten, in denen sich um die bauchigen Weinfässer auf dem Bürgersteig die Fans zum Verkosten des süffigen, kühlen Jungweins drängten, sind vorbei. „Das hat sich schon seit etwa vier Jahren geändert“, sagt die Bedienung mit dem Weinglas in der Hand.

Und daran sind nicht nur die Bestimmungen schuld, die den Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit begrenzen. Denn weltweit ist die Nachfrage nach dem spritzigen Billigwein aus der Gamay-Traube arg geschrumpft. Zwar wird er auch diesmal wieder mit Akkordeon-Folklore und Nostalgie-Gefühl weltweit in Restaurants und Bars geschlürft. Doch nach dem Boom-Jahr 2004 war der Export im freien Fall. „Jetzt erholt er sich wieder etwas, vor allem in den USA, Belgien, in der Schweiz oder Russland“, sagt Bérangère Bouchacour, die Sprecherin des zuständigen Weinverbands Interbeaujolais.

Die Produktion soll dieses Jahr in etwa auf dem Vorjahresniveau liegen, als der Erzeugerverband 39,5 Millionen Flaschen produzierte. „Mitte Oktober wurden die ersten Kisten um die Welt geschickt - die meisten davon nach Japan“, sagt die Verbandssprecherin. Dort sitzen die weltweit treusten Beaujolais-Fans. Sie nehmen auch in diesem Jahr wieder sieben Millionen Flaschen ab - ihnen folgen die Amerikaner mit 2,3 Millionen, vor den Deutschen mit 1,3 Millionen. 2002 wurden in Deutschland noch sieben Millionen Flaschen geöffnet.

„Er schmeckt in diesem Jahr kaum nach Banane, sondern vor allem nach Himbeere oder Erdbeere“, meint Bouchacour, die bereits ihre Verkostung hinter sich hat. Sie führt das vor allem darauf zurück, dass die Beaujolais-Winzer wetterbedingt nur kleine Beere gelesen haben, die hohe Geschmacks-Konzentrationen aufweisen. Die Kehrseite der Medaille: „Geringe Volumen bedeuten auch höhere Preise.“

Seit 1951 genießen die Winzer der Gegend bei Beaujeu und Lyon das Ausnahme-Recht, frisch gekelterten Rebsaft vorzeitig im November zu entkorken. Gerade mal ein paar Wochen alt und überwiegend mit Bananen-Aroma war er zunächst nur für den Hausgebrauch der Winzer zum Anstoßen auf die erfolgreich beendete Traubenlese gedacht. Als ihn findige Händler in Paris anboten und sich ein Wettrennen um die zuerst eintreffenden Tropfen lieferten, war die Idee zur Vermarktung geboren. Trotz des Naserümpfens vieler Experten ob des „unfertigen“ Weins wurde aus dem Ereignis schnell ein echter Verkaufsschlager.

Seit 1985 wurde er dank brillanter Werbe-Feldzüge zwischen Tokio und Düsseldorf zum Gesellschaftsphänomen. 1998 gingen bereits 62 Millionen Flaschen über den Ladentisch. Die aktuelle Absatzkrise des Beaujolais steht stellvertretend für die gesamte Branche. Jährlich muss eine Überproduktion vernichtet werden, viele Anbauflächen werden umgewidmet. Der Trend ist nicht nur auf Frankreich beschränkt. „Die weltweiten Rebflächen nehmen 2010 um etwa 70 000 Hektar ab,“ sagte der Generaldirektor der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV), Federico Castellucci, vergangene Woche in Paris.

Die weltweite Weinerzeugung für dieses Jahr liege um 10,7 Millionen Hektoliter unter der Produktion von 2009 (minus 4 Prozent) und betrage nur noch 260 Millionen Hektoliter. „Das ist eine bedeutende Reduzierung der weltweiten Produktion - etwa so, als ob Südafrika oder Deutschland dieses Jahr gar nichts produziert hätten.“

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