Greenpeace-Umfrage: Deutsche sehen Kleidung als Wegwerfware

Hamburg (dpa) · Die neueste Kollektion hängt in den Läden, aber der Kleiderschrank ist voll und das Schuhregal quillt über. Da bleibt nur: Weg damit in den Müll. Kleidung ist für immer mehr Menschen ein Wegwerfartikel, zeigt eine Umfrage.

 Laut Greenpeace behandeln Deutsche Kleidung oft wie Wegwerfartikel. Von den rund 5,2 Milliarden Kleidungsstücken in den Schränken würden 40 Prozent sehr selten oder nie getragen. Foto: Maja Hitij

Laut Greenpeace behandeln Deutsche Kleidung oft wie Wegwerfartikel. Von den rund 5,2 Milliarden Kleidungsstücken in den Schränken würden 40 Prozent sehr selten oder nie getragen. Foto: Maja Hitij

Bekleidung ist einer Umfrage im Auftrag von Greenpeace zufolge zum Wegwerfartikel geworden. Von den 5,2 Milliarden Kleidungsstücken in deutschen Schränken würden 40 Prozent sehr selten oder nie getragen, teilte die Umweltschutzorganisation am Montag mit.

Jeder Achte trage seine Schuhe weniger als ein Jahr lang. Kaum jemand lasse Kleidung ausbessern. Mode sei zum Wegwerfartikel wie Einweggeschirr verkommen, kritisierte Greenpeace-Expertin Kirsten Brodde.

Für wichtig werde gehalten, den schnell wechselnden Trends zu folgen. Kleidungsstücke würden daher rasch aussortiert und landeten im Kleidercontainer oder im Müll, so Brodde. Mehr als Tausend Menschen zwischen 16 und 69 Jahren waren für die Analyse im September befragt worden.

Demnach besitzen Frauen im Durchschnitt 118 Kleidungsstücke (ohne Strümpfe und Unterwäsche), Männer 73 Teile. Frauen aus dem Westen Deutschlands haben am meisten Kleidung im Schrank. Mehr Bildung und mehr Einkommen gehe mit deutlich mehr Anziehsachen einher, teilte Greenpeace zu den Umfrageergebnissen mit.

Zum Bild der Wegwerfmentalität passt, dass die Hälfte der Befragten noch nie Kleidung zum Schneider gebracht hat. Mehr als die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen war noch nie beim Schuster. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten sortieren Kleidung aus, weil sie ihnen nicht mehr gefällt. 83 Prozent der Befragten haben noch nie Kleidung getauscht, über die Hälfte noch nie welche verkauft.

Wenn die Befragten Kleidung aussortieren, wandere sie oft in den Müll, hieß es von Greenpeace weiter. Fast die Hälfte der Befragten hat demnach in den letzten sechs Monaten Kleidung weggeworfen. „Das geht zulasten der Umwelt und der Gesundheit, denn die Kleidung wird mit Hunderten giftiger Chemikalien produziert“, sagte Brodde.

Bei der Frage nach Gütesiegeln klaffen Wunsch und Wirklichkeit der Verbraucher auseinander. Jeder zweite Befragte gab an, dass Siegel für nachhaltig, umweltverträglich und fair hergestellte Kleidung sehr hilfreich seien. Zugleich achtet aber nur jeder Vierte beim Kauf auf nachhaltige, umweltverträgliche oder faire Produktion.

„Wir können wirklich von einem Werteverfall sprechen“, sagt auch

Claudia Banz, die für das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe die

Schau „Fast Fashion“ kuratiert hat. In der Ausstellung geht es um die

Schattenseiten der Mode. 90 Prozent der Kleidung für den

amerikanischen und europäischen Markt wird danach in

Billiglohnländern wie China, Indien oder Vietnam produziert.

Entwicklungshelfer beobachten die Folgen: Landwirtschaftliche Flächen

werden für Baumwolle genutzt, nicht mehr für Lebensmittel. Traurige

Schlagzeilen machte 2013 ein verheerender Brand in einer maroden

Textilfabrik in Bangladesch. Vielen Käufern bei uns wurde da erst

richtig bewusst, was der westliche Konsum anrichten kann.

