Grusel-Comeback in der Küche: Kürbis in aller Munde

Münster (dpa) · Lange war der Kürbis als Arme-Leute-Essen verpönt. Mit dem Siegeszug von Halloween begannen die Deutschen, ihn wiederzuentdecken. Jetzt erobert das knallbunte Gemüse Kochsendungen und Edelrestaurants.

Beatrix Stertmann liebt den Kürbis. „Mich haben die Farben und die Formen der Kürbisse fasziniert“, sagt die Landwirtin. Ob gelb, orange oder grün, rund oder birnenförmig, der Kürbis ist vielfältig. Eines Tages pflanzte Stertmann die Kürbissaat auf ihren Feldern am ländlichen Stadtrand von Münster ein. Das war vor acht Jahren. Heute ist es eine veritable zusätzliche Einnahmequelle. Der Familienbetrieb von den Stertmanns ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Kürbis immer mehr zu einem weiteren Standbein in der Landwirtschaft wird. „Das Geschäft läuft sehr gut“, sagt Stertmann, ohne konkrete Zahlen nennen zu wollen. „Wir wachsen.“

Überhaupt nimmt der Anbau von Kürbissen deutschlandweit rasant zu. Im Jahr 2009 wurden auf 10 000 Hektar Speise- und Zierkürbisse angebaut. Im gleichen Jahr wurden 48 000 Tonnen Kürbisse geerntet, während es im Vorjahr nur 38 000 Tonnen waren. Das ist ein Zuwachs um mehr als ein Viertel. „Diese Wachstumswerte sind beachtlich“, sagt der Marktanalyst bei der Agrarmarkt-Informations GmbH, Michael Koch.

Ähnlich wie das unauffällige Salatgewächs Rauke unter dem schicken Namen Rucola eine neue Karriere gemacht hat, war auch der Kürbis irgendwie immer da. Aber früher war er als Arme-Leute-Mahlzeit verschrien. Jetzt wird er bei Verbrauchern und Landwirten immer beliebter. „Das liegt zum einen an Kochsendungen im Fernsehen, wo immer mehr mit Kürbissen gekocht wird und ganz eindeutig an amerikanischen Einflüssen“, sagt der Gemüsemarktexperte. Das US-Gruselfest Halloween, das in der Nacht zum 1. November gefeiert wird, ist nach Deutschland herübergeschwappt.

Anfangs sei vor allem Kürbisse zum Aushöhlen gefragt gewesen, aus denen traditionell Halloween-Fratzen geschnitzt werden. Heute würden aber auch immer mehr Kürbisse zum Verzehr gekauft, sagt Marktkenner Koch. Beliebt seien vor allem der Hokkaido aber auch der beige-braune Butternut-Kürbis. Und der Trend gehe in Richtung grün.

Das kann auch die Bäuerin Stertmann bestätigen. Sie erklärt es sich damit, dass vielleicht immer mehr Menschen mit Deko und Essen experimentieren. „Ein buntes Durcheinander finde ich persönlich auch am Schönsten.“ Insgesamt gibt es weltweit über 800 Kürbissorten. Stertmann bietet 100 zum Verkauf an, davon ein Drittel zum Essen.

Beliebt sind Kürbisse aber nicht nur bei jungen Leuten - im Gegenteil. Gerade jene Generation, die den Kürbis in der Nachkriegszeit als Kompott, als Suppe oder Reibekuchen verspeist hat, will ihn noch heute. Das sind vor allem die über 50- und 60-Jährigen, erläutert Koch. Nur gibt es das heutzutage auch in mondän: Berliner Edelrestaurants nehmen Kürbis-Tortellini in ihren Speisekarten auf.

Jetzt ist gerade Hochsaison, Erntezeit. Stertmann arbeitet von früh morgens bis abends auf dem Feld. Sie sammelt die Kürbisse ein, wäscht sie und sortiert sie. Obwohl das Wetter dieses Jahr sehr viele Kapriolen geschlagen hat, wirkt sich das nicht unbedingt auf den Kürbis aus. „Der Kürbis ist unheimlich robust. Er braucht vor allem Wärme“, sagt die Kürbis-Expertin. „Regen schadet dem Kürbis nicht.“ Der Frost im Winter sei aber das Schlimmste, deshalb muss bis dahin auch die Ernte vorüber sein oder die Kürbisse abgedeckt werden.

Ob der Kürbis eine Frucht oder Gemüse ist, darüber lässt sich übrigens trefflich streiten. In der Agrarwirtschaft wird der Kürbis oft als „Fruchtgemüse“ bezeichnet, in der Botanik ist er sogar eine Beere. Wie man es nennen will, ist wohl am Ende Geschmackssache.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort