Die Klassiker: Dänische Möbel stehen für schlichte Eleganz

Kopenhagen (dpa/tmn) · Nach dem Zweiten Weltkrieg waren dänische Möbel günstige Massenware, heute sind sie zeitlose Klassiker. Design aus Skandinavien veredelt das Heim, ohne aufdringlich zu sein. Einzelne Stücke lassen sich gut mit der übrigen Einrichtung kombinieren.

 Ein bis heute gefragter Klassiker dänischer Designkunst: Der Stuhl „Serie 7“ von Arne Jacobsen für den Hersteller Fritz Hansen. Foto: Fritz Hansen

Ein bis heute gefragter Klassiker dänischer Designkunst: Der Stuhl „Serie 7“ von Arne Jacobsen für den Hersteller Fritz Hansen. Foto: Fritz Hansen

Es war der US-Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 1960, der endgültig zeigte, dass dänisches Möbeldesign die Welt erobert hatte. John F. Kennedy saß beim ersten Live-Fernsehduell gegen Richard Nixon auf einem Stuhl von Hans J. Wegner, erzählt Nille Juul-Sørensen, Leiter des Danish Design Center in Kopenhagen. Es waren die Stühle, die den Tischler und Architekten Wegner berühmt machten. Heute sind solche Möbelstücke wieder im Kommen.

„Dänisches Design erlebt seit vier, fünf Jahren ein weltweites Revival“, sagt Nicolette Naumann, die sich für die Messe Frankfurt um die Konsumgüterausstellung Ambiente kümmert. „Viele Designklassiker aus den frühen Jahren sind wieder da.“ Dazu gehöre etwa der Stuhl „Serie 7“ von Arne Jacobsen mit seiner geschwungenen Holzlehne und den Metallbeinen.

Es sind vor allem leichte, funktionelle Möbel aus Holz, die den dänischen Stil ausmachen - weltberühmt wurden die Stühle. „Das Material ist geformt nach deinem Körper“, sagt Juul-Sørensen. Es sei angenehm zum Sitzen, aber auch schön anzuschauen. Ein schwerer Chesterfield-Stuhl aus Leder nehme den ganzen Raum ein. „Ein moderner dänischer Stuhl ergänzt den Raum.“ Dänisches Design sei modern in der Form, aber biete auch große Bequemlichkeit, so Naumann.

Der Architekt und Designer Sigurd Larsen aus Berlin spricht von organischen Holzmöbeln: „Eher leicht und flexibel. Man kann damit umziehen.“ Larsen hat in Kopenhagen studiert, er kennt das eher kalte Klima dort gut. „Der Stil hat zu tun mit einer Idee von Licht und Wärme. Holz ist warm und schön anzufassen.“

Das macht grundsätzlich Design aus Skandinavien aus. „Ein skandinavisches Haus hat ein ganz anderes Gefühl von Kunstlicht und Tageslicht als zum Beispiel spanische Architektur“, sagt Larsen. Licht sei in den nördlichen Ländern essenziell, ergänzt Juul-Sørensen. „Wir erschaffen Räume um das Licht herum.“ Licht definiere einen Raum im Raum. „Es geht nicht darum, einen Raum ganz auszuleuchten, dieses Repräsentative. Es geht mehr um Lichtbereiche, um Stimmungslicht“, sagt Naumann. Als Beispiel nennt sie eine schöne Leselampe, die sich gut ausrichten lässt. Und Licht hat einen Wohlfühleffekt: „Man versucht, es gemütlich zu machen durch Belichtung“, erklärt Larsen.

Die Ironie der Geschichte des dänischen Stils liegt in dem Bedeutungswandel, den die Designobjekte erfahren haben: „Die Möbelklassiker, die heute sehr teuer sind, waren ursprünglich überhaupt nicht teuer.“ „Das hatte mit dem Aufbau des Sozialstaats zu tun“, erzählt Larsen. „Es ging nach dem Krieg darum, dass jeder Mensch im ganzen Land gutes Design haben sollte.“

Damals hätten viele Möbelarchitekten kostenlos für große Supermarktketten Stücke entworfen. Die Idee: Massenproduktion und billiger Verkauf. „Erst viel später wurden die Möbel zu Design-Ikonen.“ Und dementsprechend teuer: „„Ich habe Stühle aus meiner Kindheit, die damals fast nichts gekostet haben. Für die brauchst du heute ein dickes Bankkonto“, erzählt Juul-Sørensen.

Die große Designrevolution gab es im Norden nicht. „Eher eine Evolution“, sagt der Däne. „Die meistverkauften Möbel heute wurden in den 50ern und 60ern designt.“ Die Postmoderne der 80er Jahre in Italien und Deutschland habe sich in Skandinavien nicht durchgesetzt, bestätigt Naumann. „Es blieb bei einer schlichten Form.“

Möbel im dänischen Stil gibt es auch zu erschwinglichen Preisen, etwa von Herstellern wie Normann, Muuto oder Hay. „Die jungen Designer benutzen neue Materialien, aber haben eine traditionelle Sicht auf die Dinge“, erklärt Juul-Sørensen. „Sie konzentrieren sich auf das Wesentliche, auf Funktion und Form.“ Aber eben nicht zu astronomisch teuren Preisen.

Die echten Klassiker zählten heute eher zur gehobenen Einrichtung, sagt Naumann. „In Berlin zum Beispiel gibt es viele Vintage-Läden, die skandinavische Möbel aus den 50ern und 60ern wieder aufbereiten.“ Der Vorteil dänischer Möbel - gerade der exklusiven Klassiker - liegt darin, dass sie sich gut mit anderen Einrichtungsstilen kombinieren lassen. „Man muss das nicht als ein Gesamtkunstwerk sehen“, sagt Larsen. Die Stühle und Tische wirken als Einzelstücke. „Du brauchst nicht sechs Arne-Jacobsen-Stühle, du kannst sie mit anderen zusammenstellen“, sagt Juul-Sørensen.

Der dänische Stil passe zu einer Kultur, die immer versucht, ein bisschen zurückhaltend zu sein, erklärt Larsen. „Nie denken, dass man besser als andere ist, eher zurückhaltend und schlicht.“ Nille Juul-Sørensen nennt es „demokratisch und offen“. Und er warnt davor, Räume zu perfekt einrichten zu wollen. „Dann fehlt die Seele, der Witz.“ In einem dänischen Haus ließen sich immer auch unperfekte Ecken finden. „Du siehst sie nicht direkt, aber du fühlst sie.“

 Vor allem die Stühle, hier von Hay, haben den dänischen Stil weltberühmt gemacht: Sie sind bequem, ohne ausladend zu wirken. Foto: Hay

Vor allem die Stühle, hier von Hay, haben den dänischen Stil weltberühmt gemacht: Sie sind bequem, ohne ausladend zu wirken. Foto: Hay

 Leicht und flexibel: Sigurd Larsens Tisch mit Hocker fügt sich gut in den Raum ein. Foto: Sigurd Larsen

Leicht und flexibel: Sigurd Larsens Tisch mit Hocker fügt sich gut in den Raum ein. Foto: Sigurd Larsen

 Sie seien ein zurückhaltendes Volk, sagen die Dänen. So sind auch ihre Möbel: Sie nehmen wenig Raum ein und haben dezente Farben, wie Hersteller Muuto zeigt. Foto: Muuto

Sie seien ein zurückhaltendes Volk, sagen die Dänen. So sind auch ihre Möbel: Sie nehmen wenig Raum ein und haben dezente Farben, wie Hersteller Muuto zeigt. Foto: Muuto

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