Deutsche sind Obst-Muffel

Berlin (dpa) · Die Deutschen essen immer weniger Obst und Gemüse. Und das, obwohl der Handel mit Neuheiten wie Gurken-Limo lockt. In Berlin wird gerätselt, woher das Desinteresse kommt. Zudem kündigt der Handel höhere Preise an.

Im Obst- und Gemüseregal halten die Verwandlungskünstler Einzug: Limonen in Gurkenform, Mandelpilze mit Anis-Note, Kleinstäpfel wie Tennisbälle in Plastikröhren verpackt und „Mini-Pflaumen-Tomaten in Dattelform“. Das ist nur eine Auswahl der Neuheiten, die bei der weltgrößten Messe des Fruchthandels in Berlin prämiert werden. Die Branche weiß, dass sie sich etwas einfallen lassen muss. Denn der Appetit der Bundesbürger auf Obst und Gemüse nimmt seit Jahren ab.

Zwar bleibt der Apfel in Deutschland die beliebteste Obstsorte. Doch den Umsatz konnte der Fruchthandel hierzulande im vergangenen Jahr nur Dank höherer Preise steigern, die die schlechten Ernten mit sich brachten.

Es gibt keine Anzeichen, dass sich das ändert. Jürgen Boruszewski, Präsidiumsmitglied des Deutschen Fruchthandelsverbands, kündigt zum Auftakt der Fruit Logistica (9. - 11. Februar) in Berlin leicht steigende Preise für die Kunden an, und in der Prognose sind schlechtes Wetter und Ernteausfälle noch nicht berücksichtigt.

Dazu kommt langfristig ein weiterer Preistreiber: der weltweite Wettkampf um Anbauflächen. „Sie sind neben Trinkwasser weltweit die wichtigste Ressource“, sagt Boruszewski, der von Hamburg aus Waren von Ananas bis Zwiebel vertreibt. „Anbauflächen sind zu einem Handelsgut geworden.“

Die Hälfte des deutschen Gemüses kommt aus dem Ausland, beim Obst sind es sogar 80 Prozent. Den Importeuren treibt es deshalb die Sorgenfalten auf die Stirn, wenn Schwellenländer sich mit Anbauflächen im Ausland eindecken, um ihre wachsenden Bevölkerungen zu ernähren.

Beim Branchentreff in Berlin rätseln die Experten derweil, warum die Bundesbürger ihrer Ansicht nach lieber zum Schoko-Riegel greifen als zu Banane, Apfel oder Möhre. Der eine beklagt, dass viele Bundesländer das EU-Schulobstprogramm nicht angenommen haben, der andere, dass Obst als Nachtisch in Deutschland keine Tradition habe, und alle gemeinsam, dass die Unbedenklichkeit von Obst und Gemüse für Gesundheit und Klima noch nicht ausreichend bekannt sei.

Probleme könnte auch bringen, dass die zu großen Teilen auf Einfuhren spezialisierte Branche das Wachstumssegment Bio nur unzureichend bedienen kann. Zwar bieten selbst Discounter Bio-Äpfel und -Tomaten aus dem Ausland an. Viele Kunden wollen aber regionale Produkte, wie Günter Schweinsberg, Geschäftsführer des Fruchthandel Magazins, sagt. „Regionale Ware genießt Vertrauen.“ Doch die deutschen Bauern hinken nach einer Studie besonders bei Obst und Gemüse der wachsenden Bio-Nachfrage weit hinterher.

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