Kreative Folgen des Glühbirnen-Tods - Neue Lampenideen für LEDs

Mailand (dpa/tmn) · Die Glühbirne stirbt aus. Das stellt Designer bei der Gestaltung von Leuchten vor Herausforderungen. Denn die umweltbewussten LEDs haben praktisch keinen Körper. Neue Lampenideen müssen her.

 Die Designerin Sylvie Maréchal lässt Leuchten in Form von Vögeln im Raum schweben (363 Euro). Foto: Beau & Bien

Die Designerin Sylvie Maréchal lässt Leuchten in Form von Vögeln im Raum schweben (363 Euro). Foto: Beau & Bien

Kerzenlicht gilt als warmes und gemütliches, wenn auch nicht sehr helles Licht. Die moderne Kerze kommt ohne Wachs, Docht und Feuer aus. Sie ist ein technisches Kunstwerk: „My New Flame“ von Ingo Maurer ist eine Tischkerze, die nie abbrennt.

Die Verbindung von High-Tech und romantischem Ausdruck ist eine Idee von Moritz Waldemeyer. „Am oberen Ende eines schmalen schwarzen oder roten Stabs scheint eine Flamme zu brennen“, erklärt der Deutsche mit Wohnsitz in London. „Aus der Nähe erkennt man auf jeder Seite 128 winzige LEDs, die zum Bild einer Flamme verschmelzen.“ Lichtfarbe und die Programmierung erzeugen einen überaus realistischen Eindruck. Anlässlich der Leuchtenmesse Euroluce in Mailand haben Maurer und der Lichtkünstler Waldemeyer aus dem Standobjekt das flexible Lüster-System „Flying Flames“ gestaltet. Es kombiniert die LED-Kerzen mit einem schlichten und funktionalen Downlight-Element.

LEDs sind das Leuchtmittel der Zukunft. Zwar sind Glühbirnen und Halogen ? noch ? nicht aus dem Handel verschwunden, aber Designer müssen sich bereits auf das neue, kleine Licht einlassen. Doch die Kreativen stehen bei der Gestaltung vor mehreren Herausforderungen: Anders als Glühbirnen haben LED-Leuchtmittel praktisch keinen Körper. LEDs geben viel Wärme ab. Und sie können, wenn sie fest in die Leuchte integriert sind, nicht gewechselt werden. Außerdem muss man die kleinen Punkte für eine gute Lichtausbeute bündeln.

„Die Leuchtenbranche hat in den vergangenen Jahren den fundamentalen Wandel von der Glühbirne zu einer Vielzahl von neuen Lichttechnologien erfahren“, sagt der deutsche Designer Konstantin Grcic. Das betrifft auch viele Klassiker, bei deren Entwurf das Leuchtmittel ganz im Zentrum des Designs stand.

So wie im Fall von Achille Castiglionis und Pio Manzùs ikonischer Leuchte „Parentesi“. Grcic hat sie zeitgemäß überarbeitet. Die Höhenregulierung der „OK Leuchte“, produziert von Flos, funktioniert wie beim Vorbild aus den 70er Jahren durch Gleiten eines Stahlrohrs auf einem Seil. Dieses ist von der Decke bis zum Boden gespannt. Die „OK Leuchte“ ist aber flacher und größer und um 360 Grad schwenkbar.

„Eine Leuchte zu entwerfen, bedeutet heute nicht mehr, um eine vorgegebene Glühbirne herum zu gestalten, sondern die Lichtquelle selbst zu designen“, erläutert der Designer. „Eben das hat mich herausgefordert und ich habe mich gefragt, ob man die "Parentesi" in die Zukunft überführen kann.“

Von traditionellem Kulturgut haben sich die Tschechen Jan Plechac und Henry Wielgus inspirieren lassen. Ihre „Neverending Glory Collection“ für Lasvit reinterpretiert die Kronleuchter aus der Scala in Mailand, dem Palais Garnier in Paris, der Metropolitan Opera in New York, dem Bolschoi Theater in Moskau und dem Estates Theater in Prag. In den Silhouetten der schlichten Glasleuchten erkennt man die Lüster ebenso wie die hohe Schule der böhmischen Glaskunst.

Mindestens genauso ausgefallen ist das Projekt von Ross Lovegrove für Lasvit. Der britische Designer hat mit „Nodules“ kleine linsenartige Glaskugeln von Hand formen lassen. Darin dient eine optische Faser als Leuchtmittel.

Jean-Marie Massaud geht es bei dem Entwurf seiner Stehleuchte „Lightwing“ für Foscarini eher um die Kontrolle über das Licht. Es soll den gegebenen Umständen angepasst sein. Eine lange, schlanke Stele trägt den Leuchtenkopf. Eine daran befestigte Blende, die an einen Flügel erinnert, ermöglicht es, die Richtung und die Streuung des Lichts einzustellen. Der Designer sagt: „Eine Lampe zu designen bedeutet vor allem die Qualität des Lichtes zu gestalten. Ich mag es, wenn dadurch ein dreidimensionales Gefühl für den Raum entsteht.“

 Ein Klassiker neu interpretiert: Die „OK Leuchte“ von Designer Konstantin Grcic ist eine überarbeitete Version der Leuchte „Parentesi“ von Achille Castiglionis und Pio Manzùs (Prototyp, Preis nicht bekannt). Foto: Flos

Ein Klassiker neu interpretiert: Die „OK Leuchte“ von Designer Konstantin Grcic ist eine überarbeitete Version der Leuchte „Parentesi“ von Achille Castiglionis und Pio Manzùs (Prototyp, Preis nicht bekannt). Foto: Flos

 Die kenn ich doch! Jan Plechac und Henry Wielgus reinterpretierten für ihre „Neverending Glory Collection“ für Lasvit die Kronleuchter aus berühmten Konzerthäusern (je 1200 Euro). Foto: Lasvit

Die kenn ich doch! Jan Plechac und Henry Wielgus reinterpretierten für ihre „Neverending Glory Collection“ für Lasvit die Kronleuchter aus berühmten Konzerthäusern (je 1200 Euro). Foto: Lasvit

 Der Kopf der Leuchte „Lightwing“ für Foscarini hat eine Blende, so dass die Richtung und die Streuung des Lichts individuell eingestellt werden kann (Prototyp, Preis nicht bekannt). Foto: Foscarini

Der Kopf der Leuchte „Lightwing“ für Foscarini hat eine Blende, so dass die Richtung und die Streuung des Lichts individuell eingestellt werden kann (Prototyp, Preis nicht bekannt). Foto: Foscarini

 Jede Glaskugel der „Serie 28“ von Bocci ist einzigartig. Mit Xenon-Lampen versehen lassen sich bis zu 37 Einzelelemente in einem Hexagon anordnen und so zu individuellen Lichtskulpturen formen (eine Kugel ab 395 Euro). Foto: Bocci

Jede Glaskugel der „Serie 28“ von Bocci ist einzigartig. Mit Xenon-Lampen versehen lassen sich bis zu 37 Einzelelemente in einem Hexagon anordnen und so zu individuellen Lichtskulpturen formen (eine Kugel ab 395 Euro). Foto: Bocci

Und genau damit werden sich die Designer beschäftigen müssen: der Wirkung von Licht in einer Welt ? vielleicht ? ohne Glühbirne und Halogen. Dann gehört die anhaltende Sehnsucht nach der Glühbirne bald der Vergangenheit an.

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