„Da muss ein neues Bewusstsein her“, sagt Kuratorin Banz. „Wenn etwas

günstig ist, fühlen wir uns gut.“ Da setze die Werbung sehr geschickt

an. Schulen und Bildungseinrichtungen seien beim Thema Nachhaltigkeit

gefragt. Doch Kleidertausch-Partys sieht Banz kritisch: Diese weckten

auch nur das Bedürfnis, mehr zu haben. Die Ausstellung „Fast Fashion“

hat aus ihrer Sicht einen Nerv getroffen. „Man merkt, dass es die

Menschen berührt.“

Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie sieht das

Thema naturgemäß anders. „Die Leute kaufen viel und haben die

Schränke voll“, sagt Sprecher Hartmut Spiesecke. Von einer

Wegwerfmentalität will er jedoch nicht sprechen. Seine persönliche

Beobachtung: „Wenn ich eine Socke mit einem Loch habe, stopfe ich sie

nicht.“ Es gebe eine Gruppe von Leuten, die auf das Geld achte.

Mancher, der billig einkauft, hat einfach nicht mehr zum Ausgeben.

Wer mit der Mode gehe, sortiere eher mal etwas aus, urteilt

Spiesecke.

Zu Gute kommt das Aussortieren gerade den Flüchtlingen in

Deutschland. In den Kleiderkammern lagern Berge von Textilien, die

mal mehr, mal weniger zu den Neu-Ankömmlingen passen. Es ist

auffällig viel Frauenkleidung darunter.

Second Hand: Für die einen ist das rote Blümchenkleid total out. Andere finden es aber noch super. Kleidung, die noch in Ordnung ist, findet im Second-Hand-Laden Verwendung. Also - besser dort hinbringen als wegschmeißen. Gleichzeitig finden Kunden dort das eine oder andere Schmuckstück. „Die Läden achten selbst drauf, dass die Sachen, die sie annehmen, noch gut erhalten sind“, sagt Alexandra Borchard-Becker vom Bundesverband Die Verbraucherinitiative. Auch Tauschpartys mit Freunden sind eine gute Idee.

Qualität: Borchard-Becker empfiehlt, beim Kauf auf hochwertige Verarbeitung zu achten. „Stabile Nähte sind ein Hinweis auf eine gute Verarbeitung“, sagt sie. Die Naht sollte nicht schief sein oder ungleichmäßig verlaufen. Denn wenn der Faden unterschiedlich stark gespannt ist, kann leicht die ganze Naht auftrennen. „Wichtig sind auch haltbar angenähte Knöpfe und sorgfältig eingenähte, gut funktionierende Reißverschlüsse.“ Geht ein Kleidungsstück trotzdem mal kaputt, lohnt sich der Gang zum Schneider oder Schuster.

Preis: „Teuer bedeutet nicht automatisch gute Qualität“, sagt Borchard-Becker. Aber natürlich ist der Preis ein erster Hinweis auf Qualität und Nachhaltigkeit der Kleidung. Deshalb lohnt es sich oft, in ein teureres Stück zu investieren, von dem der Träger länger etwas hat. Wer viel billig kauft, kommt wahrscheinlich auf den gleichen Preis. „Außerdem sollte man sich immer de Frage stellen: "Brauche ich das wirklich?"“, rät Becker-Borchard.

Gütesiegel: Ob Kleidung wirklich unter menschenwürdigen Bedingungen und ohne giftige Chemikalien produziert wurde, darüber geben Gütesiegel Auskunft. Dazu zählen etwa das „GOTS Label“ der International Working Group on Global Organic Textile Standard oder das „IVN-Best-Siegel“ des internationalen Verbands der Naturtextilindustrie, erklärt Borchard-Becker.

Basics: Basics wie der schwarze Blazer oder die weiße Bluse sind zeitlos. „Hier lohnt es sich, in hochwertige Kleidung zu investieren“, sagt Borchard-Becker. Denn in der Regel trägt man die Kleidung einige Jahre. Weniger ist mehr. Modische Teile für eine Saison müssen nicht ganz so hochwertig sein. „Oder man kauft sie im Second-Hand-Laden.“

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