Alles andere als Käse

Trier · Kosenamen für ein Fahrzeug sind nichts Ungewöhnliches. Mit Käfer, Knutschkugel, Julchen oder Kommissbrot haben wir eine Fülle solcher verbaler Alleinstellungsmerkmale für ein Automobil. Während die Verbindung zum eigentlichen Modellnamen in den meisten Fällen geläufig ist, geht es bei dem Fahrzeug, mit dem wir uns heute beschäftigen, eher um einen Exoten: um den DAF 30, das Daffodil.

 Der Daf 30 von 1961 und was sich aus der Variomatic-Technik entwickelt hat (unten): In den Multitronic-Getrieben von Audi übernimmt heute anstelle von Riemen ein mehrgliedriges Ketten band die Übertragung der Motorkraft. Foto: Joost J. Bakker, Grafik: Audi

Der Daf 30 von 1961 und was sich aus der Variomatic-Technik entwickelt hat (unten): In den Multitronic-Getrieben von Audi übernimmt heute anstelle von Riemen ein mehrgliedriges Ketten band die Übertragung der Motorkraft. Foto: Joost J. Bakker, Grafik: Audi

Trier. Wenn jemals die Attribute niedlich, hübsch, winzig, ja fast ein wenig hilflos wirkend auf ein Automobil gepasst haben, dann auf diesen liebenswerten Gesellen. Dieses Mini-Mobil aber als Käse abzuqualifizieren, bloß weil es eines der ganz wenigen Erzeugnisse niederländischer Automobilkunst ist, würde dem Exemplar nicht gerecht werden. Was diesen rollenden Schuh karton, der Anfang der 1960er Jahre auf westdeutschen Straßen zu entdecken war, neben seiner dem Trabant ähnlichen Erscheinung auszeichnete, war seine Getriebetechnik. Der DAF 30 war eines der ersten Autos mit serienmäßigem Automatikgetriebe.
Variomatic nannte sich diese frühe Form der Übertragung von Motorkraft auf die Straße. Wer jemals in einem DAF gesessen hat, wird diesen Anblick nicht vergessen. Was sieht man, wenn man in Richtung Mittelkonsole schaut, also da, wo normalerweise in den Gängen herum gerührt wird? Nichts. Also fast nichts jedenfalls. Lediglich so ein kümmerliches Stöckchen ragt da schüchtern aus dem Fahrzeugboden. So als hätte man vergessen, bei der End abnahme im Werk das Auto noch einmal auf zuräumen.
Mit diesem Stöckchen konnte man nun zweierlei Dinge tun: Es entweder nach vorn oder rückwärts schieben. Das war\'s. Denn das Einmalige an diesem Oranje-Mobil war die Tatsache, dass das Fahrzeug vorwärts wie rückwärts genauso schnell fuhr. Der an der Hinterachse eingebauten Variomatic zu eigen war ein sogenannter Gummibandeffekt. Das heißt, dass der Motor immer mit der gleichen Drehzahl bei maximalem Drehmoment seine Arbeit verrichtete. Eine spezielle Fliehkraftkupplung, die an der Antriebseinheit saß, war Leistungstransformator und 1:1-Über setzung gleichermaßen.
Legendäre Rückwärtsrennen



Das Zweizylinder-Motörchen schöpfte aus 750 Kubikzentimetern satte 30 PS. Dergestalt ließ sich das Fahrzeug mit den signi fikanten Heckflossen auf satte 105 km/h Höchstgeschwindigkeit emporkatapultieren. Bereits nach 20 Sekunden war ein Geschwindigkeitsrausch von 80 km/h erreicht. Ob vorwärts oder rückwärts, interessierte die Technik eher nicht und blieb daher der Präferenz des Fahrzeugführers vorbehalten.
In die Jahre gekommene Besitzer eines solchen Blechzwergs, der ab 1961 verkauft wurde, wissen heute noch von legendären Rennen mit dem Daffodil zu berichten. Die liefen folgender maßen ab: Die zu bewältigende Strecke wurde zunächst vorwärts gefahren, dann rückwärts. Und schließlich wurden die Zeiten addiert. Bis das Ergebnis feststand, blieb den Teilnehmern genügend Zeit, ihre verrenkten Hälse wieder in die Ausgangsstellung zu bringen.

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