Mehr Sphinx als Automobil

Trier · Mit 65 Jahren würde er heute in Rente geschickt. Doch auf eine so lange Arbeitszeit blickt der Mathis VL 333 gar nicht zurück. Das 1946 vorgestellte Fahrzeug hatte etliche Besonderheiten. Einige zu viel jedoch für den Weg in die Serienreife. So kam erst 1999 ein Drei-Liter-Auto auf den Markt - produziert von VW.

Trier. Als der heutige Vorsitzende des Aufsichtsrats von Volkswagen, Ferdinand Piëch, 2002 sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG niederlegte, tat er das sehr medienwirksam: Seine letzte Fahrt unternahm er mit dem ersten Ein-Liter-Auto des Konzerns. Zuvor hatten die Wolfsburger mit dem Modell Lupo 3L TDI, das nur drei Liter Diesel auf 100 Kilometer be nötigte, ihre Kompetenz für verbrauchsarme Motoren bereits lautstark angepriesen.
Ein solches Triebwerk gab es indes bereits vor 65 Jahren. Der Mathis VL 333 war 1946 das weltweit erste Drei-Liter-Auto. Zum Rezept dafür gehörte ein Werkstoff, auf den die VW-Tochter Audi in ihrer aktuellen Modellpalette bei Konzeption und Produktion ihrer Fahrzeuge setzt: Aluminium. Es setzte sich in der Frühzeit der Automobiltechnik eher in Komponententrägern als im Motorenbau durch. Kolben aus Aluminium, die den schweren Grauguss verdrängten, waren schon in den 1920er Jahren keine Seltenheit. Auch der berühmte Opel Laubfrosch von 1924 hatte einen Aluminiummotor.
Drei Sitze und drei Räder


Auf eben diesen Leichtbau, aber auch auf eine windschlüpfrige Bauweise (Tropfenform, flache Scheiben, verkleidete Radkappen) setzte der aus französischer Produktion stammende Mathis VL 333. Seine Konstrukteure Emile Mathis und Jean Andreau wählten die beiden Buchstaben V und L als Abkürzung für voiture légère (leichtes Auto). Die Zahlenkombination 333 steht für die drei Räder und die drei Sitze des Fahrzeugs sowie dessen Verbrauch von drei Litern Kraftstoff auf 100 Kilometer. Den sensationellen Luftwiderstandsbeiwert von 0,282 bringt heutzutage nicht einmal der High-Tech-Lupo von Volkswagen zustande. Dieser kommt auf 0,29.
Das Chassis (Rohkarosserie) bestand aus blechbeplanktem Aluminium. Die Karosserie wog nur 78 Kilogramm bei einem Gesamtgewicht des Autos von 386 kg. Beim Pariser Autosalon 1946 wurde der Exot zum ersten Mal der staunenden Öffentlichkeit präsentiert, obwohl Mathis schon seit sechs Jahren an dem Fahrzeug arbeitete. Das 15-PS-Motörchen war auch etwas für Bastler und Schrauber. Ein Austauschmotor ließ sich mit wenigen Handgriffen implantieren.
Eine Zukunft hatte der dreirädrige Wagen der Herren Andreau und Mathis jedoch nicht. Bei allen gut gemeinten Visionen: Für eine Serienproduktion war er viel zu teuer, und der Werkstoff Aluminium war nach dem Krieg zu selten, als dass man ihn hätte zum Bau von Automobilen verwenden können. So bleib der Mathis VL 333 mehr eine Sphinx als ein Automobil.Extra

Der Franzose Jean Andreau (1890 - 1953), ein Absolvent der Militärschule Saint-Cyr, trat bereits zehn Jahre vor der Mathis-Premiere mit einem anderen PKW in Erscheinung: Während der Pariser Automobilausstellung 1936 zog sein Prototyp Peugeot 402 N4X mit einer großen Heckflosse die Blicke auf sich. Der Hersteller hatte den Aerodynamiker beauftragt, das Serien modell 402 zu optimieren. An dreaus Honorar soll das Unternehmen danach berechnet haben, um wie viele km/h der neue Wagen schneller war.mws

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