Die Demokratie einer Wohnanlage

Berlin · Wer im Beirat einer Wohnungseigentümer- gemeinschaft sitzt, hat eine Treuhänderfunktion. Er muss den Verwalter der Wohnanlage unterstützen, aber auch kontrollieren.

Berlin (dpa/tmn) Fast jede Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) hat einen Beirat. Ihm gehören auch Eigentümer an. Sie gucken dabei dem Hausverwalter über die Schulter. Praktisch fungiert das Gremium als Auge und Ohr der Miteigentümer. Die Beiratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Trotzdem haften sie finanziell für Fehler. Sorgfalt und eine Versicherung mindern jedoch das Haftungsrisiko.
Die Aufgaben des Beirats sind im Wohnungseigentumsgesetz geregelt. "In Paragraf 29 steht: den Verwalter unterstützen sowie den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung prüfen", erläutert der auf WEG-Recht spezialisierte Anwalt Kai-Peter Breiholdt aus Berlin das Tätigkeitsfeld. Dies klingt recht übersichtlich: Einnahmen und Ausgaben kontrollieren, Instandhaltungsrücklage im Blick halten, Stellung nehmen zu Kostenvoranschlägen und der Auswahl von Dienstleistern durch den Verwalter.
Diese Pflicht haben Beiräte sorgfältig zu erledigen. "Wer Unsinn macht, kann für Schäden in Haftung genommen werden", sagt Breiholdt. Beispiele: wenn bei der Jahresprüfung keine Kontoauszüge eingesehen werden oder übersehen wird, dass der Verwalter Geld falsch verbucht oder auf eigene Konten umleitet. Den daraus entstehenden Schaden für die WEG muss der Beirat ausgleichen. Das entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf bereits 1997 (Az.: 3 Wx 221/97).
In der Realität tun Beiräte mehr als im Gesetz vorgesehen. Folglich steigt die Gefahr, für Fehler geradezustehen. Breiholdt verdeutlicht dies an Sanierungsarbeiten: Bezahlt der Verwalter Rechnungen, obwohl die beauftragte Firma noch keine Leistung erbrachte, kann der Beirat mit dran sein. Gleiches gilt für überhöhte Rechnungen und Angebote, die der Beirat freigibt. "Beiräte haben eine Treuhänderfunktion für die Finanzen der Gemeinschaft", erläutert der Anwalt das Versäumnis. Die daraus resultierende Haftung auf Schadenersatz ist unbegrenzt. Im schlimmsten Fall stehen Beiratsmitglieder mit ihrem gesamten Vermögen ein. Das gilt unter der Voraussetzung, dass ihnen ein Fehler nachgewiesen wird und die gesetzlich verankerte Verjährungsfrist von drei Jahren noch läuft. Das Gremium haftet gesamtschuldnerisch nach dem Prinzip einer für alle.
Zum Schutz vor Schadenersatzansprüchen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine ist die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung. Sie mildert die finanziellen Folgen ab. Die Versicherung kann auf zwei Wegen abgeschlossen werden. Entweder ein Mitglied unterschreibt den Vertrag für das gesamte Gremium oder der Verwalter tut dies im Namen der Eigentümergemeinschaft. Diese trägt auch die Kosten. Einzelne Beiräte können sich auch privat versichern. Das ist ratsam, wenn die WEG eine Versicherung verweigert.
Die Deckungssumme richtet sich nach dem Volumen des Wirtschaftsplans für die Wohnanlage. "Faustformel ist das Zweifache des Geschäftsplans. Im Zweifel sollte es mehr sein", sagt der auf WEG spezialisierte Versicherungsmakler Ingo Cordts aus Köln. Der Jahresbeitrag kostet um die 100 Euro.
Vorsorgen können Beiräte auch, indem sie ihr Engagement beschränken. Sabine Feuersänger vom Verein Wohnen im Eigentum (WiE) in Bonn empfiehlt, lediglich zu tun, was im Gesetz steht. Zudem sollte der Handlungsspielraum präzise geregelt sein. Denn gerade von eifrigen Beiräten - egal, ob fachlich kompetent oder nicht - gerne übernommene Zusatztätigkeiten wie Abnahme von Gewerken, Abschluss des Verwaltervertrags und Kontoverfügungen seien haftungsträchtig. Wenn überhaupt, sollten solche Tätigkeiten nur mit Erlaubnis der WEG erfolgen und in deren Beschlüssen detailliert beschrieben sein. Etwa mit Formulierungen wie "die Eigentümergemeinschaft beschließt, Beirat Meier zu ermächtigen, die Malerarbeiten in Haus XY zu überwachen und abzunehmen". In komplizierten Dingen sollte das Gremium auf Kosten der WEG den Rat von Fachleuten hinzuziehen dürfen.
Die Eigentümergemeinschaft kann per Beschluss die Haftung des Beirats einschränken. Das geht sowohl für einzelne Mitglieder als auch für das gesamte Gremium. Mit einer solchen Klausel verzichtet die WEG auf ihr zustehende Schadenersatzforderungen. In der Regel kann ein solcher Ausschluss nur im Voraus und für einzelne Tätigkeiten vereinbart werden. "Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit greift das jedoch nicht", schränkt Feuersänger weiter ein. Einem generellen Freibrief per WEG-Beschluss hat der Bundesgerichtshof 2002 einen Riegel vorgeschoben (Az. V ZB 58/99). Allerdings dürfen die Eigentümer eine allgemeine Haftungsbegrenzung in die Teilungserklärung oder in die Gemeinschaftsordnung hineinschreiben. Diese spezielle Vereinbarung sollte zusätzlich ins Grundbuch eingetragen werden. So bleiben nachfolgende Wohnungskäufer daran gebunden.

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