Studie: Zeit für Essen und Kochen schwindet

Frankfurt/Main (dpa) · Noch nie gab es so viele Koch-Shows und hochpreisige Kücheneinrichtungen. Doch Zeit fürs Essen und Kochen nehmen sich immer weniger Menschen. Verstärkt wird auswärts und spontan gegessen, besagt eine neue Studie.

Gegessen wird, wenn Zeit dafür ist - auf diese Formel lassen sich die Ernährungsgewohnheiten einer wachsenden Bevölkerungsgruppe in Deutschland bringen. Der immer hektischere Alltag bringt vor allem junge Leute und Berufstätige dazu, auf regelmäßige Mahlzeiten zu verzichten und sich spontan mit nahrhaften, aber längst nicht immer gesunden Snacks zu versorgen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der in Frankfurt vorgestellten Ernährungsstudie des Lebensmittelkonzerns Nestlé.

„Essen ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagt die Allensbach-Demoskopin Renate Köcher, deren Institut noch vor dem jüngsten Dioxin-Skandal mehr als 4000 Menschen nach Ess- und Einkaufsgewohnheiten gefragt hat. Zusammen mit weiteren Umfragen stützt sich die Studie auf die Angaben von etwa 10 000 Menschen.

Fast die Hälfte der Menschen mit einem unregelmäßigen Tagesablauf klagt demnach über fehlende Zeit, sich so zu ernähren, wie sie es eigentlich möchte. Immerhin 28 Prozent der Berufstätigen sagen, dass sie dazu nur noch am Wochenende kommen.

In der besonders betroffenen Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen meinen überdurchschnittlich viele, dass sie zu viel Süßes und Fast-Food zu sich nehmen. Köcher weist auf die Fülle des täglichen Angebots hin: „Eine Gesellschaft, die so die Wahl hat, muss lernen, sich vernünftig zu ernähren und sich zu disziplinieren.“

So gibt es bei der Ernährung deutliche Unterschiede zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Inzwischen sagen 69 Prozent aller Deutschen, dass gute Ernährung für sie eine große oder sehr große Rolle spiele. Entscheidend seien gemeinsame Zeit zum Essen, Vielfalt und Frische. Mehr Zeit zum Kochen wünschen sich aber nur 35 Prozent.

Weitgehend undeutlich seien den Verbrauchern Begriffe wie Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung. Höhere Preise etwa für Produkte aus artgerechter Tierhaltung wollen nur 33 Prozent bezahlen.

Dazu passt die laut Studie stagnierende Bedeutung des Bio-Anteils. Gegenüber der ersten Studie aus dem Jahr 2009 sei die Gruppe der bewussten Bio-Käufer um drei Punkte auf 16 Prozent geschrumpft, heißt es in der Studie, die - zur Erinnerung - vor dem zurzeit grassierenden Dioxin-Skandal erarbeitet worden ist. Inzwischen belegen manche Umfragen zumindest einen kurzfristigen Bio-Boom.

Gute Produkte erwarten die Konsumenten vor allem bei Waren aus der Region, zu denen nach eigener Einschätzung 37 Prozent regelmäßig und 44 Prozent gelegentlich greifen.

Höhere Lebensmittelpreise seien in diesem Jahr schon wegen der stark gestiegenen Rohstoffpreise unausweichlich, sagt Nestlé-Chef Gerhard Berssenbrügge. Möglicherweise werde die Preissteigerungsrate sogar ausnahmsweise über der Gesamtinflation liegen. Man befinde sich mit dem Handel in harten Verhandlungen, finde aber zunehmend Verständnis für höhere Preise.

Die vorerst letzte Preissenkungsrunde, mit der sich vor allem die Discounter in den Vorjahren bekriegten, stamme aus dem ersten Halbjahr 2010. Nach wie vor habe Deutschland mit seiner vielfältigen Handelsstruktur die niedrigsten Lebensmittelpreise Europas.

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